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Hat sich das Priesterbild der Kirche gewandelt?

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Die Umwälzungen, die besonders seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirche vor sich gegangen sind und weiterhin vor sich gehen, haben aüch das Bild v,öm katholischen Priester nicht unberührt gelassen. Im Zuge dieser Umwälzungen kam es zu einer Spätrezeption des positivistischen Wissenschaftsverständnisses durch die Theologie. Eine besondere Rolle spielt dabei die keineswegs unproblematische Wissenschaftstheorie der Gegenwart. Als Folge dieser und anderer Einflüsse werden heute von nominell katholischen Theologen nahezu alle fundamentalen Glaubenswahrheiten infragegestellt, uminterpretiert oder gar offen geleugnet. Wenn es aber wahr wäre, daß Christus nicht Gottmensch ist und die Kirche daher nicht eine göttliche Stiftung, sondern ein aus welchem Glauben immer hervorgegangenes Menschenwerk, dann liegt es auf der Hand, daß dies auch für das Bild vom katholischen Priester umstürzende Folgen haben müßte. Er könnte dann letztlich nichts anderes sein, als ein Funktionär einer menschlichen Einrichtung.

Hinter der Frage nach einem Wandel des Priesterlebens steht natürlich in Wahrheit die Frage nach dem Wesen katholischen Priestertums. Wenn dieses Wesen nichts Objektives wäre, sondern je nach den Vorstellungen, die in einem Kulturmilieu herrschen, von den Menschen selbst bestimmt würde, dann könnte sich in der Tat mit diesen Vorstellungen auch jeweils das wandeln, was man einem Priester als Funktion zudenkt. Dann würde das gewandelte Priesterbild dieser neuen Funktionsbestimmung Ausdruck geben.

Ich kann hier nicht die Frage nach möglichen neuen Akzentsetzungen in der Aufgabenstellung bei gewandelten Verhältnissen der Gesellschaft erörtern. Es geht im folgenden allein um die Frage, ob das Wesen des katholischen Priestertums einem Wandel der Auffassungen unterliegt oder sich gar in der Lehre der Kirche bereits gewandelt hat. Nichts anderes behaupten heute zahlreiche Theologen, freilich, wie Papst Paul VI. in seiner Enzyklika „Misterium fidei” es kennzeichnet: unter dem „Vorwand einer neuen Wissenschaft”.

Betrachtet man die Grundlagen solcher Theorien näher, die mit dem Anspruch aläeiniger Wissenschaftlichkeit auftreten, dann entdeckt man rasch, daß ihnen Irrtümer zugrunde liegen, die schon oft im Laufe der Menschheitsgeschichte widerlegt wurden. Zudem wurden diese Irrtümer auch von der Kirche bis in unsere Gegenwart immer verurteilt und verworfen. Sie können nicht .den Anspruch erheben, , das Ergebnis echten wissenschaftlichen Forschens zu sein. Pius XII. bemerkt in seinem Rundschreiben „Humani generis” treffend: „Was immer der ehrlich forschende Menschengeist noch an Wahrheiten zu finden vermag, kann der bereits erworbenen Wahrheit sicher nicht widersprechen.” Dieselbe Erkenntnis hat bereits Aristoteles in der Nikomachi- schen Ethik ausgesprochen. Und er fügt bei: „Zwischen Irrtum und Wahrheit dagegen gibt es alsbald Mißklang.”

Es ist nun für das Verständnis geistesgeschichtlicher Vorgänge aufschlußreich, daß etwa auch der Arianismus aus dei; Wissenschaftstheorie jener Zeit hervorgegangen ist. Diese Entwicklung hat John Henry Newman in seinem Buch über die Arianer des vierten Jahrhunderts dargelegt. Auf der Grundlage der aristotelischen Syl- logistik, die, richtig angewandt, natürlich ihren guten Sinn hat, glaubte Arius nachweisen zu können, daß der Gottessohn unmöglich wesensgleich mit dem Vater sein könne. Das Maß begrenzter menschlicher Erkenntnismittel wurde damit zum Maß der Wirklichkeit erhoben. Dasselbe geschieht auch heute wieder.

Die wahre Lehre der Kirche vom Wesen des katholischen Priestertums ist aber auch heute keine andere, als sie es immer war. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese immer gültige Lehre vor allem in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche klar bekräftigt (dort insb. Nr. 28). Bei seihen Feststellungen stützt sich das Konzil auf die betreffenden Aussagen der Heiligen Schrift und aller Dokumente des authentischen Lehramtes der Kirche, einschließlich des Konzils von Trient und der Enzyklika „Mediator Dei” von Pius XII.

In dieser Enzyklika sagt Pius XII. über das katholische Priestertum: „Dieses Priestertum… nimmt… seinem Anfang nicht von der Gemeinschaft der Gläubigen und wird nicht vom Volk beauftragt. Bevor der Priester im Namen des Volkes vor Gott erscheint, ist er schon der Gesandte des göttlichen Erlösers; und weil Jesus Christus das Haupt jenes Leibes ist, dessen Glieder die Gläubigen sind, vertritt der Priester Gottes Stelle bei dem ihm anvertrauten Volk. Die ihm übertragene Gewalt ist also ihrem Wesen nach nicht irdisch-menschlich; sie ist vielmehr wesentlich übernatürlich und geht von Gott aus” (MD 30). Daher hat auch das Zweite Vatikanische Konzil zum Dienst der Priester lapidar festgestellt: „Ihr Dienst verlangt in ganz besonderer Weise, daß sie sich in dieser Welt nicht gleichförmig machen” (Dekret „Dienst und Leben der Priester” 3).

In einer Zeit, in der allenthalben das Gegenteil als „modern” angepriesen wird, ist es besonders wichtig, sich auf die fundamentalen Wahrheiten zu besinnen. Was die Kirche über das Priestertum lehrt, ist eine durch alle Jahrhunderte unwiderlegbar bezeugte Wahrheit. Diese Wahrheit ist keine theoretische Auffassungssache, sondern Ausdruck feiner Realität, an der kein verändertes Bild etwas ändern kann. Das Abgehen von dieser Wahrheit durch eine Anpassung des Priesterbildes an heute herrschende Vorstellungen ist daher ohne Zweifel einer jener Irrwege, von denen Joseph Rat- zinger „klar gesagt” hat, „daß eine wirkliche Reform der Kirche eine eindeutige Abkehr von den Irrwegen voraussetzt, deren katastrophale Folgen mittlerweile unbestreitbar sind” (Theologisches 69, Jan. 1976, 1852). Nur eine neue und tiefere Besinnung auf das wahre Wesen katholischen Priestertums kann zu einer echten Erneuerung führen.

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