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HEKTIK VOR DER WAHL

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Oberösterreich - ein Hort politischer und wirtschaftlicher Stabilität - hat die Herausforderung durch die Neugestaltung Europas angenommen. Mit viel Engagement und Phantasie knüpft das Land intensive Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft und den Nachbarn im Osten.

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Oberösterreich - ein Hort politischer und wirtschaftlicher Stabilität - hat die Herausforderung durch die Neugestaltung Europas angenommen. Mit viel Engagement und Phantasie knüpft das Land intensive Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft und den Nachbarn im Osten.

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Nach einem relativ ruhigen Wahlkampf gehen die Oberösterreicher am 6. Oktober zur Wahl. Es sind Landtags- und Gemeinderatswahlen, bei denen rund 953.000 Frauen und Männer ab dem 19. Lebensjahr wahlberechtigt sind. Fünf Listen sind nominiert: Liste 1 ÖVP, Liste 2 SPÖ, Liste 3 FPÖ, Liste 4 Vereinte Grüne Österreichs (VGÖ) und Liste 5 Grüne Alternative Liste (GAL).

Die Volkspartei, die unter ihrem populären Landesparteiobmann und Landeshauptmann Josef Ratzenböck im Landtag mit absoluter Mehrheit regiert, sieht sich einer Opposition gegenüber, deren Ziel es ist, diese absolute Mehrheit zu brechen. Das Mandats Verhältnis im oberösterreichischen Landtag lautet derzeit 30 ÖVP-, 23 SPÖ- und 3 FPÖ-Mandate. Daß es der ÖVP unter Ratzenböck gelungen ist, trotz ihrer Mehrheit nahezu alle Beschlüsse und Anträge im Land einstimmig durchzubringen, spricht für das bekannte „oberösterreichische Klima" der Zusammenarbeit der Parteien.

Das Land ist in vieler Hinsicht (Beschäftigtenzahl, geringste Arbeitslosigkeit trotz der Belastung durch den Personalschock, in der Verstaatlichten, gute Infrastruktur) buchstäblich ein Ober-Österreich. Der Landeshauptmann hat einen kaum mehr überbietbaren Bekanntheits- und Popularitätsgrad und gilt weithin als Symbol für politische Stabilität, Ausgewogenheit und wirtschaftlichen Fortschritt. Seine politischen Gegenspieler hatten da alle Mühe, zunächst einmal sich selbst im Volk bekannt zu machen. SPÖ-Spitzenkandidat Landeshauptmann-Stellvertreter Karl Grünner versuchte dies über einen Wien-Pariser Werbegag mit Plakatsprüchen: „Damit das Land Grünner wird" und FPÖ-Spitzenkandidat Hans Achatz stapelte - nach Volksmund -hoch, indem er plakatierte: „Achatz, damit das Land anders wird." Ein „anderes" Land unter Achatz? Mehr als Achatz „zog" Jörg Haider im Wahleinsatz.

Welche Ziele haben nun die Parteistrategen? Landeshauptmann Ratzenböck und seine ÖVP wollen natürlich weiterdie absolute Mehrheit im Landtag, zeigen sich dabei aber besonders gesprächsbereit nach allen Seiten. SP-Chef Grünner meinte, per Autotele-fon im Wahleinatz erreicht: ,,Wir wollen den Prozentanteil der SPÖ im Land von 38 auf 40 Prozent erhöhen" und nennt als Mandatsverhältnis: 27 ÖVP, 24 SPÖ und 5 FPÖ als Ziel. Auf die Frage nach den „Grünen" antwortet Grünner, sie werden wohl weiterhin nicht in den Landtag kommen. „Trotz aller Erfahrungen ist es den Grünen nicht gelungen, sich auf eine Liste zu einigen."

In der FPÖ hat Jörg Haider trotzig signalisiert, wenn die FPÖ ihre Mandatszahl - gerechnet auf die Situation nach den letzten Nationalratswahlen - nicht verdoppelt, dann trete er als Bundesobmann zurück. Was ihm nicht nur bei den Bürgern neuen Unmut, sondern auch Schelte seiner Stellvertreterin Heide Schmidt eingetragen hat.

Zerstrittene „Grüne"

Und die „Grünen"? Sie sind sich selbst nicht grün. Sie konnten sich auf keine gemeinsame Liste einigen und haben sogar noch wenige Tage vor der Wahl öffentlich gegenseitige Differenzen ausgetragen. „Grün" ist heute sicher eine Ideologie für gesunde Umwelt und Demokratie, die ankommt, aber gerade da argumentiert die ÖVP: „Wir haben schon grüne Politik gemacht, da wußten viele der jungen Grünen von heute nur, daß Grün eine Farbe ist." Und man nennt Beispiele, wie die teuren, aber lebenswichtigen Ringkanalleitungen etwa im Urlaubsgebiet des Attersees und die Freihaltung der Salzkammergutseen von Motorbooten. Es war der einstige ÖVP-Landeshauptmann Erwin Wenzl, der Ende der siebziger

Jahre die erste landesweite Umweltaktion der Welt initiierte.

