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Heimtückische Angriffe

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Ein „Arbeitskreis Alkohol“ hat per Umfrage festgestellt, daß jeder dritte Deutsche zuviel trinkt, nämlich mehr als 80 Gramm reinen Alkohol pro Tag. Man kann sich natürlich darüber Ge­danken machen, ob so eine alkoholi­sche Umfrage aussagekräftig ist: Nichtalkoholiker hatten ja da nichts zu melden, und die Alkoholiker sagten vielleicht unter dem Einfluß von Alko­hol aus.

Es ist auch nicht wichtig, wie viel man trinkt, sondern wie man trinkt. Ein kompetenter Mann - tschechoslowaki­scher Gesundheitsminister und handfe­ster Trinker - prägte seinerzeit die Lo­sung: „Alkohol, mäßig getrunken, schadet in keiner Menge“.

Die Gefährlichkeit der Zeitungsnotiz lag auch ganz woanders: Nur so ne­benbei wurde da behauptet, daß „60 Gramm Alkohol bei Männern und 30 Gramm bei Frauen“ gefährlich seien. Nur so nebenbei wurde also wieder ein­mal ein heimtückischer Angriff gegen die Gleichberechtigung und Emanzipa­tion der Frauen gestartet!

Was wollte man durch diese Diffe­renzierung andeuten - daß die Frauen etwa schwächere Köpfe haben?! Oder, daß der weibliche Organismus weniger widerstandsfähig, also weniger voll­kommen ist als der männliche? Ist das nicht eine Schande, in dem letzten Vier­tel unseres aufgeklärten Jahrhunderts - vielleicht in den letzten Jahren unserer fortgeschrittenen Zivilisation - so et­was anzudeuten?

Man wird sich wohl damit rechtferti­gen wollen, daß jene Grenzwerte von Wissenschaftlern anhand irgendwel­cher Versuche und Untersuchungen festgestellt worden sind. Na und? Wenn Untersuchungen gegen die Gleichbe­rechtigung verstoßen, muß man sie ver­bieten - oder neue durchführen, die ganz was anderes beweisen.

Will man an den heutigen Ergebnis­sen der Wissenschaft festhalten, könnte das zu einer regelrechten Diskriminie­rung der Frauen führen. Verkehrspoli­zisten könnten zum Beispiel Fahrerin­nen den Führerschein entziehen, wenn sie halb so viel Alkohol im Blut haben wie männliche Fahrer - mit der Be­gründung, daß sie nur halb so viel ver­tragen. Dies würde auch direkt zur Dis­kriminierung im Beruf führen - bei Lastwagen - und Taxifahrerinnen vor allem, aber nicht nur bei ihnen. Wer wird unter diesen Umständen noch ei­ner Frau einen Managerposten geben wollen? Als Manager muß man oft während eines Arbeitsessens Verhand­lungen führen, das ja meistens ein Ar­beitstrinken ist.

Weiter: Gastwirte können sich wei­gern - unter den Gastwirten soll es auch männliche Chauvinisten geben - Frauen über ein halbes Maß einzu­schenken (Gastwirte lieben das volle Maß sowieso nicht), mit derselben Be­gründung. Stelle man sich vor: Eine Frau, meinetwegen eine Seefrau (oder sagt man Seemännin?) kommt von ei­ner anstrengenden Reise, will in einer Hafenkneipe einmal so richtig auf den Putz hauen, dabei vielleicht irgendei­nen jungen Mann aufgabeln - und kriegt nur eine halbe Portion!.

Sollte man wieder einmal Alkohol rationieren müssen - dies kann leicht passieren, weil man ihn mangels Erdöl als Treibstoff für die Autos brauchen wird - kommt man so leicht in Versu­chung, den Frauen eine halbe Ration zuzuteilen.

All diese Diskriminierung verkündet man unauffällig in einem Nebensatz und stützt sie auf „objektive Wissen­schaft“! Wetten, daß jene zutiefst unge­rechte Alkohol-Normen nicht von Wis­senschaftlerinnen, sondern eben von „Wissenschaftlern“ errechnet worden sind? Selbst beim Alkohol-Konsum, der wohl nicht das größte Glück des Menschen ist, versucht man Frauen un­terzukriegen. Männer, sogar die Wis­senschaftler, die verpflichtet sind, fort­schrittlich und zukunftsweisend zu den­ken, sind nicht imstande, auf ihren männlichen Rassismus zu verzichten.

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