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Halbzeit für Papandreou

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In Griechenland wird wieder kräftig auf die Regierung geschimpft: in den „Kapheneia“ und am Badestrand, von Taxifahrern, Arbeitslosen und Offizieren im Ruhestand.

Eine so allgemeine Unzufriedenheit unter den Hellenen hatte es seit den letzten Monaten der konservativen Dauerregierung von.1974 bis 1981 nicht mehr gegeben. Jetzt richtet sich der Unwille jedoch gegen den erst knappe zwei Jahre im Amt befindlichen linken Ministerpräsidenten Andreas Papandreou.

Seine Ankündigung der „Alla- gi“, eines radikalen Umschwungs in der Sozial-, Wirtschafts-, Außen- und traditionell prowestlichen Bündnispolitik von Hellas war zunächst stürmisch begrüßt und bei den letzten Parlamentswahlen mit einer überwältigenden Mehrheit honoriert worden.

Bald wirkte sich jedoch auch zu Lasten der neuen Herren vom sozial-liberalen PAŠOK der geradezu an England gemahnende Trend in der griechischen Wählergunst aus, der immer von der jeweils regierenden Partei zugunsten der Opposition verläuft; jedenfalls, soweit die Stimmbürger nicht noch immer in die feste Klientel bestimmter lokalpatriotisch oder ökonomisch dominierender Abgeordneter eingespannt sind.

Diese vor allem im rechten und ursprünglich bürgerlich-liberalen Lager vorherrschenden Bindungen sind jedoch deutlich im Abbau begriffen, während Ka derbewußtsein und -gehorsam bei den moskautreuen Kommunisten des KKE kaum gelitten haben: Ihre Euro-Genossen sind in Griechenland ein ideologisch bedeutsamer, doch völlig machtloser Verein geblieben.

Wenn sich Papandreou schon bei den Kommunalwahlen vom Herbst 1982 nur mehr mit Hilfe der Kreml-Jünger durchsetzen konnte, so hängt das nicht nur mit dem Beharrungsvermögen dieser geradezu noch stalinistischen Alt- Kommunisten und Bürgerkriegskämpfer aus den Jahren 1944 bis 1951 zusammen. Der typisch griechische Trend gegen die jeweils Regierenden wirkt sich nämlich erstmals unter einer im Pragmatischen doch eher gemäßigten linken Führung nicht zugunsten der Rechtsopposition, sondern in Richtung der noch radikaleren ‘Kräfte aus.

Papandreous „Umschwung“ ist sowohl bei der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform wie in seinem Bestreben zur Gewinnung neutralistischer Distanz zur NATO und zu den USA sowie um eine rasche Lösung der griechisch-türkischen Spannungen wegen Zypern, Agäis-Ol und beiderseitigen Minderheiten zwar noch nicht gescheitert, aber immerhin steckengeblieben.

Daß diese Zielsetzungen zwar nicht unbedingt richtig, aber bei den meisten Griechen absolut populär waren und sind, zeigt der

Auftrieb, den die weiter links vom PAŠOK stehenden Kräfte mit ihrem neuen Slogan von der „wahren Allagi“ zu verzeichnen haben. Die Kommunisten, die in Hellas jahrzehntelang ein in sich fest geschlossenes, aber sonst verfemtes Ketzerdasein führten, sind jetzt für Bürger und Bauern erstmals ernsthaft wählbar geworden.

Was es bedeutet, wenn diese national-religiös im Bewußtsein verankerte Hürde einmal gefallen ist, zeigt die Entwicklung in Griechisch-Zypern. Dort ist die kommunistische Schwesterpartei des KKE, das AKEL, in nur zwei Legislaturperioden zur stärksten Partei geworden.

In diesem Punkt unterscheidet sich die Halbzeitbilanz für Andreas Papandreou ganz entscheidend von der Lage seines Vaters Georg Papandreou zur Mitte der sechziger Jahre. Schon damals hatte sich der „griechische Trend“ nach knapp zwei Regierungsjahren gegen das Reformkabinett der damaligen Sozialliberalen von der „Zentrumsunion“ gewandt, jedoch über eine von den rechten Nationalradikalen gestützte nationalliberale Minderheitsregierung in die Nacht des Militärputsches vom 21. April 1967 geführt.

Heute zeichnet sich langfristig dieselbe Gefahr eines Endes mit Schrecken in einer extremen Linksdiktatur ab. „Der Andreas“, wie ihn die Griechen nennen, ist Demokrat genug, diese Rolle eines nasseristischen Diktators, mit der sein mediterraner Partner Mintoff auf Malta in einem ähnlichen Zugzwang bereits liebäugelt, für seine Person klar abzulehnen.

Einzige Option für Papandreou jun. bleibt daher, mit seiner eigenen „Allagi“ Ernst zu machen. Um die Aussichten dafür scheint es jedoch auf fast allen Gebieten ziemlich schlecht bestellt.

Innerhalb des PAŠOK ist spätestens jetzt klar geworden, daß diese „Gesamtgriechische Sozialistische Partei“ auch keine zuverlässige und straffe Organisation, sondern nur ein neuer Name für eine sonst lose und in vielem widersprüchliche Interessengemeinschaft der Opponenten des konservativen und prowestlichen Karamanlis-Rägimes der „Neuen Demokratie“ war, die nach deren Ablösung am fehlenden Zusammenhalt, Programm und der Ideo- logielosigkeit zu zerbrechen droht.

Wie seinerzeit unter Papandreou sen. mehren sich für „Andreas“ die sogenannten „Apostaten“: jene Politiker, die unter seinen Fahnen gewählt wurden, doch jetzt ihre eigenen, diesmal in der Regel ganz linken Wege gehen; angeführt von Stathis Panagoulis, dem Bruder des Freiheitsheros gegen die Militärdiktatur und dem ehemaligen Offizier Bouloukos, der schon 1966 im Rahmen der neutralistischen Aspida-Verschwörung vor Gericht gestellt worden war.

Dazu kommen neuerdings aus 1 der Provinz ein Petsos, Chondro- koukis und Papadimitriou, die der Regierung „grüne Schaueffekte in der Hauptstadt, doch keine Verbesserungen für Arbeiter und Kleinbauern auf dem Land“ vorwerfen.

Papandreou selbst hat eingestehen müssen, daß es ihm bisher nicht gelungen ist, die alte Kluft zwischen Staat und Verwaltung zur Bevölkerung zu überbrücken und das breite Mißtrauen gegen alle „Regierenden und Steuereintreiber“ im Sinne einer verantwortungsvollen, wenn nötig auch opferbereiten staatsbürgerlichen Gesinnung abzubauen.

Dasselbe gilt für die in seinem Wahlprogramm wesentlichen außenpolitischen Zielsetzungen eines neutralen und atomwaffenfreien Südosteuropa, einer Beseitigung oder wenigstens Kontrolle der bilateral eingerichteten US- Stützpunkte in Hellas und der Aushandlung oder gewaltsamen Erzwingung des türkischen Abzuges von Zypern.

Bisher konnte Papandreou recht geschickt zwischen einer radikalen Sprachregelung und besonnenem Handeln lavieren. Nun dürfte aber für ihn und seine Regierung die Stunde der Wahrheit, geschlagen haben. Vieles spricht dafür, daß er sich zu einem Mittelweg bekennen, die Tendenzen von Linksaußen abschreiben und auf mehr Zusammenarbeit mit der großen Rechtsopposition Wert legen wird.

Ganz ohne oder gegen die „Neue Demokratie“ kann er auf lange Sicht ohnedies nicht regieren, da Karamanlis als Staatspräsident über entscheidende Vetorechte verfügt.

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