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Havel, der letzte Präsident

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Seit dem 20. Juli, 18 Uhr, hat die Tschechoslowakei kein Staatsoberhaupt mehr. Dichter-Präsident Vaclav Havel, hat - nach der Erklärung der Souveränität der Slowakischen Republik durch den Slowakischen Nationalrat -sein Amt niedergelegt.

„Die letzte Wahl des Präsidenten hat gezeigt, daß ich das Vertrauen des größeren Teiles der slowakischen politischen Repräsentation verloren habe. Diesen Verlust begreife ich nicht nur als Ablehnung meiner Person, sondern auch als eine Manifestation der Ablehnung jener Werte, die ich vertrete", sagte Havel zum Abschied im Fernsehen.

Das achte Staatsoberhaupt der seit 74 Jahren existierenden Tschecho-Slowakei, wird - wahrscheinlich für lange Zeit - das letzte sein. Seine humanistischen Ideale, mit denen er an die Weltanschauung des ersten Präsidenten und Philosophen Tomas G. Ma-saryk angeknüpft hat, wurden vom slowakischen Teil des gemeinsamen Staates nicht akzeptiert.

Vaclav Havel hat, im Einklang mit seiner Lebensphilosophie, seine persönliche Integrität über die weitere Ausübung eines Amtes gestellt. Sesselkleber ist er keiner. Denn wäre in den nächsten Wahlrunden kein Präsident gewählt worden, hätte Havel noch bis zum 5. Oktober (zufällig bis zu seinem Geburtstag) im Amt bleiben können.

In der Slowakei hat die Mehrheit der Bevölkerung diese Entwicklung ohne Jubel aufgenommen. In der Tschechischen Republik ist die ganze Vielfalt der Gefühle - von einer Nostalgie bis zu Empörung - spürbar. Einen Trost für die Böhmen und die Mähren gibt es aber: Vaclav Havel, der letzte tschecho-slo-wakische Präsident, wird - vielleicht doch -der erste Präsident der neuen Tschechischen Republik sein.

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