7002516-1987_30_10.jpg
Digital In Arbeit

Heimat für Ex-Häftlinge

Werbung
Werbung
Werbung

Es war im November 1969, als ich im Auftrag der Legio Mariens mit dem Seelsorger des Wiener Landesgerichts, Rektor Anton Eder, Kontakt aufnahm, ob eine unserer Gruppen ihm bei seiner Arbeit für Strafgefangene helfen könnte. Er nahm diese Anregung freudig auf. Sechs von uns waren bereit, sich dieser Aufgabe zu widmen.

Wir bekamen Adressen von Häftlingen, die sich eine Briefpartnerin wünschten, machten Besuche in den Gefängnissen und bei Angehörigen der Gefangenen. Das war der Anfang.

Bald darauf sah Rektor Eder, daß ein Heim für Entlassene ohne Unterkunft unbedingt erforderlich sei. Für Männer, die bereit waren, ein neues Leben zu beginnen und zu arbeiten, mußte eine menschenwürdige Unterkunft geschaffen werden.

Durch die Bereitschaft von Pater Leonhard Bianchi wurde dieses Vorhaben im Herbst 1970 in der Fischerstiege verwirklicht

Das war der erste Schritt — ein Tropfen auf dem heißen Stein, dort konnten nur zehn Männer untergebracht werden. Es mußten mehr Unterkünfte beschafft werden - also ein zweites Heim.

Wieder wurde in der Legio Mariens geworben. Ein junges Ehepaar war bereit, sich ganz dieser Aufgabe zu widmen, in dem neuen Heim zu wohnen und es zu leiten. Ein Haus der Kalasantiner in der Breitenseer Straße wurde gemietet und schon im November 1971 eröffnet.

Ich erinnere mich noch gut an diese Eröffnung. Mit Hilfe der Caritas wurde die notdürftigste Einrichtung bereitgestellt Ein gro ßer Schlafsaal für 16 Männer war durch Sperrholzplatten unterteilt und auf primitivste Art eingerichtet worden.

Wollte ich unser Leben mit den Männern in diesen 13 Jahren in Breitensee im einzelnen schildern, es würde ein kleines Buch füllen: die Freuden der vorübergehenden und dauernden Erfolge, der Kummer bei Rückfällen und Enttäuschungen, der große Einsatz der Legionäre und der Helfer…

Erwähnt werden sollte auch das große Verständnis des damaligen

Justizministers Christian Broda. Dank seiner Unterstützung konnten wir das Heim besser einrichten, eine Heizung bauen und die Unterkunft um ein Stockwerk erweitern, sodaß wir schließlich 23 Männer gleichzeitig aufnehmen konnten.

Unterstützt wurde unsere Arbeit im Heim recht bald auch von einem Sozialarbeiter, Karl Buchwald, und Zivildienem.

Stellt sich nun wohl die Frage nach dem Erfolg unserer Bemühungen: Ich will keine Statistik aufstellen, denn unsere Arbeit mißt sich nicht nach Erfolg und Mißerfolg, sondern es ging uns darum, Menschen in ihrer Not und Hoffnungslosigkeit, Menschen, die auf Hilfe angewiesen waren, den Weg ins Leben zu erleichtern. Sie sollten erfahren, daß Nächstenliebe kein leeres Wort ist $

Viele Männer, die das Heim verlassen haben und nun auf eigenen Füßen stehen, kamen immer wieder zu den gemeinsamen Mahlzeiten an den Wochenenden. Auch nach Jahren waren sie noch dankbar für die Hilfe, die sie bei ihrem Weg in ein neues Leben bekommen hatten.

Manche Rückfällige konnten wir in der Haft besuchen. Einige von ihnen kamen nach ihrer neuerlichen Entlassung wieder ins Heim. Einige Alkoholiker wurden dauernd oder für längere Zeit „trocken“.

Monatlich gab es eine Messe im Heim, an der jeder, der wollte, teilnehmen konnte. Da gab es manche Bekehrung und Sakramentenempfang. Gemeinsam feierten wir Ostern und Weihnachten und erlebten Einkehrtage in einem Kloster.

Der ehrenamtliche Einsatz wurde zum größten Teil von Frauen im Pensionsalter geleistet. Mehr als von Worten waren die Männer von diesem Umstand beeindruckt. Immer wieder fragten sie: „Warum tut Ihr das—warum laßt Ihr Euch das alles gefallen? Ich hätte schon längst den Hut genommen!“

Die Leistung dieser, oft niederen Arbeit war unser wirksames Apostolat. Männer, die nie erlebt hatten, daß jemand etwas tat, was keinen sichtbaren Nutzen bringt, staunten darüber. Und so konnte ein „Sandler“, der länger bei uns gewohnt hat, sagen: „Die Zeit im Heim war die schönste meines Lebens.“

Auszug aus dem Rechenschaftsbericht „15 Jahre Wohnheime“ des Vereins für Integrationshilfe, dessen Beratungsstelle sich in 1010 Wien, Stephansplatz 6, befindet. (Telefon: 51552/394 bzw. 355, Sprechstunden Montag bis Freitag, 10 bis 12 Uhr)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung