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Hellas: Liberal ist Wahltrumpf

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In Hellas tobt bis zum 2. Juni sein kürzester, doch heftigster Wahlkampf. Das bürgerliche Lager ist zum Sturm auf das dreieinhalbjährige Experiment des Linkssozialisten Papandreou angetreten. Die Schiachtum fast sieben Millionen Wähler kennt nur eine Schranke: ein Abkommen aller Parteien gegen Umweltschäden durch Lärm, Großkundgebungen und wildes Plakatieren.

Die 300 Abgeordneten des Athener Parlaments, das den altgriechischen Namen „Boule” trägt, sind am 6. Mai nach Hause geschickt worden. Die Legislaturperiode wäre erst im Oktober zu Ende gegangen. Doch hatte um Ostern eine umstritten knappe Mehrheit den Kandidaten von Sozialisten und Kommunisten, Christos Sartzetakis, zum neuen Präsidenten der griechischen Republik gewählt.

War schon das verfassungsrechtlich umstritten, wollte Regierungschef Andreas Papandreou mit seiner schwachen „Volks-front”-Mehrheit auch noch Verfassungsänderungen durchpeitschen, ehe das Parlament vor den ursprünglich fälligen Herbstwahlen in die Sommerferien ging. Die bürgerliche Opposition sprach von einer konstitutionellen Krise und verlangte die sofortigen Neuwahlen.

Die ganze Lage erinnerte an das Frühjahr 1967. Damals wurden ähnlich kritische Verhältnisse, zu denen noch der Vater von Andreas, Georgios Papandreou, beigetragen hatte, für den Militärputsch des dann sieben Jahre an der Macht befindlichen Diktators Papadopoulos verantwortlich. Auch jetzt lag in Athen eine Intervention der Streitkräfte in der Luft.

Papandreou, der seit 1981 Ministerpräsident und Verteidigungsminister ist, hat sogar die ihm innenpolitisch nahestehenden Generäle mit seiner USA- und NA-TO-feindlichen Politik vor den Kopf gestoßen. Dazu kommt sein Kollisionskurs zu den türkischen Nachbarn. Die Militärs hingegen wissen, daß selbst ein lokal begrenzter Waffengang gegen die Türkei zu einer ähnlichen Katastrophe wie 1974 auf Zypern führen muß.

Papandreou und seine „Panhellenische Sozialistische Bewegung” (PASOK) hatten viele Gründe, der Vorverlegung des Wahltags auf den 2. Juni zuzustimmen. In ihrem politischen Hauptquartier von Kastri gaben allerdings noch andere, taktische Überlegungen den Ausschlag:

Bei den ohnedies seit eh und je besonders wankelmütigen griechischen Wählern läuft der Trend immer gegen die jeweils regierende Partei. Die Wahlen von 1981 hatte das PASOK unter dem Motto der „Allagi”, des „Wandels” gewonnen; mit Zuwachs aus dem

Mittelstand wie von den vorher kommunistischen Wählern.

Den einen ist nun Papandreous Wandel in der Außen-, Kultur-, Religions- und Wirtschaftspolitik schon viel zu weit gegangen. Gerade im städtischen Kleinbürgertum bröckelt die Gefolgschaft der Sozialisten bedenklich ab.

Von links drohte bis dahin ein Schulterschluß zwischen der moskautreuen und der eurokommunistischen KP unter Florakis und Kyrkos. Jetzt ziehen beide hingegen noch als Rivalen in den Wahlkampf. Papandreou kann hoffen, daß sich die Kommunisten untereinander verzetteln.

Rivale Mitsotakis

Dazu kommt Papandreous bei der Präsidentenwahl geschlossener Pakt mit der kommunistisch-linkssozialistischen EDA; der hätte kaum den Sommer überdauert. Jetzt hingegen könnte er der Regierungspartei das für die geplante Verfassungsänderung wichtige Mandat zur Vierfünftel-Mehrheit im neuen Parlament einbringen — falls Papandreou seinen Stimmenstand von 1981 hält.

Dafür muß er auf dem Land dazu gewinnen, was in Athen und den anderen Städten verlorenzugehen droht.' Den griechischen Bauern hat PASOK tatsächlich Wahlgeschenke in Milliardenhöhe anzubieten — natürlich nicht aus Papandreous leeren Inflationskassen; er hat sie den EG-Partnern als Kaufpreis für die Zustimmung Griechenlands zum Beitritt von Spanien und Portugal abgeknöpft.

Konstantin Mitsotakis, Chef der bisher bürgerlich-konservativen „Neuen Demokratie”, gab sein Debüt Anfang Mai in der kretischen Heimat. Er war früher ein Linksliberaler und enger Mitarbeiter von Papandreou senior. Uber die Heranziehung des bis 1964 als Professor in den USA lebenden Andreas war es dann zum Bruch zwischen Mitsotakis und der liberalen Zentrumspartei gekommen, der Vorläuferin des heutigen PASOK.

Jetzt führt der Kreter den Wahlkampf von Anfang an unter dem Anspruch, daß er und nicht „der Andreas” politisch legitimer Erbe des großen Liberalen Georgios Papandreou sei. Seine Partei nennt sich jetzt „Liberale Neue Demokratie”. Allerdings ist es Mitsotakis nicht gelungen, die anderen, nicht im PASOK aufgegangenen liberalen Parteien auf seine Seite zu ziehen.

Die „Neuen Liberalen” versuchen sich unter Niketas Venizelos, der ebenfalls einer großen liberalen Familientradition verpflichtet ist, im Alleingang. Das „Demokratische Zentrum” hat seine Liste mit dem PASOK und nicht mit der „Neuen Demokratie” gekoppelt: Alles Umstände, die das Duell Papandreou-Mitsotakis in seinem Ausgang völlig offen lassen.

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