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Heimlichkeiten, Irrtümer und Zufälle

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In aller Stille wollte vorigen Donnerstag im Wallfahrtsort Maria Langegg Bischof Kurt Krenn Priester und Diakone des Ordens „Servi Jesu et Mariae” (SJM) weihen. Aber Hellhörige verständigten die Medien.

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In aller Stille wollte vorigen Donnerstag im Wallfahrtsort Maria Langegg Bischof Kurt Krenn Priester und Diakone des Ordens „Servi Jesu et Mariae” (SJM) weihen. Aber Hellhörige verständigten die Medien.

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Als am 29. Juni im Dom zu St. Pölten die offizielle diesjährige Priesterweihe der Diözese St. Pölten stattfand, ahnte kaum einer der Anwesenden, daß Diözesanbischof Kurt Krenn zwei Tage später weitere Weihen vornehmen würde. Erst am 2. Juli verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Krenn weiht im Wallfahrtsort Maria Langegg zwei Priester und zwei Diakone für die Diözese Anapolis. Journalisten und ein ORF-Team eilten in den Dunkelsteiner Wald, Meldungen von der Weihe von „Engelwerk-Priestern” machten daraufhin die Runde.

Der eindeutige Nachweis, daß es sich um Mitglieder des von Rom im Vorjahr gemaßregelten „Opus Ange-lorum” (OA) handelt, dürfte freilich kaum zu erbringen sein. Denn dieser, die Hauptmerkmale einer Sekte aufweisende „Geheimdienst der Kirche” (offiziell existiert nämlich gar keine kirchliche Einrichtung „Engelwerk” - was kirchlich anerkannt ist, sind Teilorganisationen) hält bezüglich seiner Mitglieder dicht. Immerhin verlautete aber aus dem O A, daß auch ein österreichischer Bischof dazugehört, der sich zwar öffentlich nicht zum Werk bekennt, es aber unterstützt, wo er kann.

Bischof Krenn hat heftig bestritten, daß die Weihen in Maria Langegg etwas mit dem Engelwerk zu tun haben. Der Bischof von Anapolis, Manoel Pestana Filho, habe ihn um die Weihen gebeten, das sei ein ganz normaler Vorgang. Warum dann alles so heimlich und abseits von St.

Pölten ablaufen mußte, bleibt rätselhaft. Auch der Grazer Bischof Johann Weber hat jüngst einen Kandidaten für eine andere Diözese, für Masan in Korea, geweiht, aber ohne Heimlichkeiten im Rahmen der Weihen für seine eigene Diözese.

Daß bei der Weihe die lateinische Sprache - aber nicht der vorkonzilia-re, sondern der erneuerte Ritus - verwendet wurde, läßt sich mit Rücksicht auf die aus Ungarn kommenden, der deutschen Sprache nicht so mächtigen Angehörigen des einen Neupriesters noch erklären. Aber daß für die Weihe der zuvor bei einer Silberhochzeit verwendete Volksaltar wieder entfernt wurde, macht deutlich, daß es sich hier nicht gerade um progressive Liturgie handelte.

Krenn in OA-Hochburg

Daß der dem OA wohlgesinnte Autor Heinz Gstrein berichtete, der Bischof von Anapolis sei vom Engelwerk begeistert, scheint Bischof Krenn unbekannt zu sein, obwohl sein theologischer Referent, Reinhard Knittel, selbst von diesem Bischof geweiht wurde und außerdem dem mit dem OA verbundenen Orden der Regular-kanoniker vom Heiligen Kreuz als Donate angehörte. Krenn erweckte im Fernsehen den Eindruck, der einzige Zusammenhang zwischen der Diözese Anapolis und dem Engelwerk bestehe darin, daß sich in dieser Diözese „ein Haus” des Engelwerkes befindet. Tatsächlich handelt es sich um ein großes Kloster und eine Hochschule des erwähnten Ordens, die mit tatkräftiger Unterstützung von Bischof Pestana errichtet wurden. Für dessen Diözese wurden nachweislich nicht nur Reinhard Knittel, sondern auch andere ehemalige oder noch immer aktive OA-Angehörige aus Mitteleuropa geweiht.

Sollte es wirklich kein Nahverhältnis der Diözese Anapolis zum „Haus” des Engelwerkes geben, muß reiner Zufall den Augsburger Priester Ingo Dollinger, Rektor der Ordenshochschule in Anapolis, zu der in aller Stille vorbereiteten Weihe geführt haben. Ebenso zufällig wurde dafür wohl Maria Langegg ausgesucht, dessen Pfarrer, P. Bernhard Hauser OSB, einer der wenigen Geistlichen der Diözese St. Pölten ist, deren OA-Zugehörigkeit bekannt ist.

