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Halbzeit in der Debatte - kein Erfolg abzusehen

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Ein Redaktionsbeirat des Wissenschaftsministeriums, dem in der Mehrzahl Vertreter von Forschungseinrichtungen angehören, hat auf der Grundlage einer von Beamten vorbereiteten Synopsis einen Bericht über „Lage und Probleme der Forschungsorganisation in Österreich” verabschiedet, der in den Grundsätzen sehr allgemein, in den Einzelheiten sehr reichhaltig ist und mehr oder weniger genau das wiedergibt, was den an der vorangegangenen Befragung und Enquete beteiligten Forschungs- und anderen Einrichtungen wichtig schien. (Zum geringeren Teil handelt es sich um reine Organisationsfragen.)

Dieses Fair Play der bisherigen Vorgangsweise, das sich wohltuend von der parteipolitischen Vorbereitung des UOG abhebt, droht nun zur entscheidenden Schwäche zu werden: Spätestens am Verlauf der ersten Beiratssitzung zur Frage der Lösungsvorschläge wurde klar, daß man zwar den je verschiedenen ideologischen Wurzelboden der dort vertretenen Einrichtungen nicht vergessen, aber die daraus erwachsenden heterogenen Vorstellungen nicht auf ihren harten Kern hin analysiert, sondern sich mit der Aufweichung einzelner Forderungen und Formulierungen beschäftigt hat. Auf die nun geglätteten Problemstellungen wollen die Lösungsvorschläge, so vernünftig manche sind, als Organogramm, als Grundlage legisti- scher Maßnahmen nicht mehr passen. Im Wissenschaftsministerium dürfte man das Problem sehen: Die Forscher werden angeregt, in der entspannten, internationalen Atmosphäre des Europäischen Forums Alpbach über „Forschung zwischen Konflikt und Konsens” zu sinnieren.

Innerhalb der schriftlichen Befragung des Wissenschaftsministeriums war auch die Politische Akademie der ÖVP zur Stellungnahme eingeladen worden, hatte sich aber nicht beteiligt, obwohl ÖVP-Wissenschaftssprecher Busek noch im März 1976 erklärt hatte, bei den Bemühungen um ein FOG gehe die ÖVP mit dem Wissenschaftsministerium weitgehend parallel; in der Folge hat er aber nur mehr von Beschäftigungstherapie und Ablenkungsmanöver gesprochen, ehe er vor kurzem die „Alternative Forschungspolitik” vorstellte. Dieses ÖVP-Konzept, dessen Urheber nicht namentlich bekannt sind, richtet heftige Angriffe gegen die Bundesregierung wegen der ungenügenden Forschungsfinanzierung. Ein ideologischer Ansatz ist vorhanden, wenn auch nicht durchgeführt, 44 konkrete Punkte enthalten eine praxisnahe Auswahl aus Vorschlägen, wie sie auch dem Wissenschaftsministerium vorliegen. Das ÖVP-Konzept soll im Herbst von den Forschern diskutiert werden.

Die FPÖ, bereits vor Abgabe ihrer Stellungnahme an das Ministerium bemüht, in Enqueten die Meinungen von Fo rschern und Institutionen zu erfahren, um sie berücksichtigen zu können, ist seither nicht mehr in Erscheinung getreten.

Dagegen meldet sich die SPÖ im Problemkatalog für das neue Parteiprogramm viel bestimmter und ideologiegebundener zu Wort, als es in der bisherigen Debatte geschehen ist (wenn auch nur auf einer halben von 49 Seiten). Ist das ein Ansatz, von dem aus die „kooperative Forschungspolitik” des Wissenschaftsministeriums überspielt werden soll? Hat die ÖVP gefürchtet, ins Out zu geraten, wenn sie kooperativ gewesen wäre?

Für einen Menschen, der glaubt, man müsse über alles sachlich reden können, ist das Überhandnehmen parteipolitischer Auseinandersetzung enttäuschend und in einem für die Wähler sowenig interessanten Bereich wie der Forschung auch nicht recht verständlich. Gerade deshalb sehe ich auch noch die Chance, die politischen Formeln gegeneinander auszuspielen und dadurch vielleicht die Sache mehr zum Vorschein zu bringen.

Versuch an einem Beispiel:

„Bei der Herstellung eines Forschungskonzeptes muß im Mittelpunkt der Betrachtungsweise der Mensch stehen - der Mensch, für den geforscht wird, und jener, der als Forscher tätig ist”, heißt es im ÖVP-Konzept. Der Mensch, für den geforscht wird („Wos brauch i des?”), taucht in der Folge nicht mehr ausdrücklich auf, sieht sich allerdings in einem Wissenschaftsrat durch Vertreter der Wirtschafts- und Sozialpartner und des Staates repräsentiert. Kann ihm das genügen, da er doch mehr als nur Arbeitnehmer, Konsument oder Parteimitglied ist? Womit begründet die ÖVP gesellschaftliche Mitsprache in Gremien für wissenschaftliche Beratung überhaupt? Woher nimmt sie das Vertrauen zur richtigen Meinungsfindung in einem gemischt zusammengesetzten Gremium, wenn ihr innerhalb der Forschung selbst die Beteiligung der Organisationen (d. h. durch Re- prasentativorgane) an der Planung und Gestaltung „in keiner Weise” genügt, sondern „allen Forschern persönlich” die Teilnahme ermöglicht werden soll?

„Freiheit der Wissenschaft und des Wissenschafters”, im oben erwähnten Ministerialbericht ein Grundzug „für eine ausgewogene Forschungsorganisation in pluralistisch-demokrati- schen Gesellschaften”, dem freilich jede Konkretisierung fehlt, kommt im SPÖ-Problemkatalog nicht vor. Da sind die Universitäten auch nach dem UOG „eine Stätte der Verbreitung demokratiefeindlicher Ideologien”, die Mitbestimmung hat „in vielen Bereichen Alibifunktion”, einem deutlichen Zentralismus und Formalismus in der Vergabe von Forschungsförderungsmitteln gesellt sich seltsam die Forderung nach „demokratischer Öffnung der Forschungsförderungseinrichtungen: Assistenten, Studenten und Vertreter der Arbeiterschaft, in die Entscheidungsgremien.

Hat die ÖVP versäumt, zu sagen, wer im Sinne ihres Konzepts als Forscher anzusehen ist (worüber die ÖSU sicherlich eine andere Meinung hat als die Mutterpartei), kommt der Begriff „Forscher” bei der SPÖ gar nicht vor. Da die Arbeiterschaft wohl kaum auf Grund eines besonderen Naheverhältnisses zur Wissenschaft hier neben Assistenten und Studenten genannt ist, kann doch wieder nur, verkürzt, auf die Vertretung der Menschen, für die geforscht wird, angespielt sein. Der Demokratisierungsanspruch wird jedoch von der SPÖ nicht nur in der Forschung gestellt; das würde dann bedeuten, es müsse jeder überall dort mitentscheiden, wo er betroffen ist. Wann also öffnet die SPÖ ihre Entscheidungsgremien für Nichtsozialisten, da doch die Politik, die von der sozialistischen Mehrheitsregierung gemacht wird, zweifellos alle Österreicher (be)trifft? Ad rem, statt ad absurdum geführt: Ist ein politisches Modell als Organisationsmodell brauchbar?

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