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Heiße Zeiten für Föderation

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Kurz nach den CSFR-Parlaments-wahlen vom 5. und 6. Juni erklärte Vaclav Benda, Vorsitzender der Christdemokratischen Partei, die in Koalition mit Vaclav Klaus Bürgerlich-demokratischer Partei kandidierte, daß die Wahlergebnisse in der Tschechei überraschend günstig, in der Slowakei überraschend ungünstig sind. Wer die politische Szene in der Tschechoslowakei in den letzten Monaten beobachtete, ist aber bestimmt nicht überrascht.

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Kurz nach den CSFR-Parlaments-wahlen vom 5. und 6. Juni erklärte Vaclav Benda, Vorsitzender der Christdemokratischen Partei, die in Koalition mit Vaclav Klaus Bürgerlich-demokratischer Partei kandidierte, daß die Wahlergebnisse in der Tschechei überraschend günstig, in der Slowakei überraschend ungünstig sind. Wer die politische Szene in der Tschechoslowakei in den letzten Monaten beobachtete, ist aber bestimmt nicht überrascht.

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Böhmen und Mähren wurden zur Domäne jener Partei, deren Vorsitzender Vaclav Klaus hartköpfig und inzwischen auch erfolgreich radikale ökonomische Reformen durchsetzt; von seiner Partei würde Klaus gerne von einer konservativen sprechen, es geht aber eher um eine liberale rechte.

Auf dem slowakischen Kampfplatz siegte die „Bewegung für eine demokratische Slowakei", deren Hauptvertreter Vladimir Meciar oft als ein national orientierter Populist bezeichnet wird. In der Presse nennt man seine Partei gewöhnlich eine Linksbewegung, sie selbst sieht sich aber in der Mitte des politischen Spektrums.

Der ganzen Föderation stehen heiße Zeiten bevor, Optimisten glauben, daß sich die beiden autoritativ auftretenden Obmänner der Siegerparteien auf einen Kompromiß einigen werden.

Die Wahlen in der CSFR zeigten auch, daß der Kommunismus in diesem Land keine Vergangenheit ist. Besonders die slowakische Nachfolgepartei der demokratischen Linken mit dem beliebten Peter Weiss an der Spitze errangen einen großen Erfolg mit dem zweiten Platz. Meciar merkte bei der Presskonferenz nach den Wahlen an, daß die Kommunisten gewonnen hätten, wäre da nicht seine Bewegung gewesen.

Einen größeren Gewinn in den tsche-chi sehen Ländern errangen die Sozialdemokraten und auch die Liberalsoziale Union, während die Bürgerliche Bewegung durchfiel. Weder die relative Popularität ihres Chefs, des Außenministers Jifi Dienstbier, noch die heimliche Unterstützung durch Präsident Vaclav Havel konnte dieser politischen Kraft helfen.

Sowohl in das Föderal- wie in das tschechische Parlament zieht die „Republikanische Partei" des Miroslav Slädek (FURCHE 24/1991) ein, die wegen des Radikalismus ihres Vorsitzenden und seiner scharfen Worte in alle Richtungen wegen eher für einen Outsider gehalten wurde. Sehr knapp und nur für das Republ iksparla-ment konnte sich die „Gesellschaft für Mähren und Schlesien" bei den Wählern qualifizieren.

An dritter Stelle in der Slowakei steht die „Slowakische Nationalpartei", die nach Selbständigkeit strebt, aber mit Verfassungsmitteln. Extreme Nationalisten, wie die „Bewegung für die Befreiung der Slowakei" oder die „Slowakische Volkspartei", fanden nur geringe Unterstützung.

Der Vertrauensschwund in die bisher herrschende „Christlichdemokratische Bewegung" von Premier Jan Camogursky (rund neun Prozent) wurde im großen und ganzen erwartet. Camogursky betonte, daß seine Bewegung als einzige Rechtsopposition eine Art Versicherungsrolle zu spielen gedenkt, bereit zu helfen, wenn das Land in eine Krisensituation gerät.

Das Schicksal der slowakischen Christdemokraten läßt sich mit dem Mißerfolg der christlichdemokratischen Union/Tschechoslowakische Volkspartei (FURCHE 16/1992) in den tschechischen Ländern (rund sechs Prozent) vergleichen. Der junge Vorsitzende Josef Lux trat in der Wahlkampagne zu selbstbewußt auf, unterschätzte wahrscheinlich die Realität, daß ein Teil der Wähler von der Rechten Klaus', ein Teil von der linken Mitte angezogen werden würde.

Vaclav Klaus beklagte zwar gleich nach den Wahlen, daß weitere Parteien des rechten Spektrums nicht reüssieren konnten, gab aber auch zu bedenken, daß es auf dieser Seite wahrscheinlich keinen weiteren Raum mehr gibt. Seiner Meinung nach sollten nur zwei Parteien rechts stehen, eine große und eine kleinere mit dem Buchstaben C: Daß Klaus hier an die kleine Koalitionspartei Vaclav Ben-das denkt, ist klar. Josef Lux meint, daß die paar Prozent seiner Partei wichtig für eine Regierungskoalition seien; der Partner Klaus auf dem Föderalniveau ist aber Vladimir Meciar. Die Volkspartei scheint ihre historische Chance verpaßt zu haben.

In der Slowakei schließtMeöiareine Koalition mit den Kommunisten und der Nationalpartei nicht aus. Klaus hält Abstriche von seinem radikalen Reformprogramm in einem Teil der Föderation für ausgeschlossen. Tatsache ist, daß sich Klaus und Meciar nicht persönlich angegriffen haben -deswegen erscheint ein Handlungsspielraum gegeben. Schon heute verlangt Meöiar eine Reduktion der Föderalregierung sowie die Auflösung des Föderalfemsehens und -rundfunks.

Viele westliche Medien prophezeien eine katastrophale CSFR-Dämme-rung und eine Balkanisierung des Landes - wobei aber nicht zur Kenntnis genommen wird, daß Meöiars Bewegung nicht so links ist, wie sie erscheinen mag, und Klaus' Partei nicht so rechts, wie sie sich gibt. Die beiden Führer verbindet Pragmatismus auf dem Weg zur Macht.

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