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Hat das Hörspiel noch eine Zukunft?

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Provokantes über das Hörspiel von Günther Herburger, dem Uwe Friesel antwortete, war jüngst erst in der „Zeit" zu lesen. Herburger zog gegen die Hörspielästheten zu Felde, die im elitären Raum siedeln und mit Bluff und wenig Anstrengung fette Honorare kassieren. Was da in polemischem Uberschwang zur Sprache kam, wurde von der Gegenseite als gefährlich entlarvt. Herburgers Behauptungen könne man in fast allen Punkten widerlegen, aber die Programmdirektoren würden sie doch immer wieder zitieren, um damit der literarischen Form des Hörspiels das Wasser abzugraben.

Von Krise könne beim Hörspiel nicht die Rede sein, äußerte sich während des 2. Treffens des Internationalen Hörspielzentrums in Unterrabnitz eine Stimme aus Hamburg, man müsse sich freilich jedesmal neu auf das jeweilige literarische Produkt einstellen: einstens auf Hörspiele von Günther Eich, heute auf hörbar gemachte, graphisch notierte Partituren von Anestis Logo-thetis. Auch in Österreich habe das Hörspiel in den konsolidierten Programmstrukturen des ORF nach wie vor seinen festen Platz und demgemäß, vielleicht eines Tages bei schärferer Auslese, auch in der Zukunft eine Chance, bekräftigte der hier Verantwortliche.

Der Geldmangel allein zehrt das Hörspiel nicht aus, solange man der Nachfrage gewiß sein kann. Wie aber aktiviert man das Publikum, wie kommt der Autor zu Resonanz, wo man hierzulande keine relevante Hörspielkritik kennt? Lohnt es sich, am Schluß der jeweiligen Sendung die Anschrift des Autors bekanntzugeben oder Telephonanschlüsse im Funkhaus zwecks Diskussion bereitzustellen? Teilerfolge ließen sich da alemal erzielen, auch dort, wo man mit Hörspielbändern das angestammte Medium verließ und gesonderte Vorführungen veranstaltete. Aber den Rundfunk möchte man auf keinen Fall missen, und schon gar nicht auf Grund von Kassettenproduktionen den Kontakt zu ihm verlieren. Man hat sich damit abgefunden, daß man die Hörerschaft nicht festnageln kann, daß sie sich eher zufällig in die Sendung einschaltet und selbst befreundete Personen nur unter beträchtlichen Anstrengungen des telephonierenden oder Einladungen versendenden Autors pünktlich vor den Lautsprecher zu bekommen sind.

Hörspielautoren haben in der Regel gelernt, zu resignieren. Sie sind im allgemeinen geduldig und genügsam, verzichten auf den lautstarken Erfolg und bauen auf den Kontakt zu ihren jeweiligen Hörspielreferenten. Die Abgrenzung gegen das Fernsehspiel, gegen die dramatisierte Erzählung oder das Feature wären vielleicht schärfer, wenn — ich säge jetzt mit Herburger an dem Ast, auf dem wir sitzen — das Hörspielhonorar noch schlechter und die Wiederholung der Sendung binnen Wochenfrist nicht institutionalisiert wäre. Da nun aber einmal das Geld ein wesentlicher Antrieb der Schrift-stellerei ist, schreibt man, solange die Honorare erträglich sind, oben auch Hörspiele, ohne sich über die Besonderheiten dieser literarischen Form weiter den Kopf zu zerbrechen. Die Dramaturgen legen ohedies dafür die Richtlinien fest und bestimmen, ob die Richtung May-:röcker-Jandl gefragt ist oder dem poetisch verklärten Hörspiel älteren Zuschnitts der Vorzug gegeben wird. Politische Relevanz wird dabei allseits tunlichst vermieden.

