6991473-1986_46_03.jpg
Digital In Arbeit

Heile (Um-)Welt im Wifo-Visier

19451960198020002020

Die FURCHE zitiert exklusiv aus einer unveröffentlichten Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts. Tenor: Österreichs Umweltschutzmaßnahmen sind nur ungenügend.

19451960198020002020

Die FURCHE zitiert exklusiv aus einer unveröffentlichten Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts. Tenor: Österreichs Umweltschutzmaßnahmen sind nur ungenügend.

Werbung
Werbung
Werbung

Ziel einer Umweltpolitik muß es sein, langfristig sicherzustellen, daß wirtschaftliche Aktivitäten nicht über Umweltbeeinträchtigungen zu Wohlstandsverlusten führen. Internationale Untersuchungen zeigen, daß unter bestimmten Umständen Umweltpolitik per Saldo positive Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hat.

Die negativen Beschäftigungseffekte der Umweltpolitik durch Auslandsverlagerung von Produktionen und durch Kostensteigerungen machen nach Untersuchungen aus der Bundesrepublik Deutschland maximal ein Viertel der positiven Effekte aus.

Der tatsächliche Effekt von Umweltaufwendungen ergibt sich jedoch erst im Vergleich zur

Alternatiwerwendung, die zum Beispiel mehr oder weniger Arbeitsplätze bringen kann. Diese Frage ist bisher empirisch ungelöst.

Solche Feinheiten mögen vielleicht in einem Wahlkampf unangebracht sein. Die großen Vereinfacher müssen sich allerdings die Frage gefallen lassen, warum angesichts immer offener zutage tretender Umweltprobleme der integrierte Umweltschutz weit hergeholter Argumentationslinien bedarf.

Ebenso unangenehm dürfte den für den Umweltschutz auf Bundesebene verantwortlichen Politikern die Frage nach den volkswirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Umweltmaßnahmen sein.

Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat eine Antwort darauf versucht. Das Ergebnis dieser Wifo-Studie fällt für die Verantwortlichen so schlecht aus, daß es nicht in die heile Welt der Partei-Belangsendungen paßt. Die Studie, die schon im Jänner 1986 fertiggestellt wurde, erblickte deshalb auch bis heute nicht das Licht der Öffentlichkeit und verschwand in der Schublade („Volkswirtschaftliche Wirkungen der Umweltmaßnahmen der Bundesregierung — unter besonderer Berücksichtigung der Investitionstätigkeit“ von Kurt Bayer, Karl-Christian Onz und Wilfried Puchwein).

Die Autoren der Studie, die die FURCHE exklusiv zusammenfaßt, im Wortlaut: „Die österreichische Umweltpolitik ist von einer Vielzahl von Widersprüchen gekennzeichnet... es scheint, daß das österreichische Vorgehen stärker von ad hoc Entscheidungen partieller Natur als von einer integrativen Umweltsanierungskonzeption ausgeht.“

Die Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts im einzelnen: • Obwohl zahlreiche umweltrelevante Gesetze und Verordnungen erlassen wurden, „weist die derzeitige institutionelle und rechtliche Lage einige gravierende Lücken auf“.

Bestimmte Teilbereiche sind noch gar nicht geregelt, wie zum Beispiel die Umweltverträglichkeitsprüfung. Integrierte, auf dem Vorsorgeprinzip beruhende Regelungen sind aufgrund der Kompetenzauf splitterung (in „Bundes-, Landes- und Gemeindeluft“ etwa) nicht möglich (Immissionsschutzgesetz), bestehende gesetzliche Regelungen werden nicht vollzogen oder sind überhaupt nicht vollziehbar. • Der Ausbau des Förderungswesens auf dem Umweltsektor (über Steuern, Wasserwirtschafts- oder Umweltfonds) wird rasche Erfolge bei der Bekämpfung von Umweltschäden erzielen, er ist aber „ökonomisch suboptimal“ (Wifo), weil langfristige Budgetbelastungen durch Zinsstützungen verursacht werden;

die Höhe der Förderungen dem Verursacherprinzip widerspricht und damit keine Preissignale (zum Beispiel durch Umweltabgaben) für eine aktive Umweltpolitik gesetzt werden (solche Signale könnten zur Finanzierung der Förderfonds verwendet werden und würden wichtige Anpassungsprozesse der Wirtschaftssubjekte anreizen);

die hohe und quasi automatische Subventionierung von Verfahrensumstellungen der Grundstoffindustrie zu einer Weiterführung oder sogar zur Ausweitung der Kapazitäten in diesem Bereich führt und damit oftmals den notwendigen Strukturwandel hin zu höher verarbeiteten Produkten be- oder verhindert.

