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Hartnäckige Slowenen
Als Hartnäckigkeit bezeichnete ein christdemokratischer Bürgermeister in Friaul-Julisch-Venetien den Entschluß der slowenischen Minderheitspartei „Slovenska Skupnost“ (SSk), an den jüngsten italienischen Wahlen innerhalb der Region, ähnlich wie die Südtiroler Volkspartei in Südtirol, mit einer eigenen Liste teilzunehmen.
Die slowenische Minderheit in Italien tritt bei allgemeinen Wahlen sonst nie mit eigener Liste auf, obwohl sie, statistisch gesehen, stark genug wäre, um einen Abgeordneten ins römische Parlament zu entsenden. Doch größtenteils wählen die Slowenen, besonders in und um Triest, die italienische KP, eine „progressive“ Entscheidung, deren Wurzeln noch bis in die Zeiten des militanten Antifaschismus und in die Partisanentradition des Befreiungskampfes zurückreichen.
Die slowenischen Wähler hingegen, die bei italienischen Regional-wäihlen die slowenische SSk wählen, geben bei allgemeinen Wahlen ihre Stimme zum größten Teil der Democrazia Cristiana. Vor der jüngsten Wahl befanden sich diese Wähler um die SSk allerdings in einer unerfreulichen Lage. Eine Reihe von minderheitsifeindlichen Maßnahmen war in der letzten Zeit verabschiedet worden. Die Mehrheitsparteien mitsamt der DC hatten den slowenischen Vertretern in den Triester Gemeinde- und Provinzgremien und im Triester Landtag den Gebrauch ihrer Muttersprache mit der Begründung verwehrt, daß darüber nur die Zentralregierung in Rom zu entscheiden habe; und bei der Gründung von neuen Schulbe-zirken hatten sie sich der Gründung eines slowenischen Schulbezirkes im Küstenlande (Julisch-Venetien) widersetzt.
Gegen einen slowenischen Schulbezirk innerhalb der Region hatten sich besonders deutlich die Triester Kommunisten ausgesprochen. Wie bekannt, gibt es in ihren Reihen trotz des dogmatisierten „Internationalismus“ auch starke nationale Strömungen. Und nicht zuletzt hatte die italienische KP, um nationalorientierte bürgerliche Kreise zu gewinnen, sich auch in Triest mit
chen getarnt. Das ging allerdings nicht so weit, daß sie sich damit die Tür zu den slowenischen Wählern verrammelt hätte. Sie ließ als Kandidatin für den Senat (das politische Schwergewicht liegt in der Abgeordnetenkammer) Jelka Gerbec, eine ehemalige slowenische Gemeinderätin aus Triest, auftreten. Auf der Liste zur Abgeordnetenkammer reihte sie den slowenischen Kandidaten an die zweite Stelle und rechnete damit, daß ihm die Stimmen der SSk, die „sowieso keine eigenen Chance hat“, zum Erfolg verhelfen würden..
Ähnliche Saiten zog gegenüber den slowenischen Wählern, nur mit weniger Uberzeugung, auch die italienische Sozialistische Partei auf, während sich die DC auf die nichtkommunistischen Slowenen verließ, die ihr schon immer bei allgemeinen Wahlen ihre Stimmen gegeben hatten.
Es läßt sich also denken, welches allgemeine Unbehagen die Entscheidung der „Slovenska Skupnost“ auslöste, bei den Wahlen selbständig aufzutreten. „Eine Störliste“, „Zersplitterung der Stimmen“ und so ähnlich lauteten die Parolen, mit denen die slowenische Liste kritisiert wurde.
Der Entschluß zum eigenen Wahlauftritt hatte aber auch noch andere Gründe als die Aussicht auf einen eigenen Abgeordneten. Er gab vielmehr der slowenischen Liste erstmals die Möglichkeit, im Fernsehen, im Rundfunk und mit Plakatwerbung einerseits die slowenischen Wähler weit und breit im Lande anzusprechen, anderseits auch die italienische Öffentlichkeit auf die slowenische Gemeinschaft in der Region aufmerksam zu machen. Ein solcher moralischer Effekt ist für die Minderheit schon deshalb von größter Bedeutung, weil sie sich fast immer zurückgesetzt und vergessen fühlt.
Die Wahlergebnisse in der Region waren dann für die slowenische Liste überraschend. Während DC und KPI, wie in ganz Italien, Zu^-nahmen verzeichnen konnten, schnitt die „Slpvenska Skupnost“ mit rund 9000 Stimmen relativ gut
ab: leichtere Verluste in den Provinzen Triest und Görz, wo ein Teil ihrer Wähler das „Christentum“ und ein anderer die „Progressivität“ retten wollte, dafür aber rund 1300 neue Stimmen in den Provinzen Udine und Pordenone. Die kommunistische slowenische Kandidatin Jelka Gerbec wurde in Triest gewählt, nicht aber der KP-Kandidat für die Abgeordnetenkammer. Die DC in Görz konnte sich des Vorwurfs nicht enthalten, daß gerade die Slowenen eine Wiederwahl des christdemokratischen Görzer Senators verhindert habe. Aber die Grundsatzfrage, ob die Minderheit bei allgemeinen Wahlen mit einer eigenen Liste auftreten soll oder nicht, scheint gelöst zu sein. „Einmal muß man anfangen“, kommentierten einige junge Wähler diesen Sprung in die gesamtitalienische Politik.
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