6852256-1976_52_05.jpg
Digital In Arbeit

Hannes - im Glück?

Werbung
Werbung
Werbung

JBald gibt es nur noch zwei Alternativen: Entweder es kündigt sich demnächst der ganz große Budgetkrach an oder aber wir müssen uns langsam mit dem Gedanken anfreunden, sämtliche traditionellen Lehrbücher aus Wirtschafts- und Finanztheorie dem Roten Kreuz für die Altpapiersammlung zu schenken.

Denn irgend etwas kann da doch nicht stimmen:

Da beschließt die sozialistische Mehrheit des Nationalrates ein Budget für das Jahr 1977, das von der Voraussetzung ausgeht, daß das reale Wirtschaftswachstum 4,5 Prozent beträgt. Während die Prognose mittlerweile auf 3,5 Prozent revierhöht. Auch in der nächsten Zeit ist nach Ansicht der Experten mit einer weiteren Zunahme des Defizites zu rechnen. Nicht zuletzt deshalb, weil Österreich in letzter Zeit dazu neigt, immer stärker seinen Kreditbedarf auch im Ausland zu decken, was bedeutet, daß diese Auslandsschulden auf Heller und Pfennig in Devisen zurückgezahlt werden müssen, die dann wieder die österreichische Zahlungsbilanz negativ belasten. Anlaß zu berechtigter Sorge gibt schließlich noch die Entwicklung des Fremdenverkehrs - die Wintersaison dürfte gut, der Sommer dann um so flauer sein -, der stets als Devisenbringer Nummer 1 besonders hochgehalten wurde.

diert worden ist und die OECD gar nur noch auf 2,7 Prozent tippt. Beschließt ein Budget, das weiters auf einer geschätzten Inflation von sechs Prozent basiert. Das Budget des laufenden Jahres erstellte Androsch auf Grund einer 6,5-Pro-zent-Inflationsrate, tatsächlich werden wir heuer bei 7,3 Prozent halten.

Ein Budget also als Lexikon der Astrologie, zu dem Josef Taus in der Budgetdebatte lapidar feststellte: „Das Budget 1977 basiert auf einer optimistischen Schätzung des Wirtschaftswachstums. Es ist daher vom Ansatz her falsch.“

Noch scheint es Hannes Androsch undBruno Kreisky zu gelingen, hinter dem Schlagwort „Wir sichern Arbeitsplätze“ Kritik und Unmut zu verbergen. Die Zeitzünder für die Jahre nach der nächsten Wahl, aus der Kreisky ein letztes Mal als Triumphator heraussteigen möchte, sind aber bereits gelegt: Der Großteil der Neuverschuldung der letzten beiden Jahre im Umfang von etwa 60 Milliarden Schilling ist so konstruiert, daß die Tilgungsfristen erst 1979 zu laufen beginnen.

Mehr als bedenklich sieht es auch im Bereich der Außenhandelspolitik aus: Allein im September hat sich das Handelsbilanzdefizit für das laufende Jahr von bisher rund 33 auf fast 39 Milliarden Schilling

Es stimmt zwar, daß Österreichs Inflationsrate innerhalb der Reihe der OECD-Länder nicht so schlecht liegt - eine niedrigere Inflation als Österreich haben jüngsten Daten zufolge die Schweiz, die Bundesre-pubik, die USA und Kanada -, aber gerade im Verhältnis zu den wichtigsten Handelspartnern zieht Österreich ganz deutlich den kürzeren. So stellt die heimische Inflationsmarke gegenüber Deutschland und der Schweiz eine unliebsame Exporthürde dar. Nach Berechnungen von Univ.-Prof. Helmut Schuster (Universität Linz) sind die Exporte in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Deutschland um 23,5 Prozent und in die Schweiz um 3,9 Prozent gestiegen. Die Importe haben aber um 26,1 bzw. um 17,6 Prozent zugenommen. Gerade der Außenhandel mit der BRD ist seit Jahren defizitär - die Importe sind mehr als doppelt so hoch wie die Exporte.

Optimistische, wenn nicht erträumte Wirtschaftsprognosen, ein geschätztes Haushaltsdefizit von 60 Miliarden, Milliarden-Belastungen, eine „stabile“ Inflation, ein Riesenloch in der Zahlungsbilanz und Schulden über Schulden stehen am Jahresanfang 1977. Und noch immer ein Hannes im Glück ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung