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Hat das Geld etwas mit Ethik zu tun?

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In der öffentlichen Meinung und auch in den von den christlichen Kirchen vertretenen Lehren wird der Zusammenhang von Geld und Ethik oder Moral meist so gesehen, daß Geld etwas Unmoralisches sei, das Streben nach Geld sei anrüchig. Wie kann man da von Währungsethik sprechen?

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In der öffentlichen Meinung und auch in den von den christlichen Kirchen vertretenen Lehren wird der Zusammenhang von Geld und Ethik oder Moral meist so gesehen, daß Geld etwas Unmoralisches sei, das Streben nach Geld sei anrüchig. Wie kann man da von Währungsethik sprechen?

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Mit diesen Fragen hat sich der Jubilar Wolfgang Schmitz in den letzten zehn Jahren wissenschaftlich auseinandergesetzt und dabei die Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Finanzminister und vor allem Nationalbankpräsident einfließen lassen können. Die Wissenschaft von der Wirtschaftsethik ist durch seine Beiträge zur Währungsethik bereichert worden, er hat damit ein Gebiet bearbeitet, das heute immer mehr an Gewicht gewinnt.

Es geht bei der Währungsethik allerdings nicht um die Frage, wie der einzelne Mensch mit dem Geld umgehen soll, wie er es am besten verwendet, konsumiert oder spart. Das ist das Gebiet der Individualethikoder Moral, zum Beispiel der Konsumethik, der Sparethik. Bei der Währungsethik geht es um die Frage, wie sich die Währungspolitik verhalten soll. Sie ist also als Moral der Währungsordnung und - in zweiter Linie - auch der Währungspolitik zu verstehen. Die Währungsethik befaßt sich daher mit der Schaffung der Währung durch die Währungsordnung: Wer soll Geld schaffen dürfen, wieviel darf er schaffen, welche Ziele sollen bei der Währungspolitik eingehalten werden?

Frage der Verträglichkeit

Die Währungsethik richtet sich sowohl an die Gesetzgeber, die die Rahmenbedingungen für die Währungsordnung schaffen (etwa in Form der Notenbankgesetze oder der Statuten des Internationalen Währungsfonds) als auch an den Währungspolitiker und alle jene, die die Währungsordnung und Währungspolitik beeinflussen, zum Beispiel die Finanzministerien und die Sozialpartner. Es sind also auch alle jene Stellen, in denen Wolfgang Schmitz früher tätig war.

Schmitz hat in seinen Schriften zur Wirtschaftsethik immer wieder daraufhingewiesen, daß eine Befassung mit Wirtschaftsethik die Kenntnisse der volkswirtschaftlichen Zusammen-

hänge voraussetzt, weil sonst zu leicht Fehlurteile entstehen können, wenn man aus individualethisch richtig erscheinenden Grundsätzen gesamtwirtschaftliche Probleme zu lösen versucht. Es bedarf auch einer genauen Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Instrumenten, die die Wirtschafts- und Währungspolitik einsetzt und den Zielen, die sie zu erreichen versucht, sowie den Verträglichkeiten der einzelnen Zielsetzungen untereinander. Sie kann also nicht von einem Ethiker, der die grundlegenden Zusammenhänge der Volkswirtschaft nicht kennt, betrieben werden.

Soll man Stabilität opfern?

Beispiele für die Fehlurteile, die aus Unkenntnis der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge entstehen können, gibt es zur Genüge: So wurde etwa die Inflation, die zu Beginn der Neuzeit entstand, auf das Sinken der Moral und zunehmende Habsucht zurückgeführt und an die Moral der Kaufleute appelliert, ohne zu erkennen, daß die Entdeckung der Gold-und Silbervorräte in Amerika in Europa eine Ausweitung der Geldmenge bewirkt hatte, die die Preise hinauftrieb. Ähnliches wird jetzt wieder in Rußland wirksam: die Preissteigerungen werden auf die Spekulanten geschoben und die Marktwirtschaft diskreditiert, in der diese Preissteigerungen möglich wurden, statt die verfehlte Politik der Russischen Notenbank dafür verantwortlich zu machen - im zweiten Beispiel ein deutlicher Fall für die Währungsethik, die in der russischen Notenbank fehlt.

Die Wirtschaftsethik erhebt den Anspruch, etwas über die Wahl der Zielsetzungen der Währungspolitik aussagen zu können. Sie versucht also Aussagen über eine der meist diskutierten Fragen der letzten Jahrzehnte zu finden: soll man die Geldwertstabilität dem Streben nach Vollbeschäftigung opfern oder nicht?

Um diese Frage zu beantworten, müssen die Folgen einer Inflation und einer Arbeitslosigkeit abgewogen werden, wobei es für die Ethik vor allem auch auf die langfristigen Folgen ankommt. Bei dieser Abwägung kann sich herausstellen, daß das - wie immer definierte - Gemein wohl durch eine Inflation, die die für eine Gemeinschaft wichtigen Funktionen des Geldes zerstört, mehr beeinträchtigt wird als durch eine vorübergehende

Arbeitslosigkeit, die noch dazu durch Arbeitslosengelder in ihrer Auswirkung gemildert werden kann.