Die Freiheitlichen sind mit dem 47jährigen Richter Hans Achatz aus Ried im Innkreis als Spitzenkandidat angetreten. Er ließ sich auf blauen Plakaten von Jörg Haider am Schopf aus der Unbekanntheit emporziehen und kämpfte tapfer gegen die mehrfache Malaise an, die ihm sein Bundesobmann mit allgemein schockierenden Eskapaden antat.

Der Spitzenkandidat der VGÖ, der Steyregger Vizebürgermeister Josef Buchner rackerte sich faktisch allein als sein einziger bekannter Wahl werber ab. Maliziös freut er sich, daß es gelungen sei, für seine Partei die Listennummer 4 zu erhalten. „Das is; doch ein klarer offizieller Beweis, daß die VGÖ klar vor der GAL, die etwa 3 Mandate zu machen erhofft, rangiert", sagt Buchner. Bei solchen Argumenten geht der ansonst ruhige Spitzenkandidat der GAL, der 46jäh-rige Mittelschulprofessor (Deutsch, Geschichte) am Gymnasium Kirchdorf, Wolfgang Mühllechner, auf wie der sprichwörtliche Germteig. Zu Buchner hin ätzt er, dieser setze doch nur auf „Verwechslungswähler" und erstaunlich erfolgfreudig meint Mühllechner, nach seiner Prognose werde die Wahl so ausgehen: 27 ÖVP zu 21 oder 22 SPÖ, 5 bis 6 FPÖ und 2 Mandaten für die GAL. Also keine Mandate für die VGÖ? „Nein" erklärt der parteilose Quereinsteiger Mühllechner, dem in den letzten Tagen vor der Wahl noch Grüne wie Voggenhu-ber und Peter Pilz werbend unter die Arme gegriffen haben.

Und wie sieht ÖVP-Spitzenkandi-dat Ratzenböck die Situation? Der gestandene Landespolitiker mit bundesweitem Image setzt wegen seiner Volksverbundenheit besonders auf die erstmalige Möglichkeit der Persönlichkeitswahl und der Vorzugsstimmen. Ganz entscheidend wird es aber sein, so Ratzenböck, daß keiner glaubt, es sei alles klar. „Gerade diesmal, da die Position der Volkspartei von allen so sehr bedrängt wird, kommt es auf jede gültige Stimme an" hebt Ratzenböck hervor.

Interessantes Detail am Rande: Zwei Landespolitiker könnten jedenfalls „verjüngt" in die neue Politik einziehen. Der Sohn des dritten Landtagspräsidenten Rudolf Trauner, der Jungverleger Rudolf Trauner, kandidiert für den Landtag. Auch in der Familie Ratzenböck scheint ein Josef Ratzenböck unter Jungkandidaten auf. Es ist der Sohn des Landeshauptmanns, der Linzer Mittelschulprofessor Josef Ratzenböck, der für den Linzer Gemeinderat kandidiert.

Überraschung am Wahltag?

Hektik in die Wahlszene in Oberösterreich brachte indes der Ausgang der Landtagswahl in der Steiermark, bei der ÖVP und SPÖ verloren, während die FPÖ kräftig zulegte. Zeitungstitel, wie „Haider stürzt das Denkmal Krainer" und„Krainer verliert Absolute, jetzt geht's um Ratzenböck" signalisieren der ÖVP, wie entscheidend diese Wahl sein wird, wenn die ÖVP ihre .Absolute" behalten will.

Landeshauptmann Ratzenböck meinte nach der Steiermark-Wahl: „Wer Josef Ratzenböck als Landeshauptmann haben will, muß auch hingehen und ihn wählen." Und Ö VP-Landesparteisekretär Franz Hiesl kommentiert: „In Oberösterreich gehen die Uhren anders. Jörg Haider war zwar im oberösterreichischen Wahlkampf im Dauereinsatz, zu wählen ist er aber nicht!".

SPÖ-Chef Grünner glaubt nach dem steirischen Wahlsonntag dennoch an leichte Gewinne, während FP-Lan-desobmann Norbert Gugerbauer vorsichtig optimistisch dem Wahltag entgegensieht. Und die Grünen hoffen auf einen „Ost-West-Zunahmetrend" im Umweltbewußtsein. Der Autor war stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung „Neues Volksblatt".

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