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Haken im fremden Haus

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„Vereinigtes Arabisches Königreich“ soll der geplante Föde-rationsstaat König Husseins heißen. Er soll die zwei Teilstaaten Jordanien und Cis-Jordanien (das in diesem Plan Palästina heißen soll), jedoch nicht das von Juden besiedelte israelische Gebiet mit einbezieht, umfassen. Jerusalem soll die Hauptstadt Cis-Jordaniens und Amman die Hauptstadt Jordaniens und gleichzeitig Hauptstadt des aus beiden Teilen bestehenden Gesamtstaates werden. In demokratischen Wahlen aller Einwohner soll jeder Teilstaat sein Regionalparlament wählen, welches auch eine Regionalregierung bildet, die für alle inneren Angelegenheiten verantwortlich ist. Eine Nationalversammlung, bestehend aus einer gleichen Anzahl von Mitgliedern aus beiden Staaten, soll ebenfalls demokratisch gewählt werden, in Amman tagen und dort eine Zentralregierung bilden, die für Außenpolitik und Verteidigung verantwortlich sein wird. An der Spitze der Föderation steht der König selbst.

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„Vereinigtes Arabisches Königreich“ soll der geplante Föde-rationsstaat König Husseins heißen. Er soll die zwei Teilstaaten Jordanien und Cis-Jordanien (das in diesem Plan Palästina heißen soll), jedoch nicht das von Juden besiedelte israelische Gebiet mit einbezieht, umfassen. Jerusalem soll die Hauptstadt Cis-Jordaniens und Amman die Hauptstadt Jordaniens und gleichzeitig Hauptstadt des aus beiden Teilen bestehenden Gesamtstaates werden. In demokratischen Wahlen aller Einwohner soll jeder Teilstaat sein Regionalparlament wählen, welches auch eine Regionalregierung bildet, die für alle inneren Angelegenheiten verantwortlich ist. Eine Nationalversammlung, bestehend aus einer gleichen Anzahl von Mitgliedern aus beiden Staaten, soll ebenfalls demokratisch gewählt werden, in Amman tagen und dort eine Zentralregierung bilden, die für Außenpolitik und Verteidigung verantwortlich sein wird. An der Spitze der Föderation steht der König selbst.

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Dies ist in kurzen Auszügen der Plan, der von König Hussein vor 500 Notablen in Amman als Lösung des Nahostkonflikts proklamiert wurde.

Obwohl nur wenige in die Einzelheiten dieses Planes eingeweiht worden waren, veröffentlichte der irakische Sender in Bagdad ihn bereits zwei Tage vor seiner offiziellen Verlautbarung durch den König. Die Freischärler-Organisa-tionen in Beirut, Kairo und Damaskus beeilten sich, ihn zu verdammen, noch ehe er offiziell veröffentlicht worden war.

Es gibt rund zweieinhalb Millionen palästinensischer Araber. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt in den von Israel besetzten Gebieten, ein Drittel in Jordanien und der Rest in den verschiedenen arabischen Ländern des Mittleren Ostens. Viele treten als selbsternannte Sprecher der Palästinenser auf. Angefangen von Ägyptens Staatspräsident Sadat, bis zu dem Kommandanten der kleinsten Frei-schärlerorganisation. Nun erschien König Hussein ebenfalls als Sprecher aller Palästinenser. Ägypten, das heute die verschiedenen Frei-schärlerorganisationen mit Waffen und Geld unterstützt, um dadurch eine breite Front gegen Israel zu schaffen, sah in König Hussein einen unlauteren Konkurrenten. Der Hussein-Plan kam für Saadat fast wie bestellt. Seine kaum errichtete Föderation, bestehend aus Libyen, Syrien und Ägypten, droht schon in ihrem Anfangsstadium auseinanderzufallen. An Stelle einer Einigung vertieften sich die Meinungsverschiedenheiten der drei Partner. Nun hatte man endlich einen gemeinsamen Nenner gefunden. Mit vereinten Kräften beschlossen die Föderationspartner gegen den Plan König Husseins, der ihrer Meinung nach von der amerikanisch-imperialistischen CIA ausgearbeitet worden war, zu kämpfen.

