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Heilen und helfen

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„Heilt die Kranken", ist ein Auftrag Jesu an seine Jün­ger. Ein Kamillianerpater verwirklicht diesen Appell seit^ahren im afrikanischen Benin durch die Betreuung von Leprakranken.

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„Heilt die Kranken", ist ein Auftrag Jesu an seine Jün­ger. Ein Kamillianerpater verwirklicht diesen Appell seit^ahren im afrikanischen Benin durch die Betreuung von Leprakranken.

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Die Republik Benin, mit 112.600 Quadratkilometer um ein Drittel größer als Österreich, Hegt in einem heute vergessenen Winkel West­afrikas. Laut UNO gehört Benin zu den 16 ärmsten Ländern der Welt. Die sich streng marxistisch-leni­nistisch gebärdende Regierung unter Staatschef Mathieu Kerekou hat das Land mit seinen vier Millio­nen Einwohnern in den Wirtschaft- liehen Ruin geführt.

Seit Februar 1989 werden im öffentlichen Dienst keine Gehälter mehr gezahlt, die Lehrer streiken und von einem geordneten Gesund­heitswesen kann schon gar keine Rede sein. Im ganzen Land mangelt es an Medikamenten und Verbands­material. Anfang Dezember 1989 gab es einen Putsch, der aber keine sozialen Veränderungen bewirkte. Die kirchlichen Strukturen sind die einzigen, die noch funktionieren - zum Segen für die unzähligen Armen und Kranken, die im Schat­ten des Elends leben und auf Hilfe hoffen.

Schon vor 15 Jahren gründete der Krankenpflegeorden der Kamillia-ner im malariaverseuchten Busch von Benin eine medizinische Hilfs­station. Daraus ist mittlerweile ein ansehnliches Tropenkrankenhaus geworden, das Höpital La Croix, das in ganz Benin ein Begriff ist.

Doch noch eindrucksvoller ist die Arbeit der Kamillianer in einem Lepradorf am Rande der alten Königsstadt Abomey. Denn hier­her kommen tatsächlich die Ärm­sten der Armen, Menschen, die an der noch immer abstoßendsten Krankheit der Welt leiden: der Lepra.

Das „Leprosorium Sankt Joseph" von Davougon ist eine kleine Welt für sich. Freilich keine heile. Ein­gebettet in Felder und Palmenplan­tagen, macht es zunächst den Ein­druck eines typisch afrikanischen Dorfes. Auf festgestampftem Lehm­boden tummeln sich Kinder, Hüh­ner gackern, Hunde bellen, Ziegen reißen das letzte Gras heraus.

Erst auf den zweiten Blick er­kennt man, was es mit diesen vier­zig Häuschen auf sich hat: Sie sind eine Zufluchtsstätte für Aussätzi­ge, aus der menschlichen Gemein­schaft Verstoßene. Bis zu 800 Le­prakranke werden hier jährlich betreut.

Lepra ist eine Krankheit, deren Erreger die Haut und das äußere Nervensystem befallen. Sie können Lähmungen an den Armen und Beinen oder an den Augenmuskeln hervorrufen. Daher sind Lepra­kranke oft blind. Oder wenn die Nervenbahnen betroffen sind, spü­ren sie eine Verletzung nicht mehr, weil die verletzte Stelle taub ge­worden ist.

Häufiger und wiederholter Kon­takt zu Leprakranken fördert die Übertragung. Begünstigt wird die Ansteckung durch Hunger, einsei­tige Ernährung (Fehlernährung) und mangelnde Hygiene. Unter diesen Bedingungen leben in Benin Hunderttausende.

Von 100 Menschen haben 95 eine ange­borene Abwehrkraft gegen den Lepra-Er­reger. Dennoch sind zur Zeit weltweit etwa zwölf Millionen Menschen vom „Aussatz" befallen. Besonders gefährdet sind Kinder. Nach Angaben der Weltge­sundheitsorganisa­tion WHO wird nur ein Drittel aller Le prakranken regel­mäßig behandelt.

