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Harter Franc, aber Millionen Arbeitslose

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Die internationale Rezession hat auch Frankreich nicht verschont. So schlimm, wie die in den Parlamentswahlen siegreichen Gaullisten und Giscardisten die wirtschaftliche Lage darstellen, ist sie aber doch nicht (siehe auch Kommentar Seite 3).

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Die internationale Rezession hat auch Frankreich nicht verschont. So schlimm, wie die in den Parlamentswahlen siegreichen Gaullisten und Giscardisten die wirtschaftliche Lage darstellen, ist sie aber doch nicht (siehe auch Kommentar Seite 3).

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Zwar sind drei Millionen Arbeitslose für die abtretende Sozialistische Regierung eine Peinlichkeit und letztlich der Grund ihres Untergangs, ansonsten aber hatte die französische Wirtschaftspolitik der letzten Jahre spektakuläre Erfolge aufzuweisen.

Bis vor kurzem konnte dieses Land als eines der ganz wenigen die sogenannten Konvergenzkriterien der EG - für wie sinnvoll man diese auch immer halten mag - erfüllen. (Dabei handelte es sich um Grenzwerte für bestimmte Kennziffern wie etwa Inflationsraten, Zinssätze, Budgetdefizit und Staatsverschuldung, die als Voraussetzung für das Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion gemäß dem Maastrichter Vertrag nicht überschritten werden dürfen.)

In einer wohl als Abschiedsvorstellung zu interpretierenden Pressekonferenz hat der scheidende Sozialistische Premier Pierre Beregovoy Mitte März Bilanz gezogen. Der Regierungschef für elf Monate, der zuvor jedoch schon als Finanzminister die Wirtschaftspolitik geleitet hatte, sieht als größten Erfolg seiner Tätigkeit die Zähmung der zuvor in diesem Land notorisch hohen Inflation. Zuletzt erreichte der Preis-auftreib rund zwei Prozent, ein im internationalen Vergleich selbst bei Berücksichtigung der allgemein schwachen Kon-j unktur beachtlicher Wert.

Nicht ohne Stolz unterstrich Beregovoy, daß in der nun zu Ende gegangenen Legislaturperiode erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs der Wechselkurs des Franc nicht nur gehalten, sondern gegenüber den meisten europäischen Währungen sogar gestärkt werden konnte. Der Teufelskreis von Abwertung und Inflation, der das Land jahrzehntelang ausgezehrt hatte, sei damit endgültig durchbrochen worden; wenn auch die Devisenmärkte, wie wiederholte spekulative Attacken zeigen, dies noch nicht voll wahrhaben wollen.

Seit 1984 - mit einer zweijährigen Unterbrechung zur Zeit der Regierung Jacques Chirac an den wesentlichen Hebeln des Wirtschafts- und Finanzressorts - hat es Beregovoy verstanden, eine Politik des „Franc fort" und einer „Wettbewerbsfähigkeit durch Inflationssenkung" zu zimmern und auch durchzusetzen, die ihm internationale Anerkennung brachte.

Die Leitlinien der Politik heißen Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsexpansion durch die Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der französischen Anbieter, strukturelle Verbesserungen und niedrige Inflationsraten bei Stabilität des Franc im europäischen Währungssystem (EWS).

Ein schönes Programm, zweifellos, das wohl niemand für sein Land ablehnen würde. Den Franzosen war es aber in den letzten Jahren gelungen, dieses Programm auch weitgehend umzusetzen. Heute können sie in Folge einer umfangreichen Reformtätigkeit auf hervorragende ökonomische Fundamentaldaten verweisen: Die Inflationsrate ist niedriger als in Deutschland, desgleichen das Budgetdefizit, der Franc ist hart und die Leistungsbilanz ausgeglichen.

Von den erwähnten Konvergenzkriterien lief 1992 lediglich das Budgetdefizit aus dem Ruder und überschritt das Limit von drei Prozent in

Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP).

So gut ist die Position des Franc, das manche bereits davon träumten, ihn als gleichberechtigt'neben die unbestrittene (wenn derzeit auch mit Problemen kämpfende) Ankerwährung des EWS, nämlich die DM, treten zu lassen. Sicherlich eine vorläufig überzogene Hoffnung - die Tatsache jedoch, daß die Deutsche Bundesbank in den letzten Monaten zugunsten des Franc und gegen spekulative Attacken intervenierte, zeigen doch den Respekt vor der gallischen Währung und die Akzeptanz derselben als Verbreiterung einer stabilen Basis des EWS.

Versagt hat die Regierung Beregovoy aber bei der Schaffung von Arbeitsplätzen: mehr als drei Millionen Arbeitslose werden gezählt; die Arbeitslosenquote liegt bei elf Prozent.

Arbeitslosigkeit hat in der Gedankenwelt der EG-Konvergenzkriterien keinen Stellenwert. Die Wähler sehen das aber anders. Die Erfüllung dieser Kriterien, von denen niemand etwas „abbeißen" kann, wird nicht honoriert, wenn dabei die Arbeitsplätze verloren gehen. Eine Erfahrung, die möglicherweise noch eine Reihe von Regierungen auch in anderen Ländern machen wird. Nicht nur in solchen, die bereits der EG angehören, sondern vielleicht auch bei manchen Beitrittskandidaten.

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