Sogar der Sudan, welcher bisher der Föderation ablehnend gegenüberstand, war bereit, mitzuhalten.

Bisher bezichtigte König Hussein Ägypten, daß es eine Teillösung des Nahostkonfliktes mit Israel anstrebe, zwecks Wiedereröffnung des Suezkanals, ohne Jordanien einzubezie-hen, ganz als ob Cis-Jordanien kein von Israel besetztes Land wäre. Nun behauptet Saadat, Hussein habe weder Ägypten noch der von Israel besetzten Sinai-Halbinsel Rechnung getragen.

Die verschiedenen Freischärler-Organisationen sahen sich von Husseins Plan so betroffen, daß Gerüchte über die Schaffung einer palästinensischen Exilregierung kursieren. Allerdings ist kaum anzunehmen, daß man sich im arabischen Lager über die Zusammensetzung dieser Regierung einigen kann.

Obwohl die arabischen Gegner Husseins behaupteten, dieser Föderationsplan sei vorher mit Israel abgesprochen, und trotz der dauernden Kontakte zwischen Israel und Jordanien, reagierte das israelische Parlament aufs schärfste gegen den Plan.

Das Hauptargument war, daß Israel als Vertragspartner überhaupt nicht erwähnt wurde. Israels Ministerpräsident, Frau Golda Meir, bezichtigte König Hussein, über die von Israel besetzten Gebiete zu verfügen, als seien sie in seinen Händen.

Die Wahl Jerusalems als Hauptstadt Cis-Jordaniens erregte in Israel besonders die Gemüter, da man “Jerusalem als „ewige Hauptstadt Israels“ ansieht. Es kam innerhalb der Regierungskoalition zu scharfen Diskussionen, in denen die linkssozialistische Mapam sogar mit ihrem Austritt aus der Regierung drohte, bis man endlich regierungsseitig eine Erklärung annahm, nach der das historische Recht des jüdischen Volkes auf das Land Israel (hiemit ist das ganze frühere Palästina gemeint) unantastbar sei.

Den wahren Sieg feierte die rechtsradikale Opposition. Erstens nahm hier die Regierung eine Resolution an, die auch von ihnen voll akzeptiert werden konnte, so daß sie nicht gegen diese zu stimmen brauchten, sondern sich nur wegen der ihrer Meinung nach „zu milden Fassung“ der Stimme enthielten, und zweitens ermöglichte dieser Plan es ihnen, sich an ihren eigenen Worten zu berauschen.

44 Stimmen zählte man im Parlament für die Regierungsresolution. Unter den 27 Stimmenthaltungen befand sich ein Teil der religiösnationalen Koalitionspartner, die Golda Meirs Antwort an Hussein als zu sanft empfanden.

Ägypten, Syrien, Libyen und die Freischärler behaupten, daß der Plan mit Israel und den Amerikanern ausgearbeitet worden sei. Beides trifft nicht zu. Man nimmt an, daß Hussein die Amerikaner zwar offiziell informierte, daß aber die Endformulierung eine völlig andere gewesen sei als die den Amerikanern bekannte.

Auch die Israelis wurden nicht benachrichtigt, obwohl heute ein dauernder Kontakt mit Jordanien besteht. Autobusse verkehren zwischen Jordanien und Cis-Jordanien, landwirtschaftliche Produkte werden ausgeführt, Produkte aus arabischen Ländern über die Jordanbrücke nach Cis-Jordanien eingeführt, in Cis-Jordanien herrscht das jordanische Recht und kursiert die jordanische Währung. Arabische Notabein aus Cis-Jordanien befinden sich in ständigem persönlichen Kontakt mit König Hussein und konsultieren danach sehr oft auch israelische Stellen. Doch beim Föderationsplan wollte der König jeden vorherigen Kontakt mit den Israelis vermeiden.

