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Heißer Glaubenskrieg

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Nach Wochen des Heckenschützen-kampfes, ob Salzburgs Festspiele nun der Kunst oder dem Kommerz zu gehorchen hätten, ist in die Festspielstadt wieder Frieden eingezogen. Zumindest für ein paar Tage. Wohl gerade solange, bis der neue Festspielintendant, der 49jährige Belgier Gerard Mortier, sich wenigstens die schärfsten seiner vollmundigen Angriffe gegen Nutznießer der Festspiele auszusprechen verkneift.

Mortier, der flotte Plauderer, war plötzlich Stadtfeind. Alle hatten sich da Luft gemacht und „Dampf abgelassen": Die einen schäumten über seine Bemerkungen über Trachtenhändler und Fleischhauer, die ihre Auslagen mit* Künstlern aufputzen: Luxusgastronomen schimpften über die späten Beginnzeiten der Festspielveranstaltungen, denen sie die flauen Gastronomiegeschäfte zuschreiben. Bürgermeister Hans Lettner sprach vom „irreparablen Schaden", den Mortier Salzburg zufüge.

Die Plattenfinnen bangen (noch immer) um ihren Einfluß auf Künstlerbesetzungen der Festspielproduktionen, weil Mortier ihnen unmißverständlich den Kampf angesagt hat. Und Herbert von Karajans Nachlaßverwalter, der Zürcher Anwalt Werner Kupper, drohte zum Schlag gegen den scharfzüngigen Festspielintendanten auszuholen: hatte Mortier doch in einem Interview „mafiose Verbindungen" des Karajan-Imperiums zu den Plattenfirmen vermutet. Die Deut-

sehe Grammophon ließ das zwar kalt; aber Karajans Anwalt rief nach dem Kadi.

Mitten im fröhlichen Halali auf Mortier erschallten Ordnungsrufe ä la „Jedermann": Salzburgs Landeshauptmann Hans Katschthaler erkannte, daß dieses Gerangel geschäftlichen Schaden anrichten könnte und rief zur Mäßigung auf. Der Bürgermeister beteuerte, wie wichtig und richtig er das Festspiel-Reformprogramm fände. Und versicherte nach einem Krisengipfel, bei dem man mit Mortier abrechnen wollte, daß man ja nichts davon hätte, wenn „Herr Mortier seine Arbeit hinschmeißt".

Landfrieden in Salzburg? - Das „Salzburger kleine Welttheater" ist jedenfalls um eine Kabarettnummer reicher, bei der jeder hinter vorgehaltener Hand sagen darf: „Dem hab' ich's gegeben!" Aber alle, die die Zeichen des Umbruchs bei den Salzburger Festspielen zu deuten verstehen, ahnen doch, daß dieser Auseinandersetzung bald weitere folgen werden. Ein Glaubenskrieg zwischen dem „alten" Salzburg der Karajan-Zeit, das - wie etwa auch Luciano Pavarotti -von Mortier alles andere als geschätzt wird und zunehmend fernbleibt, und einem „neuen" Salzburg, das von jungem Publikum, preiswerten Eintrittskarten und einem Festival wichtiger junger Künstler träumt. Ob Karajans Erben das paßt oder nicht: Der quicklebendige kleine Belgier ist ein Garant dafür, daß in Salzburg vieles anders werden könnte.

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