Bekannt ist aber zufällig auch, daß sich am 29. April 1990 in der Benediktinerabtei Weltenburg, deren Abt ein wichtiges O A-Mitglied ist und die als Engel werk-Hochburg im östlichen Bayern gilt (einer der wenigen Orte in Deutschland, an denen noch offizielle Engelwerk-Exerzitien stattfinden), eine Reihe junger Mönche von Bischof Krenn zum Priester weihen ließ. Das ist bemerkenswert, da sich solche Leute sicher nicht von jedem Bischof weihen lassen würden.

War es auch Zufall, daß die Alumnen vom „Werk Mariens”, denen Bischof Krenn die Niederlassung in einem bisherigen Gasthof in Klein-Hain gestattet und trotz mangelnder Qualifikation die Aufnahme in die kirchliche St. Pöltener Hochschule ermöglicht hat, in Maria Langegg zur

Stelle waren? Man darf nicht vergessen, daß bald nach Krenns Amtsantritt als Wiener Weihbischof mit Hilfe des zumindest zeitweiligen Engelwer-kers Heinrich Morscher in Mayerling ein Studienhaus entstanden ist, aus dem nach Krenns Wechsel nach St. Pölten das Haus in Klein-Hain hervorging. Und Heinrichs Bruder Edelbert Morscher fand nach seinem Scheitern in der Erzdiözese Wien (zum Teil in der Krenn unterstellten Universitätsseelsorge) indessen eine neue Heimat in der Diözese St. Pölten. Als die FURCHE aufdeckte, fünf von Bischof Krenn im Vorjahr geweihte Diakone (9/1993) seien keineswegs - wie das „St. Pöltner Diöze-sanblatt” gemeldet hatte - Alumnen des Augsburger Priesterseminars, sondern Krenn habe sie für die Diözese Anapolis in Brasilien geweiht, mußte auch Krenn zugeben, daß im Diözesanblatt die Unwahrheit gestanden war.- Tatsächlich kamen die Geweihten aus der von dem ehemaligen Jesuiten Andreas Hönisch gegründeten Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPE), gehören dem ebenfalls von Hönisch gegründeten Orden „Servi Jesu et Mariae”, der im alten Kloster Mussenhausen bei Markt

Rettenbach im Allgäu seinen Sitz hat, an und absolvierten ihre Studien in Wigratzbad, einem Sitz der romtreuen Traditionalisten (St. Petrus-Bruderschaft).

Da der Orden SJM noch nicht offiziell anerkannt ist und die Priesterweihe für einen bestimmten Orden oder eine bestimmte Diözese erfolgen muß, kam es zu den Weihen für die Diözese Anapolis, deren Oberhirte in solchen Fällen immer gerne einspringt. Und weil Anapolis in diesen Fällen ja nur als „Briefkastenfirma” dient, die Kandidaten wollen ja in Europa bleiben, sind sie dankbar, wenn sich hierorts ein Bischof wie Kurt Krenn findet, der ihnen die Mühe und die Kosten einer Reise nach Brasilien erspart.

Entsteht Parallelklerus?

Daß die Hönisch-Gründungen weithin mit Recht als fundamentalistisch eingestuft werden, sagt noch lange nichts darüber aus, ob seitens der SJM oder der KPE die für die Vergangenheit eindeutigen Kontakte zum Engelwerk noch bestehen. Bis zum römischen Dekret von 1992 hat Hönisch seinen KPE-Schützlingen das OA stets empfohlen. Und sein Mitarbeiter Richard Pühringer, einst bei den Missionaren vom kostbaren Blut Ordenskollege der Brüder Morscher und von Werner Schmid, dem heutigen „Werk-Mariens”-Obmann, gehörte zeitweise zum Engelwerk-Orden.

Wenn Bischof Krenn sagt, er werde für genügend Priesternachwuchs sorgen, sich aber am diözesanen Seminar nichts tut, dann rechnet er offenbar schon mit den Leuten vom „Werk Mariens” und vielleicht auch mit den „Servi Jesu et Mariae”, also mit einem fundamentalistisch ausgerichteten Parallelklerus, dessen Einsatz in der praktischen Seelsorge weitere. Spannungen und Spaltungen in der Kirche befürchten ließe.

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