• Die Autoren der Wifo-Studie kritisieren des weiteren die „mangelnde Koordination und Zusammenführung einer Vielzahl von Institutionen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, in Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen“ in der österreichischen Umweltforschung und Umweltpolitik.

• Österreich liegt mit seinen Umweltinvestitionen — 1,32 Prozent des Bruttoinlandsproduktes — international gesehen relativ weit zurück (siehe Kasten „Umweltschutz: Tendenz fallend“). Daraus kann geschlossen werden, daß Österreich in den nächsten Jahren relativ mehr als andere Industrienationen für den Umweltschutz aufwenden wird müssen.

Nach einer OECD-Untersuchung gehen in den westlichen Industrieländern durch Umweltschäden jährlich rund drei bis fünf Prozent an gesellschaftlicher

Wohlfahrt verloren. Das bedeutet, daß Österreich deutlich weniger für den Umweltschutz ausgibt, als die durch Produktion und Konsum verursachten Schäden ausmachen.

• Im Bereich der Luftreinhaltung ist an den drei großen österreichischen Anbietern von Rauchgas-entschwefelungsanlagen, die alle mit ausländischen Lizenzen arbeiten, zu beobachten, wie schnell Produktions-Know-how von ausländischen Firmen am Markt für Großanlagen erworben und verwertet wurde.

Dazu noch einmal die Wifo-Studie: „Neue gesetzliche Bestimmungen, für österreichische Produzenten könnten als Hebel zur verstärkten Know-how-Gewinnung, zur Erprobung und Entwicklung einer österreichischen Umweltschutzindustrie führen, wenn die notwendigen Schritte rechtzeitig gesetzt werden.“

Die für den privaten Kraftfahrzeugverkehr geplanten Lösungen sind am deutlichsten dem Verursacherprinzip verpflichtet. Durch Mängel in der Durchführung der Katalysator-Regelung (Vorziehkäufe, Marktdurchdringung erst bis zum Jahr 2000) jedoch wird die zweifellos positive Wirkung des Katalysators verzögert.

Im Luftreinhaltegesetz bestehen zwar teilweise „beispielhafte“ Regelungen, es ist aber abzuwarten, ob „adäquate Durchführungsverordnungen mit geeigneten Kompetenzen folgen werden“ (Wifo).

Es ist heute unbestritten, daß Umwelt nicht länger als „freies Gut“, das keinen Preis hat und daher unbeschränkt zur Verfügung steht, betrachtet werden darf. Diese Einsicht hat sich allerdings in einigen Parteizentralen und Vorstandsetagen noch nicht herumgesprochen.

In der Wifo-Studie zeichnen sich auch die zukünftigen Finanzierungsschwerpunkte und -er-fordernisse auf dem Umweltsektor ab: weiterer Ausbau der Fernwärmewirtschaft, die Finanzierung der Umrüstung „alter“ kalorischer Kraftwerke, die Flußreinhaltung und die Abfallentsorgung einschließlich der Behandlung des Sonderabfallproblems.

Für die Bewältigung dieser Probleme sind Investitionssummen erforderlich, deren Einsatz auf ihre Wirkungen hinsichtlich der Investitionsstruktur, der relativen Preise, der Produktionsstruktur, der Konsumstruktur, des Budgets, der Wettbewerbsfähigkeit und der Einkommensverteilung sowie hinsichtlich ihrer Effizienz noch untersucht werden müssen. Leider sind aber umweltökonomische Untersuchungen selten. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat einen ersten Versuch unternommen. Die Studie sollte nicht in der Schublade verstauben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung