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Harter Konkurrenzkampf

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In den Vereinigten Staaten sind Frauen in wissenschaftlich-technischen Berufen unterrepräsentiert. Sie besitzen andere Ausbildungspräferenzen als Männer, haben weniger Chancen, in Managementpositionen aufzusteigen und sind auch finanziell in vergleichbaren Stellungen schlechter gestellt.

Das ist das Ergebnis eines Berichtes, der von der National Science Foundation (NSF) 1982 für den amerikanischen Kongreß erstellt wurde. Obwohl die Vereinigten Staaten heute zu den technisch und wissenschaftlich fortgeschrittensten Ländern gehören, ist die amerikanische Frau noch eine weite Strecke vom Ideal der Vollintegration in die wissenschaftlich-technischen Berufe entfernt.

An der Tatsache der Unterre-präsentiertheit kann kein Zweifel bestehen: Während Frauen 1978 rund 43 Prozent aller amerikanischen Berufstätigen stellten, waren von den berufstätigen „scien-tists" oder „engineers" nur neun Prozent Frauen. Unter diese Begriffe fallen in den USA Natur-, Umwelt- und Biowissenschaftler sowie Mathematiker, Sozialwissenschaftler, Psychologen, Computerwissenschaftler und Technologen.

Im Rahmen dieser Berufsgruppe fällt auch ein Qualifikationsunterschied auf: 23 Prozent der Männer, aber nur 15 Prozent der Frauen besitzen ein Doktorat. Allerdings wird durch die Erwerbung eines solchen die Konkurrenzposition der Frau nur im Unternehmenssektor verbessert, während sie bei einer rein wissenschaftlichen Laufbahn kaum ins Gewicht fällt.

Der Bericht zeigt, daß es auch auf wissenschaftlich-technischer Ebene noch so etwas wie (f Frauenbzw. Männerberufe" gibt.

Während bei den Männern die Ingenieurwissenschaften dominieren und die sogenannten „live sciences" (Agrarwissenschaft, Biologie und Medizin) stark zurücktreten, ergibt sich für die Frau ein umgekehrtes Bild: Die „live sciences" figurieren genau an der Spitze ihrer Präferenzskala, während die Ingenieurwissenschaften relativ geringes Interesse finden.

Auch Sozialwissenschaften und Psychologie sind bevorzugte Studienrichtungen amerikanischer Frauen. Nur sieben Prozent der weiblichen „scientists" sind Physiker, gegenüber 20 Prozent bei den Männern.

Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wird dagegen von Männern und Frauen gleichermaßen bevorzugt. Auf diesem Sektor sind auch die Chancen, in das Management aufzusteigen, für Frauen günstiger als in anderen Bereichen, namentlich wenn sie Ingenieure sind.

Im akademischen Lehrbereich der USA haben Männer größere Chancen, zu Professuren oder wenigstens Assistentenposten zu gelangen. 1979 waren nur 35 Prozent der an Universitäten tätigen weiblichen „scientists" im Besitz einer solchen Position gegenüber 63 Prozent bei den Männern.

Trotzdem ziehen viele weibliche „scientists" den Lehrberuf vor und scheuen vor dem harten KonKurrenzkampf in der Wirtschaft zurück. Allerdings bahnt sich hier neuerdings ein Wandel an: Die nachrückende Generation weiblicher Natur- und Ingenieurwissenschaftler sieht gestiegene Berufschancen im Unternehmenssektor, der in den letzten zehn Jahren seine Forschungsund Entwicklungstätigkeit viel stärker ausgeweitet hat als der Staat. Trotz der in den USA sehr fühlbaren Rezession ist heute die Wirtschaft der am raschesten wachsende Beschäftigungssektor für Doktoren der Naturwissenschaften beiderlei Geschlechts.

Ein wesentlicher Maßstab für das Vorliegen von Diskriminierungen ist zweifellos das Einkommen. Die Studie der NSF zeigt auf, daß die Durchschnittsgehälter für weibliche Naturwissenschaftler und Ingenieure um ein Viertel unter denen der Männer lagen (23.100 gegenüber 29.900 Dollar pro Jahr).

Allerdings schrumpft diese Diskrepanz auf zehn Prozent, wenn man die Unterschiede ausschaltet, die sich aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Präferenzen von Frauen und Männern sowie daraus ergeben, daß das Durchschnittsalter von Männern in naturwissenschaftlich-technischen Berufen höher liegt als bei Frauen. Immerhin verbleibt auch dann eine noch aufklärungsbedürftige Diskrepanz von zehn Prozent.

Eine Tendenz zur Angleichung war gerade auf dem Gehaltssektor nicht festzustellen. Im Gegenteil, die Gehälter stiegen in den letzten Jahren für Männer stärker als für Frauen.

Andererseits lassen sich die Amerikanerinnen durch solche tatsächlichen oder scheinbaren Chancenungleichheiten nicht davon abbringen, zunehmend naturwissenschaftlich-technische Fächer zu belegen. Zwischen 1970 und 1980 hat sich der Frauenanteil an den Graduierungen im Bereich Natur- und Ingenieurwissenschaften von 26 auf 36 Prozent erhöht. Auf längere Sicht wird sich daher das numerische Mißverhältnis nach und nach zugunsten der Frau ausgleichen.

Das wichtigste Motiv für vermehrten weiblichen Zustrom zu wissenschaftlich-technischen Berufen ist aber die Lage auf dem Arbeitsmarkt: Das abgeschlossene science-Studium verleiht Frauen auch in den rezessionsgeplagten USA einen relativ krisensicheren Arbeitsmarktwert. So lag die Arbeitslosenrate für weibliche Naturwissenschaftler und Ingenieure 1978 gegenüber einer allgemeinen Arbeitslosenrate von sieben Prozent nur bei 2,4 Prozent. Sie hatte 1976 noch 6,8 Prozent betragen.

Der vermehrte Drang nach Lebensqualität bot und bietet jedoch auch Psychologinnen, Sozial- und Biowissenschaftlerinnen verbesserte Berufschancen.

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