7172591-1982_51_13.jpg
Digital In Arbeit

Heiland der Christen Heilsland der Juden"

Werbung
Werbung
Werbung

Die zentrale Streitfrage zwischen Christen und Juden betrifft Jesus von Nazaret:

Christen behaupten, Gott wäre in ihm Mensch geworden, um die sündige Menschheit zu erlösen. • Juden behaupten, ein Mensch wurde zürn Gott erhoben, da die Heidenwelt, an Gott-Menschen gewohnt, nur so den geistigen Zugang zur Heilsbotschaft Israels erlangen konnte. -

Die grundlegende Paradoxie des Christentums ist es, daß sein Heiland als Jude zur Welt kam, sein ganzes Erdenleben lang jüdisch lebte, strebte und glaubte — und dennoch von den Juden als Messias abgelehnt wurde und wird.

Die grundlegende Paradoxie des Judentums liegt in der Tatsache, daß der prophetische Missionsauftrag, „ein Licht für die Heiden zu sein" und das Wort Gottes „bis an die vier Enden der Welt" zu tragen, weitgehend im Namen eines Juden bewerkstelligt wurde, der jedoch im Laufe seiner Wirkungsgeschichte den Graben zwischen Juden und NichtJuden erheblich vertieft hat.

Mit einer göttlichen Verheißung an den Stammvater Abraham beginnt die Geschichte Israels: „Dir und deinem Samen will Ich das Land Kanaan geben - als Erbteil für alle Zeiten." Den noch ungeborenen Kindeskindern eines rechtlosen Fremdlings aus dem Zweistromland wird Neuland zugeschworen.

So wie Gott oft im jüdischen Lehrgut „Der Kommende" heißt, soll der Glaube an Ihn und Sein Wort sich in einem durch nichts zu erschütternden Zukunftsvertrauen erweisen: Vertrauen auf die Landverheißung, die in jedem der neun Gottesbundschließungen das Kernstück darstellt.

So ist schon die Erzvätergeschichte eine Erziehung zum Ausharren in Gott, denn das Land Israel bleibt „das gelobte Land" — Jahrhunderte, ehe es zur erlebten Wirklichkeit werden kann.

Beide Bibelreligionen — Judentum und Christentum — glauben an die Offenbarung der überweltlichen Gottheit in unserem innerweltlichen Erdendasein.

Wir glauben, daß sich Gottes Heilshandeln auch durch weltliche Greifbarkeiten äußert: im Christentum durch die Fleisch-werdung des Gotteswortes, im Judentum durch die Landwer-dung der göttlichen Verheißung.

Beide beweisen die Liebe Gottes für Seine Schöpfung und Seine Hinwendung zur Menschheit, der Krone seiner Schöpfung.

Dem Heiland der Christen entspricht das Heilsland der Juden. Beide sind lebensnahe, weltbejahende Beweise der göttlichen Gnade unseres himmlischen Vaters. Zionismus ist also die Sehnsucht nach der Heimkehr ins Heilsland, die mit der Parusie-erwartung der Christen vergleichbar ist.

Beide sind der Ausdruck biblischer Hoffnungskraft. Beide bezeugen das Vertrauen auf Gottes Verheißungen. Das Endziel beider ist die Vollerlösung unserer Welt.

Der Autor ist jüdischer Bibelwissenschafter in Frankfurt/ Main.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung