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Harter Heath?

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Sir Robert Peel, der in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts britischer Premierminister war, gilt allgemein als einer der Väter des heutigen Konservativismus in Großbritannien. Man erinnert sich seiner vor allem aus zwei Gründen: Er hat die Londoner Polizei geschaffen („Bobby“, der Spitzname des Londoner Polizisten, geht auf Peels Vornamen, Robert, zurück); und er hat die Getreidezollgesetze aufgehoben, wodurch England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts billiges Brot hatte.

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Sir Robert Peel, der in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts britischer Premierminister war, gilt allgemein als einer der Väter des heutigen Konservativismus in Großbritannien. Man erinnert sich seiner vor allem aus zwei Gründen: Er hat die Londoner Polizei geschaffen („Bobby“, der Spitzname des Londoner Polizisten, geht auf Peels Vornamen, Robert, zurück); und er hat die Getreidezollgesetze aufgehoben, wodurch England in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts billiges Brot hatte.

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Die Aufhebung der Getreidezollgesetze war für Großbritannien sehr segensreich; aber die konservative Partei wurde dadurch so stark gespalten, daß sie fast dreißig Jahre lang kaum wieder an die Regierung kommen konnte. Könnte heute Edward Heaths Vers-ch, Großbritannien in die EWG zu bringen, ähnliche Folgen für seine Partei haben?

Die Konservativen haben heute im Unterhaus eine Mehrheit von etwa dreißig Sitzen. Doch, wie man annimmt, sind dreißig bis vierzig konservative Abgeordnete entschieden gegen einen EWG-Beitritt Großbritanniens unter fast allen Bedingungen. Ganz gleich, ob die Abstimmung im Parlament im Juli oder im Oktober stattfindet: ein Teil der konservativen Fraktion wird die EWG-Politik der Regierung nicht unterstützen.

Auch gespaltene Labour Party

Eine gewisse Beruhigung für Heath ist allerdings die Situation bei seinen politischen Gegnern. Die sechs Liberalen sind höchstwahrscheinlich für den EWG-Beitritt. Die Labour-Fraktion ist in diesem Punkt gespalten. Hundert der rund

290 Mitglieder haben kürzlich eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich für den EWG-Beitritt einsetzen, und 130 lehnen einen solchen Schritt mit aller Entschiedenheit ab. Die Haltung der restlichen 60, zu denen auch Parteiführer Harold Wilson gehört, ist noch ungeklärt.

Fest steht, daß die Mehrheit des „Schattenkabinetts“ der Labour- Partei den Beitritt befürwortet, wenn sich vernünftige Aufnahmebedingungen erlangen lassen. An der Spitze dieser Gruppe stehen der stellvertretende Parteiführer Roy Jenkins und Denis Healy, der Schattenaußenminister.

An und für sich sollte es dem Premierminister also nicht schwerfallen, im Unterhaus eine Mehrheit in der EWG-Frage zu erhalten. Aber es gibt zwei komplizierende Faktoren:

• Es ist eine Tatsache, daß bei den Wählern (nach den Meinungsumfragen zu urteilen) mehr Widerstand geigen einen EWG-Beitritt besteht als bei den Abgeordneten. Zum Teil erklärt sich dies aus mangelhafter Information. Weithin ist man der Ansicht, eine Folge des EWG- Beitritts werde sein, daß die Lebens-!

mittelpreise noch mehr steigen — und sie steigen schon jetzt rapide. Sollte gegenwärtig eine Volksabstimmung stattfinden, so würde sich höchstwahrscheinlich die Mehrheit gegen Großbritanniens Beitritt zur EWG aussprechen. Aber Premierminister Heath hat die Idee einer solchen Abstimmung entschieden abgelehnt, und Harold Wilson wird schwerlich darauf drängen.

• Der zweite Faktor, der die Abstimmung im Unterhaus beeinflussen könnte, ist die Zeitfrage. Die Regierung hat alles Interesse daran, daß keine Verzögerung eintritt, und würde wahrscheinlich eine Abstimmung im Juli vor den Parlamentsferien begrüßen. Die Gegner des EWG-Beitritts möchten, daß die Abstimmung bis zum Herbst, wenn die Parteien ihre Jahrestagungen ab-

gehalten haben werden, verschoben wird. In weiten Kreisen rechnet man damit, daß sich auf diesen Konferenzen — besonders auf dem Kongreß der Labour-Partei — die Mehrheit der Delegierten gegen den Beitritt erklären wird.

Die Konservativen und ebenso die Labour-Partei möchten zweifellos einen offenen Konflikt in den eigenen Reihen vermeiden. Die Haltung in dieser Frage, die positive wie die negative, geht über alle parteipolitischen Grenzen hinweg. Zu denen, die gegen einen EWG-Beitritt Großbritanniens sind, gehören Männer wie Enoch Powell am äußersten rechten Flügel der konservativen Partei und anderseits Vertreter des äußersten linken Flügels der Labour-Partei.

Seit seinem Amtsantritt als Premierminister hat Edward Heath bewiesen, daß er sich von einem Kurs, den er für richtig hält, nicht leicht abbringen läßt, selbst wenn er sich damit der Gefahr der Unpopularität aussetzt. In seiner Unterhauserklärung brachte er von neuem die Überzeugung zum Ausdruck, daß Großbritannien der EWG beitreten kann und beitreten sollte. Heath könnte das gelingen, was Sir Robert Peel nicht fertiggebracht hat: nämlich sich mit seiner Politik durchzusetzen, ohne daß die Einheit der eigenen Partei dabei ernsten Schaden erleidet.

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