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Heimat mal drei

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In jedem Land gibt es politische Diskussionen, und die Lösung von Problemen werde dadurch nicht immer leichter. In Südtirol sei die Sache durch die ethnischen Komponenten besonders schwierig. Da stets die Interessen aller Volksgruppen berücksichtigt werden müssen, werden Selbstverständlichkeiten mitunter zum Problem.

Diese Feststellung trifft Südtirols Landesrat für Schule und

Kultur, Anton Zeiger. Die finanziellen Möglichkeiten auf dem Kultursektor seien heute durchaus akzeptabel. Die Kulturabteilung der Südtiroler Landesregierung verfügt über ein Gesamtbudget von umgerechnet jährlich rund 194 Millionen Schilling. Ein Drittel davon erhalten - nach dem ethnischen Proporz - die Angehörigen der italienischen Volksgruppe.

Auf dem Gebiet der Schule hat es - so Zeiger - in den letzten Jahren viele Neuerungen gegeben. Dazu gehören die Anerkennung der in Österreich erworbenen Studientitel durch Italien und die

Regelung für eine doppelsprachige und die Rechtspraxis beider Staaten berücksichtigende Ausbildung für Juristen an der Universität Innsbruck.

Die volle Schulautonomie sei zwar noch nicht erreicht worden, aber immerhin habe man eine brauchbare Verwaltungsautonomie, und außerdem gebe es in Italien eine größtmögliche Lehrfreiheit. Es wurden auch alle von Südtirol in Rom beantragten Schultypen genehmigt.

Der Unterricht erfolgt in Südtirol getrennt nach Sprachgruppen in der jeweiligen Muttersprache der Schüler, wobei die Lehrkräfte der entsprechenden Sprachgruppe angehören müssen. Seit 1971 gibt es auch das Fach „Deutsch für Italiener“, allerdings stehen zu wenige Deutschlehrer zur Verfügung. Da das sogenannte Elternrecht die Schulwahl ermöglicht, kommt es vor, daß Kinder aus italienischen Familien oder aus Mischehen deutsche Schulen besuchen.

Auch in Südtirol herrscht in den Grundschulen bereits ein Lehrerüberschuß, während an Mittel-und Fachschulen noch ein Mangel an Lehrkräften besteht.

Was die Kulturpolitik betrifft, so läßt die sogenannte primäre Gesetzgebung einigen Spielraum.

Verschiedene Bereiche sind infolge der Durchführungsbestimmungen der Autonomie an die Kompetenz des Landes übergegangen.

Ein sehr wichtiges Gesetz ist jenes zur Errichtung von Kulturbeiräten. Dadurch können vom Land Förderungsbeiträge gewährt, kulturelle Veranstaltungen unterstützt und kulturelle Bauvorhaben verwirklicht werden.

Bisher nicht geregelt wurde das Ortsnamengesetz, das ein besonders heißes Eisen darstellt. Amtlich gibt es zur Zeit nur italienische Ortsnamen, und dies sollte — nach den Vorstellungen der Südtiroler — geändert werden. Ausständig ist auch das Gesetz für die Einfuhr deutschsprachiger Filme.

Auf dem Gebiet der Kunst und Literatur geht man von dem Grundsatz aus, daß diese dem Ruf des Landes nicht schaden dürfe, wenn sie öffentliche Unterstützung beanspruche. Auf alle Fälle müsse die Erhaltung der Eigenart der deutschen und ladinischen Minderheit oberstes Ziel eines Südtiroler Kulturpolitikers sein, so Zeiger.

Landesrat Zeiger spricht sich für ein friedliches Zusammenleben der einzelnen Volksgruppen aus, warnt jedoch vor einer zu starken Vermischung der deutschen und italienischen Bevölkerung. Beide Volksgruppen müßten ein gesundes Selbstbewußtsein bewahren, dann können sie sich mit gegenseitiger Achtung begegnen.

Für eine gedeihliche Kulturpolitik in Südtirol sind natürlich dieselben Voraussetzungen nötig wie für die Politik im allgemeinen. Erst die endgültige Erfüllung des sogenannten Pakets und die Absicherung der Autonomie kann jene Atmosphäre schaffen, die die Südtiroler für eine „kulturelle Umarmung“ aus dem Süden zugänglich macht.

Die gegenwärtige Stagnation in der Autonomiefrage muß daher überwunden werden. Und dazu braucht es den guten Willen Roms, aber auch eine gewisse Flexibilität der Südtiroler. Wenn die Südtiroler Volkspartei (SVP) eine Öffnung ihrer Sammelbewegung für die italienischsprachige Bevölkerung Südtirols signalisiert und sich neuerdings sogar die Alternativen zur Kooperation zum Nutzen der „Südtiroler Heimat“ aussprechen, dann läßt dies immerhin eine erfreuliche Neuorientierung erkennen.

Und wenn Italiens Staatspräsident Francesco Cossiga unlängst in Meran erklärte, das Paket müsse jetzt endlich durchgezogen werden, dann ist zu hoffen, daß diesem guten Vorsatz bald auch die Tat folgt.

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