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Heimgekehrtes Mittelalter

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Der rapide Preissturz bei mittelalterlicher Kunst hat es der Österreichischen Galerie in den letzten drei Jahren ermöglicht, im Kunsthandel sieben Skulpturen beziehungsweise Tafelmalereien aus dem 13. bis 16. Jahrhundert einzukaufen. Nun zeigt die unter Leitung von Kustos Arthur Sauger stehende Mittelaltersammlung in der Orangerie des Unteren Belvede-res zusätzlich zu den seit 1953 der Öffentlichkeit zugänglichen exquisiten Hauptwerken österreichischer Romanik und Gotik sämtliche Neuerwerbungen neben vier ebenfalls erst jüngst aus diversen Museen heimgeholten Objekten.

Eines der „zugewachsenen" Tafelbilder hängt gleich links vom Eingang in die ehemalige Orangerie des Prinzen Eugen. Es behandelt ein im späten 14. Jahrhundert selten abgebildetes Thema, nämlich den Apostelabschied. Unweit davon ist eine neu erstandene salzburgische Holzskulptur aus der Zeit um 1370 plaziert. Sie stellt einen Bischofsheiligen dar.

Die wohl wichtigste Sammlungsbereicherung aber ist dem Ankauf einer steinernen thronenden Madonna mit dem in einen Schleier gehüllten Jesuskind zu verdanken. Diese Art der Darstellung weist die aus der Zeit des römisch-deutschen Königs Friedrich I. (III., der Schöne, geboren 1289, gestorben 1330) stammende Arbeit als ein stilistisch in der Tradition der berühmten Klosterneuburger Madonna stehendes Werk aus. Nach Meinung Saligers darf es als gleichaltrig mit dem frühgotischen Tympanon des ehemaligen Lettnerportales (heutiges Nordportal) der Wiener Minoriten-kirche angesehen werden.

Nur als Fragment und in stark verblaßten Farben erhalten ist ein nichtsdestoweniger eindrucksvolles Dokument tiefster mittelalterlicher Frömmigkeit: ein zwischen 1360 und 1390 geschaffenes Fastentuch. Die zwei mal drei Meter große Leinwand gilt als ältestes nachweisbares Fastentuch Kärntens. Festgehalten sind auf ihm Szenen aus dem Buch Genesis und zwar: die ersten fünf Schöpfungstage, dann der sechste Schöpfungstag mit der Schaffung Evas aus der Seite Adams, außerdem die Belehrung der Stammeseltern, der Brudermord, die Arche Noah sowie Moses mit der Gesetzestafel und dem brennenden Dombusch.

Von erhabener Schönheit erweist sich die bereits seit zwei Jahren ausgestellte Holzplastik des auf einer Schüssel liegenden Hauptes des Johannes, die um 1500 datiert wird. Daß Schüssel und Kopf des Täufers einst nicht zusammengehört haben, beeinträchtigt die Qualität des wahrscheinlich von einem Mitarbeiter der Klosterneuburger Passion geschnitzten Ensembles nicht im geringsten.

Aus der Akademie der bildenden Künste heimgeholt wurde Lucas Cra-nachs „Die Stigmatisierung des heiligen Franz von Assisi". Komposition und Stil sagen aus, daß das Tafelbild während des von 1500 bis 1504 dauernden Wiener Aufenthaltes des aus Oberfranken gebürtigen Künstlers unter Beeinflussung der Donauschule entstanden sein muß.

Von Cranach inspiriert ist hingegen „Der heilige Erasmus" aus Linz. „Die Beschneidung Jesu" aus dem Historischen Museum der Stadt Wien sieht wie das Werk eines späten Nachkommen des Schottenmeisters aus. Ebenfalls aus dem Historischen Museum der Stadt Wien kam die Bauplastik eines Fuchses. Sie stammt aus St. Stephan. Der ursprüngliche Standort ist unbekannt.

Ein repräsentatives Zeugnis für die spätrpmanische Baubildnerei des 13. Jahrhunderts liefert das aus Hollabrunn nach Wien transferierte Relief eines Mannes (Apostels?) von der ob ihrer Reliefs vielbewunderten Pfarrkirche Mariae Geburt in Schöngrabern. Um ein frühromanisches Werk aus dem Weinviertel handelt es sich bei der Skulptur „Der Kopf Jesu".

Mit weiteren Neuerwerbungen und einer Neuaufstellung der Mittelaltersammlung der Österreichischen Galerie ist zu rechnen.

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