Den Stolz des Hörspielautors verletzt man jedoch dann, wenn man sein Manuskript an die Unterhal-tungsabtealung weiterleitet. Dann leidet nämlich sein Ruf und er muß sich mit einem (noch) schlechteren Honorar begnügen. Er malt daher den Teufel der „Autofahrer"-Welle an die Wand, also des Rundfunks, der auf seinen Bildungsauftrag pfeift und ausschließlich von den Interessen der politischen Parteien, die in erster Linie unter Autofahrern ihre Wählerschaft suchen, gesteuert wird. Daß die Hörspielautoren gerade auf dem Weg über die Unterhaltung ihr Publikum erreichen würden, ist ihnen schwer beizubringen. Denn das würde bedeuten, nicht länger poetische Stimmen durch den Äther schaukeln zu lassen oder elitäre Medienkritik zu treiben, sondern konkret Informationen und Einsichten, noch dazu auf unterhaltsame und entspannende Weise, vermitteln zu müssen.

Ein gewichtiges Argument gegen die Arbeit für Unterhaltungsproduzenten liefern diese selber dadurch, daß sie von den Autoren neuerdings Kurzhörspiele fordern. Schreibt ein handfestes Kriminalstück von maximal 15 Minuten Dauer! Schürzt einen Handlungsknoten in sieben Minuten und löst den Fall auf spannende Weise in den restlichen sieben Minuten! Eine Minute bleibt für An-und Absage. Daß auch ein aufwendiges Preisausschreiben der ARD-Anstalten keine aufregenden Ergebnisse gebracht hat, ist nicht weiter verwunderlich. Womit den Funkhäusern nicht konzediert werden soll, daß ausschließlich die Programmdirektoren über Hörspiellängen zju befinden haben. Flexibilität in diesem Punkt ist nach wie vor eine Hauptforderung der Schriftsteller. — Der Ausbruch aus den gesicherten Hörspielreservaten und der Einsatz in unterschiedlichen Gebieten, von der Information über

Schul- oder Kirchenfunk bis hin zur Unterhaltung, sollte als Gegenleistung durchaus denkbar sein.

Bleibt nun die Frage zu stellen, welche Erfahrungen diejenigen Autoren sammeln können, die den Rundfunk als Umweg zum Theater ansehen. In England steht das Hörspiel deshalb nicht allzuhoch im Kurs, weil die Schriftsteller ausreichend Gelegenheit finden, unmittelbar mit Theatergruppen zu experimentieren. Bei uns bietet zwar der Rundfunk Gelegenheiten zu Kontakten mit Schauspielern, auch etablierten Kammerschauspielern, die mit der Versicherung (und beträchtlichem Honorar) ins Studio gebeten werden, daß die Aufnahme in der denkbar kürzesten Zeit abgewickelt werde, aber die Verbindungen unseres Hörspiels zum Theater sind im Grunde nicht existent. Die Arbeit mit den Schauspielern ist hierzulande in der Regel Sache des Regisseurs unter Ausschluß des Autors, und die Theater ihrerseits sind kaum an der Hörspieltätigkeit ihrer Schauspieler — die gleichfalls nur unter Honorargesichtspunkten taxiert wird — interessiert.

Der Weiterentwicklung des Hörspiels durch immer raffiniertere Aufnahme- und Sendetechniken sind deutlich Grenzen gesetzt. Als elitäres Kunstmittel versagt es in zunehmendem Maß, aber einer Demokratisierung zumindest dieser Kunstform widersetzen sich die Produzenten, die den Rundfunk als Medium der Literatur bewahrt wissen wollen und sich dem ihm gemäßen Auftrag zu Information und Unterhaltung entziehen.

Pointen

Die Sehnsucht ist es, die unsere Seele nährt, und nicht die Erfüllung; und der Sinn unseres Lebens ist der Weg und nicht das Ziel.

Arthur Schnitzler

Aber seit langem schon sind die Ärzte und Physiologen ja übereingekommen, daß Alter etwas völlig Relatives und Persönliches, von der Jahreszahl gänzlich Unabhängiges ist, und daß Leute von 50, 60 oder 70 Jahren gänzlich verschiedenen Alters sein können.

Thomas Mann

Man müßte nur eines wollen, es unausgesetzt wollen. Man ist dann sicher, es zu erhalten. Aber ich will eben alles; so erhalte ich nichts. Ich entdecke immer zu spät, daß das eine mir zugefallen war, während ich dem anderen nachlief.

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