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Hasardeure der Trabrennbahn

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Pferdewetten, noch zur Jahrhundertwende als elitäres Vergnügen finanzkräftiger Adeliger oder Großindustrieller verschrien, haben sich mittlerweile zu einer Art Volkssport breitester Gesellschaftskreise entwickelt. Heute findet man auf den drei österreichischen Rennplätzen der Krieau, Freudenau und Baden kaum noch ehemalige Grafen oder Barone, dafür umso mehr Pensionisten, die um zehn Schilling „ihren Glücksschein“ erstehen.

Pferdewetten — und die dazugehörigen Buchmachereien — unter

liegen dabei schon lange der staatlichen Kontrolle. Überdies, so schreibt ein Gesetz aus dem Jahr 1925 vor, kann in den sechs konzessionierten Buchmachereien der österreichischen Bundeshauptstadt nur auf Pferde gewettet werden, in Niederösterreich dagegen können wettfreudige Glücksspieler auch über Fußballspiele, Hunderennen und anderes mehr Wettvereinbarungen treffen.

Buchmacher müssen ihre Unbescholtenheit und ein gewisses finanzielles Rückgrat nachweisen, um gewonnene Wetten auch ausbezahlen zu können. Zum Schutz des Wettannehmers ist dabei ein gesetzlich bestimmtes Auszahlungslimit verfügt.

Für den richtig getippten Sieger eines Rennens können für zehn Schilling Einsatz maximal 260 Schilling als Preisgeld erwartet werden, für eine richtig getippte Plazierung maximal 60 Schilling, für den richtigen Einlauf in der Zielgeraden winken insgesamt 410 Schilling.

Am schwersten errät man eine sogenannte Dreierwette, für die man aber auf der Bahn, wo es kein

Auszahlungslimit gibt, nicht selten bis zu 50.000 Schilling bei zehn Schilling Einsatz gewinnen kann. Beim Buchmacher aber muß man sich mit maximal 5.000 Schilling begnügen.

In der Krieau, dem Trabrennparadies Österreichs, zählt man täglich zwischen 2.000 und 4.000 Besucher. 1986 machte man auf dieser Bahn an 148 Renntagen mit 1.537 Rennen einen Umsatz von rund 315 Millionen Schilling.

Von den Wetteinnahmen werden 77 Prozent als Gewinn ausgeschüttet, neun Prozent gehen an den Staat, und der Rest bleibt beim Veranstalter. Somit zahlt es sich steuerlich bei weitem mehr aus, auf Pferde zu setzen, als einen Lottoschein zu kaufen.

Als Glücksspiel kann man die Pferdewetten insofern bezeichnen, da oft nicht der Favorit, sondern ein Außenseiter gewinnt. Trotzdem haben Pferdekenner noch immer bessere Chancen als vollkommene Branchenneulinge.

Um den echten Glücksspielern das Setzen auf die Vierbeiner schmackhafter zu machen, entwickelte man in der Bundesrepublik Deutschland ein sogenanntes Pferdelotto. Jedem Pferd wird zusätzlich zur Startnummer noch eine zweite Nummer zugelost, und daher ergibt der Einlauf rtoch eine zweite, zufällige Zahlenfolge, die man gleichzeitig mit dem normalen Tip auf den Sieger abgeben kann.

Nach mehreren Wett-Modifika-tionen allerdings stagnierte der Umsatz, und die anfängliche Spieleuphorie ist stark abgeflaut.

In Österreich gab es vor Jahrzehnten eine ähnliche Glücksspielvariante, die sich aber ebenfalls mangels Gewinnträchtigkeit nicht durchsetzen konnte.

In den Buchmacherbüros werden für inländische Rennen eigene Quoten erstellt, die ausländischen werden von Melanie Binder, die als einzige eine Konzession für Lautsprecherübertragungen besitzt, direkt aus dem Ausland vermittelt. Die Auszahlungslimits gelten sowohl für Rennen in Frankreich und Deutschland, nur die Quoten werden von der dortigen Bahn übernommen.

Gespielt wird in erster Linie von Pensionisten um zehn Schilling, und die Räume dienen dabei mehr als Kommunikationszentrum und nicht als mondäner Exklusivtreff. Da wird auch Domino und Karten gespielt, und vielfach herrscht eine „Nur-nichts-riskieren-Men-talität“ vor.

Anders in den südlichen Nachbarländern: Dort wird hasardiert und oft aus Spaß ein enormer Betrag auf einen Außenseiter gesetzt. Nur wenige zahlungskräftige Sponsoren können sich in Österreich Rennpferde leisten, und die Preisgelder, die man bei heimischen Rennen erlaufen karm^pdimVergleich zu Frank-reich*blöB*Tä“s'chehgerd.

Um mehr Zuschauer zu ködern, kann man nun auf der Galopprennbahn in der Freudenau an den rund 30 Renntagen im Jahr eine Eintrittskarte um 50 Schilling erwerben, die einen 20-Schilling-Jeton beinhaltet, der auch in einem der Casinos verspielt werden kann. Überdies kommen viele Stammgäste nur auf den Rennplatz, um alte Bekannte zu treffen und zu plaudern. Trotzdem soll es auch vorkommen, daß so mancher Kopf und Kragen riskiert und dabei ein Vermögen verspielt.

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