Die Kritik im arabischen Lager an dem Plan ist nicht gegen das Prinzip der Föderation gerichtet, sondern gegen die angebliche Tatsache, daß ein Geheimabkommen mit Israel bestehe und daß es sich hier um einen „schmachvollen Frieden der Besiegten“ handle. Wenn man den Plan genauer betrachtet, so hat König Hussein auf viele Einzelheiten verzichtet, um eine Verhandlungsbasis mit Israel zu schaffen. Hussein wollte sich aber auch an die Westmächte wenden, um von ihnen politische Unterstützung zu erhalten. Bevor man in Amman den Plan an die arabische Botschaften weiterleitete, wurde er den westlichen Botschaften übergeben, damit diese wohlwollend und in Ruhe darüber in ihre Heimatländer berichten könnten.

Der arabische Journalist Tunk Huri betrachtete den Föderationsplan aus arabischer Sicht: „Ägyptens Staatspräsident Sadat fordert den völligen Rückzug Israels auf die Grenzen von 1967, das ist alles. Das Flüchtlingsproblem und vieles andere ist damit nicht geklärt. Hussein hingegen forderte eine vollständige Lösung des Flüchtlingsproblems und ständige Grenzen zwischen Israel und Palästina. Hussein ist der einzige, der den nationalen Bestrebungen der arabischen Flüchtlinge Rechnung trägt. Seiner Meinung nach ist dieser Plan auch für Israel akzeptabel. Die Behauptung Jordaniens, der Hussein-Plan stelle eine Verhärtung der Positionen gegenüber Israel dar, wurde nur aufgestellt, um die entstehende Kritik von Seiten der anderen arabischen Staaten abzuschwächen.“

In Cis-Jordanien waren nur die wenigsten bereit, für oder gegen den Plan Stellung zu nehmen. Man wollte erst abwarten, wie die arabische Welt darauf reagiert und wieweit es den Israelis Ernst war, in Verhandlungen mit Jordanien einzutreten.

In den Kaffeehäusern von Nablus, der wichtigsten Stadt Cis-Jordaniens, erzählte man sich über Husseins Föderationsplan eine arabische Parabel: „Chussi aus Nablus verkaufte an Ibrahim ein Haus. Chussi galt schon jahrelang als Dorftrottel. Mit einem Verrückten diskutiert man nicht. Und als er sagte, daß er sein Haus verkaufen wolle, aber nicht den Haken an der Wand, willigte Ibrahim ein. Ibrahim war glücklich mit dem Haus, und noch am selben Tag nahm er seine Frau, breitete Teppiche auf dem

Boden aus und legte sich des abends in dem neuerworbenen Haus mit ihr schlafen. Kaum waren beide eingeschlafen, klopfte Chussi an die Tür und sagte: „Es ist warm, ich möchte meinen Mantel an den Haken hängen.“ Was konnte Ibrahim anderes tun, als ihn gewähren lassen? Es hatte keinen Zweck, mit Chussi zu diskutieren. Zwei Stunden später klopfte Chussi wiederum an die Haustüre und bat: „Es ist kalt, ich will meinen Mantel holen“, und so ging es die ganze Nacht.

Am nächsten Tag nalim Ibrahim eine Zange, riß den Haken aus der Wand, hämmerte ihn an einem Baum und sagte zu Chussi: „Hier hast du deinen Haken. Wenn es heiß ist, hänge den Mantel daran, wenn es kalt ist, nimm ihn herunter, doch mich laß in Frieden.“ Ibrahim ist Israel und Chussi ist Hussein. Er macht den Plan ohne Israel, und wenn die Israelis wollen, so ist der ganze Föderationsplan nichts als ein Haken, den man an jedem Baum anbringen kann.

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