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Hellas: Warum Minister Arsenis stürzen mußte

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Griechenlands Premierminister Andreas Papandreou will einen realistischeren Wirtschaftskurs steuern. Der bisherige Wirtschaftsminister Gerasimos Arsenis mußte deshalb seinen Hut nehmen.

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Griechenlands Premierminister Andreas Papandreou will einen realistischeren Wirtschaftskurs steuern. Der bisherige Wirtschaftsminister Gerasimos Arsenis mußte deshalb seinen Hut nehmen.

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Arsenis ist vor allem an seinen „Verstaatlichungen auf Umwegen”, einer restriktiven Einkommenspolitik und seinen fragwürdigen „Normalisierungs-Maßnahmen” im griechischen Gewerkschaftswesen gescheitert. Der von ihm ausgearbeitete Fünfjahresplan 1983-1987 sollte einerseits die nationale Unabhängigkeit und die Volkssouveränität, andererseits eine soziale Befreiung auf demokratischen Grundlagen unterstützen.

Sieht man von diesen weitgehend demagogischen Momenten ab, so besteht die Ausrichtung des Planes vor allem darin, bis in zwei Jahren ein Wachstum des Bruttosozialproduktes zwischen 3,5 und 4 Prozent zu erreichen und rund 270.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Stattdessen gab es jetzt zur Halbzeit des Planes eine De-Fac-to-Verarmung der Griechen und galoppierende Arbeitslosigkeit. Papandreou mußte im Mai während des Wahlkampfes versprechen, wenigstens gegen die Jugendarbeitslosigkeit wirksam vorzugehen und einen realistischeren Wirtschaftskurs einzuschlagen. Aber auch Arsenis erhielt dann beim Urnengang so viele Vorzugsstimmen, daß er bei Bildung der Ubergangsregierung vom Juni/Juli noch nicht ausgeschlossen werden konnte.

Inzwischen sind aber die Hauptkrisenherde Inflation, Arbeitslosigkeit und Investitionsabstinenz der Industriellen so drastisch geworden, daß ein Sündenbock der „Volkswut” geopfert werden mußte.

Mit den griechischen Privatunternehmern hatte sich Arsenis bis zu seinem Sturz besonders angelegt. Er teilte die Industriellen in gute und schlechte Kapitalisten ein. Von diesen werde das Geld in Hellas investiert, von jenen aber ins Ausland geschickt.

Es handle sich dabei außerdem um „problematische” Unternehmen, die wegen großer Schuldenlast nicht mehr imstande seien, sich aus eigener Initiative zu erholen. Die darauf vom Staat für Investitionen zur Verfügung gestellten, beträchtlichen Mittel seien illegal nach der Schweiz, Off-shore-Banken im Nahen Osten und nach der Karibik ausgeführt worden.

Als Rezept dagegen versuchte sich Arsenis mit einer „Sanierung” in Form der Umwandlung des geschuldeten Fremdkapitals dieser Privatunternehmen in Aktien, die vom Staat übernommen wurden. Bekanntester Fall einer solchen verschleierten Verstaatlichung, wo der Gedanke einer innerbetrieblichen Machtergreifung durch Regierungsfunktionäre im Vordergrund stand, war der weltbekannte Textilkonzern der „Peiraiki-Patraiki”.

Mit dieser Aufblähung des öffentlichen Sektors ging eine Bü-rokratisierung Hand in Hand. Die schöpferische, gerade in einem Land der Individualisten wie Griechenland so wichtige Privatinitiative wurde im Keim erstickt.

Im Fall des Vorgehens gegen die Zementunternehmen Iraklis-Aget gab es im Regierungslager die ersten Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit und taktische Klugheit des Konzepts von Arsenis. Als dieser dann gar erklärte, eine „Industrie ohne Industrielle” anzustreben, war er im Regierungsflügel, wenn auch nicht beim Fußvolk der „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung” (PASOK) völlig abschußreif.

Der „Superminister” für alle wirtschaftlichen Belange versuchte darauf in seinen Richtlinien für 1985 bei den unselbständig Erwerbstätigen den Eindruck zu erwecken, daß sie dieses Wahljahr für die Lohneinbußen kompensieren werde, die sie 1983/84 auf sich nehmen mußten.

Während Italien endlich von der „scala mobile” abrückte, bekannte sich Arsenis zu einer „automatischen Anpassung an den Lebenskostenindex” (ATA) mit einer vorläufigen Höhe von 24 Prozent. In der Praxis wurde dieses Wahlgeschenk jedoch von Anfang an durch Zahlungsverzögerungen und andere Manipulationen verwässert, weil das nötige Geld einfach nicht in den Kassen war.

Streikverbot-Erlaß

Mit dem „Allgemeinen griechischen Gewerkschaftsbund” (GSEE) hatten sich Arsenis und sein Regierungschef Papandreou von Anfang an so herumschlagen müssen, daß sie ihm schließlich durch Gerichtsbeschluß eine „Provisorische” Leitung aus parteikonformen Funktionären einsetzen ließen. Ende 1983 wurde dann ein neuer Gewerkschaftsvorstand gewählt, von dem die christlichen Gewerkschafter der Organisationen ADISK und AS-

DIK von vornherein ausgeschlossen blieben.

Die Papandreou-Anhänger der PASKE stellen seitdem 26, die zwei kommunistischen Fraktionen des „Demokratischen Kampf-Bundes” (DAS) 19 Vertreter im Vorstand der GSEE. Doch auch sie konnten nicht verhindern, daß der Gewerkschaftsbund 1984 ein generelles und äußerst unpopuläres Streikverbot in allen Staatsbetrieben und öffentlichen Leistungs-Organisationen dekretierte. Nach alledem tritt Arsenis-Nachfolger, Kostas Simitis, ein schwieriges Erbe an.

Schwieriges Erbe

Inzwischen hat sich auch die Linie des neuen griechischen Außenministers Karolos Papoulias bei seinem Debüt in Helsinki herauskristallisiert. Schon bisher war er dem eher konventionellen Außenminister Charalambopou-los als stellvertretender Linksaußen beigegeben. Jetzt hat er dessen Politik einer engen Zusammenarbeit mit den kleineren . kommunistischen Nachbarn auf dem Balkan zugunsten einer klaren Hinwendung zur Sowjetunion korrigiert.

Dafür ist vor allem verantwortlich, daß die besonders enge Zusammenarbeit mit Bulgarien nicht die in Athen erhofften Ergebnisse gebracht hat: Der bulgarische Staats- und Parteichef Schiwkow verweigerte das enge Zusammenspiel gegen Ankara, von dem sich Hellas Vorteile auf Zypern und für die Türkei-Griechen erwartet hatte.

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