Diese Bedeutung der Währungspolitik und -Ordnung für eine Gesellschaft kommt schon in dem Lenin zugeschriebenen Wort zum Ausdruck: Wer eine Gesellschaft zerstören will, muß zuerst ihr Geldwesen in Unordnung bringen. So hat auch W. Eucken, der Schöpfer des Systems

der Sozialen Marktwirtschaft, in seinen konstituierenden Prinzipien das (ethische) Postulat verankert: Stabilität des Geldwertes.

Die offene Währungsflanke

Wolfgang Schmitz hat aus diesem ethischen Postulat des Vorrangs der Geldwertstabilität heraus auch die Forderung aufgestellt, die Grundsätze einer gesunden Währungspolitik (Primat der Geldwertstabilität, Verbot der Staatsfinanzierung der Notenbank, Unabhängigkeit der Notenbank) in der Verfassung zu verankern, um damit - wie der Titel seines Aufsatzes es ausdrückt, einen „Beitrag zur Festigung der freiheitlichen Demokratie" zu leisten.

Leider ist diese offene Flanke der Währung noch immer offen geblie-

ben, die österreichische Währungsordnung kann durch ein einfaches Gesetz grundlegend geändert werden, während andere weit weniger wichtige Detailbestimmungen anderer Gesetze in den Verfassungsrang gehoben worden sind.

Auf zwei anderen Gebieten der Währungsethik hat Schmitz neue Beiträge geleistet: Bei der Begründung für die Konvertierbarkeit von

Währungen und der Solidarität von Währungsbehörden, insbesondere des Internationalen Währungsfonds.

Die Schaffung der Konvertierbarkeit, das heißt unbeschränkte Austauschbarkeit von Währungen ohne Devisenkontrollen, läßt sich nach Schmitz ethisch rechtfertigen, weil damit die Sozialfunktion des Marktes und die grundlegenden Freiheitsräume des Menschen (zu konsumieren, zu sparen, zu reisen und so weiter) gesichert werden. Zu dieser Freiheit von Devisenkontrollen gehört auch die Freiheit des internationalen Kapitalverkehrs, die früher durch eine enge Auslegung des Konvertibilitätsbegrif-fes durch den Internationalen Währungsfonds behindert wurde. Wolfgang Schmitz hat schon sehr früh die Forderung nach Freiheit für den inter-

nationalen Verkehr von privatem Investitionskapital aufgestellt und auf die effizienzsteigernde Wirkung dieser Investitionen inbesondere in den Entwicklungsländern hingewiesen.

Um die Frage der Solidarität von nationalen und internationalen Währungsbehörden drehen sich Beiträge von Wolfgang Schmitz über die sogenannte Konditionalität der Kredite des Währungsfonds. Der Währungsfonds gewährt die Kredite nur unter Bedingungen, wie zum Beispiel der Sanierung des Budgets oder der Zahlungsbilanz. Diese Konditionalität ist in der Vergangenheit von vielen Kritikern mit sozialethischen Begründungen abgelehnt worden. Schmitz, der in seiner Tätigkeit als Nationalbankpräsident auch Funktionen im Internationalen Währungsfonds ausübte, rechtfertigt diese Konditionen mit dem Hinweis auf die Funktionsfähigkeit des internationalen Währungssystems und auch der Wiederherstellung der Kreditfähigkeit des betroffenen Landes, somit langfristigen Vorteilen für das Gemeinwohl.

„ ... ein unbekanntes Terrain"

Vor mehreren Jahren beendete Wolfgang Schmitz einen Beitrag zur Währungsethik mit folgenden Worten: „Der Bedarf an Währungsethik ist eindeutig gegeben. Noch muß sich die Währungsethik... auf einem weitgehend unbekannten Terrain bewegen, in welchem ihr die Bewährungsprobe noch bevorsteht."

Diese Bewährungsprobe ist nun eingetreten. Wenn man sich heute im Zusammenhang mit der Schaffung der Europäischen Währungsunion wieder mit den grundsätzlichen Fragen der Gestaltung einer Währungsordnung auseinandersetzt, dann ist für diese Fragen die ethische Basis entscheidend.

Welche Grundsätze sollen in die europäische Währungsordnung eingehen? Wie soll diese Währungsordnung ausgestaltet werden, damit sie mit möglichst wenig ethischen Forderungen an die Handelnden funktioniert, das heißt den Handelnden möglichst wenig Spielraum für Freiräume gibt? Für die Beantwortung dieser heute so aktuellen Fragen lassen sich in den Beiträgen von Wolfgang Schmitz zur Währungsethik viele Antworten finden.

Der Autor ist Professor für Politische Ökonomie an der Universität Innsbruck, Institut für Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik.

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