6942891-1983_34_06.jpg
Digital In Arbeit

Hassan liebt den Luxus

Werbung
Werbung
Werbung

In den Sanddünen der Ferienstadt Agadir läßt sich König Hassan II. von Marokko einen neuen Palast bauen. Das wäre weniger verwunderlich, wenn der Monarch nicht schon einen Palast in Agadir besäße.

Angeblich ist der alte Palast für die königliche Großfamilie und für Staatsempfänge zu klein. Die neue Palastanlage wird der Vorliebe arabischer Potentaten für künstliche Wasserspiele Rechnung tragen; sie wird die Luxushotels von Agadir, die größtenteils Verwandten des Königs gehören, in den Schatten stellen und einen denkwürdigen Kontrast zu den Armenvierteln der Stadt, zu den Schilf- und Lehmhütten der Fischer und Bauern, bilden.

Die Sorge von Experten, der neue Palast werde die Wasserversorgung Agadirs gefährden, wird den prunk- und repräsentationsfreudigen Herrscher Marokkos kaum berühren. Künftig braucht er die zehn Finger seiner Hände, um die königlichen Paläste in seinem Reich aufzuzählen. Der übrige Kronbesitz ist unermeßlich, er umfaßt unter anderem einen Großteil der fruchtbarsten Landstriche zwischen Rif und Hohem Atlas.

Die Frage ist, ob sich der königliche Aufwand in unserer Zeit noch verantworten läßt. Ist der neue Palast von Agadir in einem Entwicklungsland wie Marokko, dazu in einer Region, die seit Jahren unter einer fatalen Dürre und unter einem kostspieligen Wüstenkrieg leidet, nicht völlig fehl am Platz?

Mit derartigen Fragen bringt man Marokkaner in arge Verlegenheit. Denn es gilt als oberstes Gebot im Scherifenreich, daß der König nicht kritisiert werden darf. Was er sagt und tut, duldet keinen Widerspruch, es muß auch von den politischen Parteien hingenommen werden. Schon ein harmloser Witz oder das unabsichtliche Zerreißen einer Briefmarke mit dem Porträt des Königs gilt als Majestätsbeleidigung; in solchen Fällen bleiben auch ausländische Touristen von der Strafverfolgung nicht verschont.

Der Geheimdienst wacht darüber, daß in allen Werkstätten, Büros und Läden Marokkos das Bildnis des Monarchen aushängt. Man wird es in jeder Wohnung finden — Hassan Deux in weißer Dschellabah, in Offiziersuniform, in elegantem Zweireiher, in schik-kem Polohemd, mit modischer Sonnenbrille. Wie Orwells „großer Bruder" ist der von Statur eher kleine König überall präsent.

Allerdings braucht man nur nach Algerien und Tunesien zu schauen, um auch dort auf den Gegensatz von Personenkult und Untertanenfurcht zu stoßen. Ebenso wie König Hassan sparen die Präsidenten Chadli und B6ur-guiba nicht mit Schmeicheleien, wenn sie sich an das „liebe Volk" wenden. Gleichzeitig huldigen sie einem Lebensstil, der sie dem Volk entfremdet.

In Tunesien läßt Präsident Bo-urguiba ein halbes Dutzend Paläste von Sicherheitskräften scharf bewachen, auch wenn er sie gar nicht bewohnt. Präsident Chadli, dem im Gegensatz zu seinem Vorgänger Boumedienne der Ruf eines Lebemannes anhängt, läßt sich von ausländischen Baufirmen bei Oran einen Palastkomplex aus kostbarstem Material errichten.

Die Staatsführer der Maghreb-länder sind nicht abwählbar, schon aus diesem Grunde können sie sich den Luxus leisten. Angesichts der hohen Auslandsverschuldung und der elenden Situation des Volkes fragt man sich aber, wie lange das noch gutgeht.

Zwar ist der soziale Neid in einem Feudalland wie Marokko, wo man immer entweder zu den Steinreichen oder Bettelarmen gehörte, weniger ausgeprägt als in den Industrieländern. In den Augen vieler Marokkaner ist der König ein höheres Wesen, dessen Machtvollkommenheit jedes Privileg rechtfertigt. Sie sehen in ihrem König nicht nur das weltliche Oberhaupt, sondern auch den ersten Imam, den höchsten geistlichen Würdenträger seines Landes.

Hassans Titel lauten: Monarch göttlichen Rechts, geistlicher und weltlicher Herr, Nachfahre des Propheten, höchster Richter, Imam der Imame, Befehlshaber der Gläubigen. Unter den religionsgebundenen Pachtbauern, Tagelöhnern und Beduinen dürfte Hassan seine treuesten Anhänger haben.

Während die Landbevölkerung dazu neigt, soziale Unterschiede als gottgewollt hinzunehmen, wächst unter dem Proletariat in den Großstadt-Slums die Unzufriedenheit. Die Jugend rückt von dem Glauben der Väter ab, vielen jungen Marokkanern bedeuten die Propheten des arabischen Sozialismus mehr als Mohammed.

Marokko, das sich nicht gern nachsagen läßt, weniger fortschrittlich zu sein als seine magh-rebinischen Nachbarn, hat seit der Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Schulerziehung einiges geleistet. Zwei Drittel der jungen Marokkaner haben Grundschulbildung. Der Besuch der Lyzeen und Universitäten ist kostenlos.

Aber wie überall im Maghreb fehlt es an berufsbildenden Schulen. Statt Handwerker und Spezialarbeiter produzieren die Maghrebländer ein immer größer werdendes Heer von stellungslosen, frustrierten Akademikern.

Gleichzeitig erlebt Nordafrika eine Bevölkerungsexplosion. Der Reichtum des Landes sei seine Jugend, pflegen Politiker zu sagen.. Wer sich aber unter den Scharen unbeschäftigter Jugendlicher in Stadt und Land umhört, wird die Gefahr nicht verkennen, die dem Staat aus den Reihen seiner jungen Bürger erwächst.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung