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Digital In Arbeit

Handlungsspielraum muß gewonnen werden

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„Plunder“, so bewertete die AZ die Vorschläge, die Prof, elementam 6.Jänner den ÖVP-Landeshaupt- leuten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterbreitet hatte. Die FURCHE hat einen sozialistischen Fachmann für Arbeitsmarktfragen eingeladen, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen.

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„Plunder“, so bewertete die AZ die Vorschläge, die Prof, elementam 6.Jänner den ÖVP-Landeshaupt- leuten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unterbreitet hatte. Die FURCHE hat einen sozialistischen Fachmann für Arbeitsmarktfragen eingeladen, zu den Vorschlägen Stellung zu nehmen.

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Wenn wir auf dem gegenwärtigen Weg der Wirtschafts-, Struktur und Beschäftigungspolitik fortfahren, können wir zwar unter größten Anstrengungen aller Steuerpflichtigen auf ein — bestenfalls — nur langsames Ansteigen der Arbeitslosenzahlen hoffen. Die langfristig zu erwartende Rechnung dafür wird jedoch wahrscheinlich unerträglich hoch sein: Die international ausgelöste Wirtschaftskrise wird hausgemacht verlängert.

Während sich andere Staaten (USA, UK, die Schwellenländer) wirtschaftlich umstrukturieren, halten wir künstlich allzu viele

wenig produktive Arbeitsplätze von gestern. Eine Politik, die zu stark nur ein Hinausschieben von Entlassungen bewirkt, ist gefährlich.

Die bestehende Wirtschaftspolitik, also auch die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, ist nicht anderes als sozial-konservativ zu bezeichnen. Um möglichst schnell diesen Trend zu verlassen, sind die Schwerpunkte einer geänderten, einer neuen Politik zu setzen.

Dazu sind drei Strategien zu verfolgen:

• Die österreichische Wirtschaft muß ihre Anpassungsfähigkeit wiedergewinnen. Wie in vielen Ländern ist auch in Österreich diese Anpassungsfähigkeit oder -Willigkeit in den siebziger Jahren stark zurückgegangen. Als Hauptursache können genannt werden:

— Uberhandnahme der Bürokratisierung von Wirtschaftsabläufen,

— überzogene Sozialgesetzgebung,

— überzogene solidarische Lohnpolitik,

— überholte Gewerbeschutzbestimmungen,

— Abnahme des unternehmerischen Risikos durch immer umfangreichere öffentliche Haftungen.

In der Krise, so zeigt sich, verringern sich die Anpassungen noch weiter, obwohl sie im Grunde den einzigen Ausweg darstellen.

Die Konsequenzen (im Sinne von Vorschlägen der OECD) sind allgemein lejcht zu ziehen:

— Der hohe Staat sollte nicht durch noch mehr Staat und Bürokratie bekämpft werden.

— Eine klarere Koordination zwischen den Leitlinien staatlicher Wirtschaftspolitik und betrieblichen Verhaltens,

— Zurückdrängen überzogener öffentlicher Einflüsse und Institutionen,

— Vereinfachung des Rechts und der Vorschriften,

— Steigerung der Arbeitskräftemobilität,

— flexiblere Lohnstrukturen und Arbeitszeit,

— Dezentralisierung großer Industriekomplexe.

Mit Maßnahmen dieser Art kann einer drohenden Sklerose der österreichischen Wirtschaftsstruktur begegnet werden.

• Langfristig ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erringen. Die siebziger Jahre änderten die Nachfragebedingungen der Weltwirtschaft grundlegend. Darauf und auf die technologische Revolution hat die österreichische Wirtschaft zu reagieren. Dies bedeutet primär eine notwendige Änderung des Angebots.

Das Grundkonzept einer „ange- bots-orientierten Wirtschaftspolitik“ kann als bekannt vorausgesetzt werden: Unternehmergewinn als Motor des Fortschritts, Abbau der Abgaben, Reduzierung der Staatstätigkeit, Investitionsförderung, Vorrang für Forschung und Entwicklung, zurückhaltende Lohnpolitik

Für Österreich müßte besonders hervorgehoben werden:

— Eine Durchforstung der Unternehmenssubventionierungen: Subsidien an verlustreiche, strukturschwache Betriebe stellen gleichzeitig eine Bestrafung noch wettbewerbsfähiger Unternehmen dar.

— Eine durchgreifende Umstrukturierung der verstaatlichten Industrie inklusive der Unternehmen der staatlichen Bankkonzerne.

— Eine Technologiepolitik großen Stils und nicht eine kleinkarierte Forschungsförderungspolitik

— Unter Umständen sogar eine staatlich betriebene Unternehmenspolitik in den zentralen Zukunftssektoren, wie Elektronik, Kommunikationstechnik, Biotechnik usw … Die verstaatlichte Industrie wäre ein geeignetes österreichisches Instrument zur Forcierung dieser neuen Schlüsselindustrie.

Bei all diesen Maßnahmen der Strukturpolitik geht es im Kern darum, endlich die Kraft des Umsetzens und Durchsetzens zu finden. Worüber in vielen Ländern jahrelang debattiert wird, das wird von den Japanern und von den Alemannen (Schweiz, Baden- Württemberg, Vorarlberg) längst gemacht.

• Kurz- bis mittelfristig ist in den kommenden Jahren einer anhaltenden Depression ein Stabilisierungsprogramm zu erstellen, welches — selbst unter weiteren Opfern — kurzfristig die soziale Flanke deckt, gleichzeitig aber langfristig auch produktive Wirkungen verspricht.

Ein solches Programm sollte mit dem „menschlichen Faktor“, also bei den Arbeitskräften selbst beginnen. Allgemein gesprochen heißt dies Bildung, Schulung, Weiterbildung, Training von Verhaltensweisen.

Ein großer Maßnahmenblock kann unter der Überschrift „neue Selbständigkeit“ zusammengefaßt werden: Jungunternehmerförderung, Beteiligungsgesellschaften nach amerikanischem Vorbild, Förderung von regionalen und unter Umständen von ge-

nossenschaftlichen Unternehmen …

Nahe verwandt mit diesen Konzepten, aber näher zum Sozialbereich, sind alle Initiativen, die mit der Überschrift „Förderung der Selbstorganisation“ versehen werden können. Organisierte Nachbarschaftshilfe, integrierte

kommunale Sozialsprengel können — wie ausländische aber auch inländische Beispielezeigen —viel zur Entschärfung der Beschäftigungslosigkeit beitragen.

Eine grobe Abschätzung der arbeitsmarktpolitischen Effekte dieser Maßnahmen läßt doch ein

beträchtliches Manövriervolumen über die kritische Frist von drei bis vier Jahren erkennen. Insgesamt ist mit einer Größenordnung von 90.000 bis 120.000 Personen zu rechnen.

Univ.-Prof. Werner Clement ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität in Wien.

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