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Heilkräuterfreunde aktiv

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„Gesundheitsbewußtsein darf nicht erst im Krankheitsfall einsetzen, son­dern sollte Angelegenheit der (noch) Gesunden sein,“ forderte die österrei­chische Ärztekammer in einer Doku­mentation über Gesundheitserziehung. Und blockt gleichzeitig Aktivitäten in Laienkreisen ab - wie den Heilkräuter- „Rausch“, der viele Österreicher erfaßt hat und an dem Reformhäuser und Drogerien kräftig mitnaschen.

Das Hantieren mit frischen bzw. dür­ren Pflanzen aus Hain und Flur soll künftighin allerdings Ärzten und Apo­theken vorbehalten bleiben: Heilkräu- ter-Liebhabern wird Fachkenntnis ab­gesprochen.

„Alles ist noch in Schwebe, vor al­lem wegen der Abgrenzungsprobleme“, läßt Noch-Gesundheitsminister Her­bert Salcher zum Thema Heilkräuter im „Brennesselkrieg“ verlauten - der­selbe Minister, der sich im vergangenen Sommer in Karlstein a. d. Thaya bei der Einweihung des Paracelsushauses dem Verein „Freunde der Heilkräuter“ gegenüber sehr aufgeschlossen zeigte.

Inzwischen hat das vom Vereinsob­mann, Abt Othmar Rauscher OCist, erhoffte Gespräch („auf neutraler Ebene außerhalb ministerieller Mauern“) noch immer nicht stattge­funden. Als kommerziell Unbeteiligter dagegen kommt der Verein im Brenn­nessel-Krieg zum Handkuß. Denn die Heilkräuter sind, Produkte aus der Grauzone zwischen Lebensmittel und Arzneimittel. Und just auf diesem Ge­biet tobt der Kampf um das neue Arz­neimittelgesetz.

Bis dato gilt Für die meisten Heil­kräuter eine Abgrenzungsverordnung aus dem vorigen Jahrhundert. Ihr Ver­trieb ist weitestgehend Domäne von Drogerien und Reformhäusern. Nur die als „registrierte pharmazeutische Spezialität“ aufscheinenden Heilkräu­ter in Arzneibuch-Qualität sind den Apotheken vorbehalten (derzeit etwa zweihundert).

Der Vorstoß der Diskont-Drogerie­märkte verwässert nun diesen Grenzbe­reich immer mehr, sodaß diesen und damit auch den „gestandenen“ Drogi­sten die meisten als Trockensubstanz, Pulver, Saft, Tinktur oder Salbe in den Handel kommenden Heilkräuterpro­

dukte von den Apotheken „wegge­pflückt“ werden sollen.

Dabei rennen die Reformhäuser und Drogisten bereits jetzt gegen die ihnen durch Lebensmittel-„Papst“ Petuely aufgetürmten Schranken an. Soweit Heilkräutliches als „Verzehrprodukt“ dem Lebensmittelgesetz unterliegt, sind alle gesundheitsbezogenen Anga­ben auf den Packungen etc. verboten - auch solche, die beim Verbraucher den Eindruck erwecken, daß derlei Dinge „gesund machen“, gegen eine Krank­heit helfen können oder fithalten, was

die Hersteller zu intensiver Hirnarbeit in der Stilisierung der diesbezüglichen Aussagen zwingt.

Hier haken nun die Waldviertler Kräuterfreunde ein. Der Verein ver­kauft nichts - aber er propagiert die Verwendung von Heilkräutern.

Jüngste Edition sind bunte Kräuter­tee-Bildkarten im Postkartenformat. In Paketen â 16 Stück gelten die ersten Ratschläge Erkrankungen der Atem­wege. In den nächsten Monaten folgen solche Für Herz und Kreislauf, Ver­dauung und Nervensystem. Insgesamt sollen es 63 Pakete mit 1008 verschiede­nen Ratschlägen aus dem Erfahrungs­bereich des „Kräuterpfarrers“ Her­mann Josef Weidinger OPraem wer­den:

„Meine Ratschläge sollen vorbeu­gend und dort eingesetzt werden, wo

man im Falle einer Erkrankung nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießt. Zum Glück gibt es noch eine unzählige Schar mit gesundem Men­schenverstand, mit richtigem Empfin­den und vor allem mit der richtigen Achtung vor dem eigenen Leben, das uns der Schöpfer gab.“

Als Bezugsquelle Für diese Heilkräu­terkarten nennt sich der Verein selbst - Für die auf diesen Karten verzeichneten „Buketts“ an Pflanzen bzw. deren Tei­le die Apotheken, Drogerien und Re­formhäuser.

Dem aufmerksamen Betrachter der Kärtchen Fällt auf, daß Laien mit den deutschen Pflanzennamen noch nicht viel anfangen können.

Nur die daneben angeFührte lateini­sche Bezeichnung weist daraufhin, wel­cher Teil der Pflanze - also Blatt, Blüte, Kraut, Wurzel, Rinde, Schale, Frucht, Samen oder Stroh - im einzelnen zur Teeherstellung benötigt wird. Der Weg Führt also sehr wohl zum Fachmann in Ordination und Apotheke, wenn man den „guten Rat vom Kräuterpfarrer“ nützen will.

Während der Verein hier die richti­gen Weichen gestellt hat, leidet er noch , unter dem Odeur der ursprünglich von ihm vertrieben Broschüre „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“. Darin er­teilte (und erteilt weiterhin unter einer neuen Verlagsadresse) eine Maria Tre­ben in Millionenauflage Ratschläge und Erfahrungen mit Heilkräutern und verspricht Heilung auch bei vielen Ar­ten von Krebs und malignen Geschwü­ren.

Abt Rauscher: „Wir haben uns von Frau Treben getrennt, obwohl sie die Wegbereiterin für die Anwendung von Heilkräutern in der breiten Masse war. Aber medizinisch sind manche ihrer Ratschläge heute nicht mehr haltbar“.

Ob diese Kehrtwendung und der Kontakt mit dem sich als Empiriker be­zeichnenden, auch Kranken Rat ertei­lenden „Kräuterpfarrer“ Weidinger den Weg zu Ärztekammer und Gesund­heitsministerium ebnet, wird erst die Zukunft weisen. Gegenwart sind die ständig steigenden Zahlen der Mitglie­der des Vereins der „Freunde der Heil­kräuter“: Schon sind es fast 22.000.

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