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Heiße Eisen für fremde Finger

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Heinz Fischer, der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ-Parlamentarier, räumt dem Mediengesetz noch eine Beratungszeit von maximal sechs Monaten ein, baut auf eine Wahlrechtsänderung mit ÖVP-Zustimmung nur unter der Voraussetzung, daß die Volkspartei dafür keine Gegenleistung begehrt, und regt eine Veröffentlichung der Gehälter von Leitungsorganen verstaatlichter Unternehmungen, Banken, Landeselektrizitätsgesellschaften, Sozialversicherungsträgem und öffentlich angestellten Primarärzten an.

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Heinz Fischer, der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ-Parlamentarier, räumt dem Mediengesetz noch eine Beratungszeit von maximal sechs Monaten ein, baut auf eine Wahlrechtsänderung mit ÖVP-Zustimmung nur unter der Voraussetzung, daß die Volkspartei dafür keine Gegenleistung begehrt, und regt eine Veröffentlichung der Gehälter von Leitungsorganen verstaatlichter Unternehmungen, Banken, Landeselektrizitätsgesellschaften, Sozialversicherungsträgem und öffentlich angestellten Primarärzten an.

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Daß im Entwurf des Justizministeriums für ein neues Mediengesetz nicht mehr der umstrittene Paragraph zum Schutz des „höchstpersönlichen Lebensbereiches“ im Vordergrund steht, sondern das Thema Redaktionsstatuten, ist für Fischer keine Frage mehr. Er hält an früheren Aussagen fest, daß dieses Gesetz gegebenenfalls auch im SPÖ-Alleingang beschlossen werden wird, und zwar „möglichst noch heuer“, kann sich aber eine Fortsetzung der Konsensbemühungen übers Jahresende hinaus noch verstellen, wenn die Verhandlungen nicht länger als „höchstens sechs Monate“ dauern.

Wenn diese nicht zum Ziel führen - wird die SPÖ dann („wenn schon, denn schon“) ähnlich wie im Fall Fristenlösung, eine „rein sozialistische“ Version beschließen? Nun, ein „demonstratives Zurückgehen hinter den letzten Stand“ erwartet der wie immer bedächtig und überlegt formulierende Klubobmann nicht, vor allem nicht in puncto Persönlichkeitsschutz. Aber bei den Redaktionsstatuten sollte man dann wohl nicht allzu sehr auf Konsensformulierungen bauen.

Ausgeschlossen erscheint Fischer die vielfach eingemahnte Einbeziehung der neuen elektronischen Me-

dien (Kabelfernsehen, Teletext, Bildschirmzeitung usw.) ins Mediengesetz, das ohne solche Regelungen freilich schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens unvollständig wäre. Aber laut Fischer kann man einen Kuchen, an dem die Justizminister seit 25 Jahren herumbacken, nicht noch einmal ins Rohr zurückstellen.

Ein zweites Rundfunkgesetz müßte diese Materie regeln, aber ob ein solches das Ende des staatlichen

Rundfunkmonopols bringen wird (was Bundeskanzler Kreisky und SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha ebenso wie ORF-Generalintendant Gerd Bacher wiederholt anzudeuten schienen), ist für Fischer noch keineswegs eine ausgemachte Sache: „Man muß sich das noch sehr genau überlegen…“

Seinen eigenen Vorschlägen, das Wahlrecht zugunsten von Einerwahlkreisen und einem Proporzausgleich im zweiten Ermittlungsverfahren zu ändern, gibt Fischer in dieser Gesetzgebungsperiode nur bedingte Chancen. Die ÖVP müßte zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit beitragen und möglichst auch die FPÖ („unser Partner bei der Reform 1970“), aber eine politische Gegenleistung darf sich die Volkspartei dafür nicht erhoffen: „Ein Parteianliegen ist diese Reform für die SPÖ nicht.“

Damit umschreibt Fischer behutsam die Tatsache, daß sich auch in seiner eigenen Partei viel Widerstand gegen diese Reform erhoben hat. Die Bedenken der SPÖ liegen laut Fischer vor allem darin, daß ein stark personenbezogenes Wahlrecht zur weiteren Entpolitisierung der ohnehin schon zu Schönheitskonkurrenzen degenerierten Wahlkämpfe beitragen könnte.

