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Heimat, deine Preise ...

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Im Zweiten Weltkrieg gab es ein Lied, das zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten aus dem „Volksempfänger“ erklang: „Heimat, deine Sterne...“ Das ist fast ein halbes Jahrhundert her.

Aber hier geht's zunächst um etwas anderes. Mit Politik hat es nicht unmittelbar zu tun. Es geht um die Preise. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten was getan.

Im Jahre 1965 kostete ein „kleiner Brauner“ fünf Schilling. Beispielsweise. Gut, gut, ich lebe nicht hinter dem Mond und weiß, daß alles „hinaufgegangen“ ist. Die Mieten, die Preise für Nahrungsmittel und Textilien, für Bus und Bahn, für Grundstücke und Autos.

Das meine ich nicht. Ich meine die „kleinen Erhöhungen“, die zum Beispiel in Salzburg zur Festspielzeit an der Tagesordnung sind. Hier ein Schilling, dort ein Schilling, das fällt nicht auf,und die Fremden zahlen eh alles, ohne nachzurechnen. Nach den Festspielen bleiben die kleinen Erhöhungen stillschweigend stehen. Eine allgemeine Regelung scheint es nicht zu geben.

Ich will es genau wissen, gehe in ein kleines Cafe in der Getreidegasse (seit Jahren mein Stammcafe), trinke einen „kleinen Braunen“. Er ist ausgezeichnet, heiß und duftend, ein Kännchen Obers dazu, zwei große Stücke Würfelzucker. In den fünfzehn Schilling, die er kostet, ist inbegriffen: gute Luft (Rauchverbot), tiefe Stille (kein Radio) und immer freundliche Gesichter der Besitzerin und Bedienung. Wer aufs Klo muß, nimmt einen Schlüssel vom Haken und geht — kostenlos.

Den nächsten „kleinen Braunen“ trinke ich jenseits der Salzach in der Nähe der Hochschule Mozarteum. Hier kostet er sechzehn Schilling, Radio und Rauch inklusive. Die Bedienung ist freundlich, der Kaffee gut, etwas bitterer, sehr rassig, WC inklusive. Den dritten „kleinen Braunen“ trinke ich wieder in der Altstadt, diesmal in einem sehr renommierten Cafehaus. Hier kostet's zwanzig Schilling, dafür gibt's dünne Milch und der Kaffee ist lauwarm, wahrscheinlich wegen des langen Weges, den die Bedienung zurücklegen muß. Der Herr Ober ist bezaubernd zu den Stammgästen und distanziert-höflich zu dem gewöhnlichen Ba-gagi. In Ordnung. Radio keines, Rauch viel. Das WC ist kostenpflichtig.

Den vierten und an diesem Tag letzten „kleinen Braunen“ trinke ich in einem anderen alteingesessenen Cafehaus. Wie sich die Bilder gleichen... zwanzig Schilling auch hier, kein Radio, viel Rauch, das WC kostenpflichtig.

Ein weiteres Beispiel soll noch erwähnt werden, weil wir hier zum Kern der Sorgen vorstoßen.

Ein Besuch in einem Kino nahe der Lehenerbrücke. Wir führen deutsche Freunde aus, die in DM zahlen wollen. Der junge Mann an der Kasse verlangt sehr schnell seinen Preis.

„Einen Augenblick, bitte“, sagen wir, „wie rechnen Sie das?“ Denn der junge Mann hatte nach einem für ihn sehr günstigen Kurs gerechnet. „Wir rechnen das so“, erklärt er gschnappert. Wir bezahlen in Schilling und sparen bei fünf Karten insgesamt sechsundzwanzig Schilling. Kleinigkeit?

Natürlich, es fängt alles im Kleinen an. Außerdem: Kleinigkeiten summieren sich. Bei unwissenden oder trägen Kinobesuchern dürfte sich die großzügige Rechnungsweise in der Kasse positiv auswirken. Störend ist aber nicht nur der „eigenmächtige Kurs“ des jungen Mannes, sondern vor allem die rotzige Art, mit der er seine Unredlichkeit zu überspielen versuchte.

Ähnliches passiert auch immer wieder in den Gaststätten. Es heißt aufpassen, wenn man zur Kasse gebeten wird. „Ein feiner Mann rechnet nicht nach“, hieß es früher. Es wird jedem geraten, nachzurechnen, den sogenannten „feinen Männern“ (und Frauen) besonders, denn wo man sieht, daß es „einer hat“, wird erbarmungslos abkassiert. Woher nehmen manche Menschen, die ihr Geld an den Fremden verdienen, eigentlich diese Arroganz?

Das gilt nicht nur für die „Pief-ke“, auch Gäste aus England, Italien oder den USA wissen mitunter ein traurig Lied zu singen. „Das sind vielleicht Ausnahmen“, sagen sie höflich, „aber wenn schon alles so teuer ist in Österreich, dann könnten die Menschen, die das verkaufen, wohl auch freundlich sein.“

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