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Digital In Arbeit

Helft dem Land leben!

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Wenn ein großes Unternehmen Pleite macht, werden Politiker hektisch. Apathisch schauen sie hingegen zu, wenn in einer Region seit Jahren Arbeitsplätze’ verlorengehen.

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Wenn ein großes Unternehmen Pleite macht, werden Politiker hektisch. Apathisch schauen sie hingegen zu, wenn in einer Region seit Jahren Arbeitsplätze’ verlorengehen.

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Eumig ist pleite. Und nun sind sie alle gelaufen: Die Politiker und die Gewerkschaftsbosse, die Kammerfunktionäre und die Lobbyisten aller Sparten, um zu retten, was zu retten ist. Plötzlich sind dreitausend Arbeitsplätze in Gefahr gekommen.

Und der Staat hat auf einmal wieder Geld, um zu helfen: Pro gesichertem Arbeitsplatz gibt es 100.000 Schilling, zusätzlich gün-" stige ERP-Kredite.

Was hier bei Eumig geschah, ist ein Beispiel von vielen: Geht ein Großunternehmen pleite, wird alles getan, um mit allen (tauglichen und untauglichen) Mitteln Ersatz zu schaffen.

Was aber geschieht dort, wo seit Jahren in einer Region dauernd mehr als 5000 Arbeitsplätze fehlen? Wo eine Region laufend ausblutet, weil ihre besten Kräfte im erwerbsfähigen Alter abwandern oder unzumutbare Pendelentfernungen in Kauf nehmen müssen?

Wo die Einkommen unterdurchschnittlich gering sind?

Sehr wenig. Ein Bündel von Versprechungen, gelegentlich verbale Lippenbekenntnisse, im besten Fall Programme und ab und zu vereinzelte strukturelle Verbesserungen: Das ist alles, was zu haben ist.

Ein typisches Beispiel für eine solche Region - gewiß aber nur eines unter vielen - stellt das Obere Mühlviertel dar.

Ein beträchtlicher Teil der Erwerbstätigen dieses Gebietes sind Pendler. Die Pendelentfernungen sind objektiv unzumutbar. Die Kaufkraft im Gebiet liegt weit unter dem österreichischen Durchschnitt. Der Bezirk gehört zu den einkommensschwächsten von ganz Österreich. Die Abwanderung geht weiter.

Ein Bündel von Gründen ist dafür verantwortlich. Die einen sind politischer Natur: Die politische Vertretung des Gebietes ist nicht sehr stark, die Mandatare des Gebietes brauchen immer wieder

den Segen ihrer Länderparteifür-sten.

Natürlich: Das Einwohnerpotential und (viel entscheidender) das Wählerpotential des Gebietes ist gering. Die Menschen sind in so großer Mehrheit dem Lager einer Partei zuzuschreiben, daß sie sich sogar sagen dürfte: Die Mehrheit wählt uns ohnehin immer wieder, mag geschehen, was will. Und die andere Partei sieht hier kein Hoffnungsgebiet. Keine Partei engagiert sich damit intensiv für das Gebiet.

Jahrelange Versäumnisse wirken sich immer stärker aus. Es

fehlt in vieler Hinsicht an infrastrukturellen Voraussetzungen, die erst mühsam geschaffen werden müßten.

Noch immer leidet das Gebiet zudem unter den Nachwirkungen der russischen Besatzungszeit: Während in anderen Gebieten aufgebaut wurde, wurde im Oberen Mühlviertel noch demontiert. Eine Ursache liegt auch in der mangelnden Koordination von Schul- und Arbeitsmarktpolitik, wobei die Schulpolitik zur Förderung der Abwanderung führte.

Eine weitere Ursache liegt in der Mentalität der Bevölkerung

selbst: Sie ist nicht sehr wagemutig, scheut Risiko und Eigenverantwortung. Aber die Arbeitsmoral ist noch hoch und die Einsatzbereitschaft groß.

Dazu kommen generelle wirtschaftliche Gegebenheiten, die Randlagen benachteiligen und Zentrallagen begünstigen.

Ein weiterer Grund: Es fehlen gezielte Sanierungskonzepte, um dem Gebiet zu helfen. Zwar gibt es dort und da allgemeine Zielerklärungen. Aber ein konkretes Konzept, mit konkreten Projekten und einem praktikablen Zeitplan für Sanierungsschritte ist immer noch nicht vorhanden.

Wo es konkretere Aussagen gäbe, wie etwa im oberösterreichischen Raumordnungsgesetz, fehlen wiederuni die Ausführungsbestimmungen.

Wie soll es nun weitergehen? Eines ist gewiß: Die Mittel, gleichzeitig der Stadt ihre Verschwendungsmöglichkeit und den ländlichen Problemgebieten echte Sanierung zu gewähren, sind einfach nicht vorhanden. Deshalb ist eine klare Entscheidung notwendig: Die Not der ländlichen Problemgebiete kann nur durch einen Verschwendungsstopp der Städte finanziert werden!

Um dies politisch verwirklichen zu können, scheint es nur einen Weg zu geben: Die Gründung einer „Landsolidarität". Sie meint nicht eine eigene politische Partei, sie meint die Einigung und Solidarisierung aller Menschen des ländlichen Räume gegen den zerstörenden Eigennutz der Städte.

Die „Landsolidarität" müßte nach Art einer Gewerkschaftsbewegung organisiert sein, sie vertritt aber nicht die Interessen einer bestimmten Berufsgruppe, sondern die Interessen aller Menschen des ländlichen Raumes.

Ob Arbeiter (speziell Pendler) oder kleiner Handwerker oder Gewerbetreibender, ob Bauer oder Bäuerin, ob Pensionist oder ländlicher Konsument: Sie alle leiden unter den Dauerbenachteiligungen der ländlichen Problemgebiete. Sie haben daher ein starkes gemeinsames Interesse, den ländlichen Raum zu sanieren.

Eine „Landsolidarität" wäre wohl das einzige Mittel, auf die Politiker, auf die öffentliche Meinung, auf Massenmedien und Körperschaften so lange Druck auszuüben, bis ernsthafte Schritte zur Sanierung gesetzt werden.

Der Autor, Sekretär der Aktiongemeinschaft Oberes Mühlviertel, ist Pfarrer in Niederkappel.

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