Außerdem bangen manche Sozialisten vor der Wirkung von Wahlempfehlungen lokaler Honoratioren, während die ÖVP laut Fischer umgekehrt vor dem zusätzlichen „Bonus“ direkt gewählter Mandatare zurückscheut, die angesichts des Überwiegens städtischer Wahlkreise zu 70 Prozent von der SPÖ gestellt würden. Die FPÖ aber fürchte das Wahlkampfargument „Ein freiheitlicher Kandidat hat ohnehin keine Chance“, auch wenn dies zumindest dank dem zweiten Ermittlungsverfahren nicht der Fall wäre.

Heinz Fischer ist ein Spezialist für das Aufgreifen von Eisen, die wirklich heiß sind, aber an denen sich in weiterer Folge kraft Kompetenzverteilung andere die Finger verbrennen müssen. So bezeichnete er bei den heurigen Alpbacher Hochschulwochen unser gegenwärtiges Sozialversicherungssystem als „nicht mehr optimal“ und dachte dabei vor allem an die Tatsache, daß ein Ziegelstein, der dem männlichen Partner eines doppelverdienenden Ehepaars auf den Kopf fällt, zwei Pensionsansprüche bewirken kann, aber nur einen, wenn er die Frau trifft.

Als Problem „Witwerpension“ ist dieser Ziegelstein jetzt dem Sozialminister auf den Kopf gefallen, dem ja nach Fischers Darstellung ebenso wie den Gewerkschaftern „nach der ungeschriebenen Aufgabenteilung in der SPÖ“ die Konkretisierung sozialpolitischer Vorhaben zufällt.

Bei der Neuordnung des Pensionssystems, das immer schwerer finanzierbar wird, könnte man damit fortfahren, wie in der Vergangenheit die bestehenden Sozialgesetze zu retuschieren, oder auch eine totale Neuordnung anstreben. Eine solche wäre die Volkspension: Jeder Österreicher hat ab einem bestimmten Alter einen bestimmten Pensionsanspruch.

Hinter verschlossenen Türen reden immer mehr Praktiker, durchaus nicht nur sozialistische, von einer solchen Lösung. Wenn die Türen aufgehen, reden sie alle wie Fischer: Daß diese Vorgangsweise doch wohl auf übergroße Einwände stoßen würde („zehn Prozent sachliche, 90 Prozent aus Vorteilen bestehende“) und daher die Politik der kleinen Schritte die bessere Methode zu sein scheine.

Ähnliches schwebt . dem SPÖ- Klubobmann bei jenem Thema vor, das in der Tat nicht nur Exerzierfeld der Ideologen, sondern auch ein öffentliches Ärgernis sein kann: die persönlichen Einkommen. Unter einer SPÖ-Herrschaft ist der Abstand zwischen den Höchst- und den Min- destverdienem nicht kleiner geworden.

Fischer ärgert es zurecht, daß jeder, der über nicht leistungsgerechte Bezüge redet, als „Marxist“ und „Nivellierer“ verteufelt wird. Mehr Geld für mehr Leistung soll es geben - mehr Geld für mehr Luftposten nicht. Da müßten ihm eigentlich gerade auch die Herolde des Leistungslohnes voll beipflichten.

Natürlich fallen Fischer dazu als Beispiele immer wieder vor allem die Sondergebühren in Millionenhöhe bei gewissen Primarärzten in öffentlichen Anstellungsverhältnissen ein. Aber wenn man die Supergagen gewisser Sozialversicherungsdirektoren erwähnt, dementiert er auch diese nicht.

Er verficht weder eine staatliche Begrenzung der Gehälter, noch erwartet er sich von der Steuerpolitik mehr als einen „kleinen Beitrag“. Dagegen könnte er sich eine gewisse erzieherische Wirkung schon vorstellen, wenn nicht nur die Bezüge der Politiker, sdndern auch die von Direktoren verstaatlichter und vergesellschafteter Unternehmungen (Industrie, Banken. Landeselektrizitätsgesellschaften) einer Veröffentlichungspflicht unterlägen.

Fischer auf die Frage, wer denn für solche Vorschläge seine Verbündeten in der eigenen Partei wären: „Mein stärkster Bundesgenosse ist das Parteiprogramm der SPÖ.“ Eine eher papierene Allianz, wie man befürchten muß.

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