Eine Absonderung jedoch ist nicht not­wendig, wenn be­stimmte hygienische Voraussetzungen ge­schaffen sind. Au­ßerdem kann die Mehrzahl der an Lepra erkrankten Menschen heute mit Erfolg behandelt werden.

Die Seele des Le­pradorfes in Abomey ist Pater Christian Steunou, ein 47jäh-riger Kamillianer. „Verkündet das Evangelium und heilt die Kranken!" Dieser Auftrag Jesu ist das große Thema seines Lebens gewor­den.

Unterstützt von seinem Mitbruder Bernard sowie ein­heimischen Kran­kenpflegern leistet der begnadete Or­densmann aus Frankreich in diesem Leprosorium Groß­artiges. Am wichtig­sten ist es ihm, er­läuterter, „zunächst die Isolation des Le­prakranken zu über­winden". Deshalb nimmt er auch die Familie des Leprosen mit auf.

Das zweite ist, „dem Kranken seine Würde zurückzuge­ben". Deshalb muß in seinem Lepradorf auch jeder für seinen Lebensunterhalt ar­beiten. Sei es auf den Maisfeldern, in der Schweinezucht oder auf der Hühnerfarm. Dafür wird er be-zahlt, und damit kann er sein - be­scheidenes - Leben finanzieren. Nur die lebensnotwendigen Medika­mente erhält er kostenlos.

Angesichts des akuten Medika­mentenmangels in Benin sind diese Medikamente Pater Christians größter Schatz - solange der Nach­schub aus Europa klappt und gut­herzige Menschen die Rechnungen bezahlen. Wo der Patient unter Aufsicht des Pflegers diese Medizin nimmt, darf er wenigstens auf ei­nen Stillstand seiner Krankheit hoffen.

Der entscheidende Schritt ist für Pater Christian jedoch erst dann getan, wenn auch die „soziale Ge­sundung" seiner Schützlinge er­reicht ist: daß sie nämlich wieder in ihr Dorf zurückkehren können, um sich dort eine neue Existenz aufzu­bauen.

In Afrika ist das gleichbedeutend mit sich ein Haus bauen. Ein eige­nes Haus hebt nicht nur den Sozial­status der Familie, sondern hilft auch bei der Arbeitsplatzsuche. 6000 Schilling kostet das Material für eine einfache Lehmhütte mit Wellblechdach, die Eigenleistung nicht gerechnet.

Für einen gerade aus dem Lepra­dorf Entlassenen eine unerschwing­liche Summe. Doch auch hier wis­sen die Kamillianer von Abomey einen Weg: Jeder geheilte Leprapa­tient erhält für den „Hausbau" ratenweise eine finanzielle Unter­stützung. Damit bekommt er die Chance, wieder voll integriertes Mitglied seines Dorfes zu werden.

Das Hilfsprogramm der Kamil­lianer für das Lepradorf in Abomey sieht vier Schritte vor:

• Finanzierung der lebensnotwen­digen Medikamente. Bereitstellung von Schuhwerk und Prothesen, sodaß die Patienten wieder gehen, arbeiten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

• Ausbau der Wiederherstellungs­chirurgie (Amputation sowie Mus­kel- und Sehnenverpflanzungen) und der Physiotherapie (Massage und Bewegungsübungen), die der gesundheitlichen Wiederherstel­lung der Kranken dienen.

• Rehabilitationsmaßnahmen und Wiedereingliederung der geheilten Patienten in die Dorfgemeinschaft sowie eine finanzielle Starthilfe.

• Vermittlung der Grundbegriffe von Hygiene und gesunder Ernäh­rungsweise. Nur durch eine Ände­rung der Lebensverhältnisse kann die Lepra auf Dauer bekämpft wer­den.

Der Autor ist Provinzial der Kamillianer

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