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Hellsichtig im Dunkel

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(Burgtheater, Wien) Das Burgtheater ist einer gewaltigen Aufgabe, an die sich keine andere Wiener Bühne hätte wagen dürfen, gerecht geworden. 45 Jahre nach der Entstehung sieht Wien die erst vor wenigen Jahren ur-aufgeführte „Komödie der Eitelkeit“ von Elias Canetti. Ein gewaltiges Werk, das zwar in der Wiener Sprache angesiedelt ist (Canetti hat lang in Wien gelebt), dessen Thema aber nicht der Wiener ist, sondern der Mensch.

Der Philosoph Canetti schrieb es nach jahrelanger Beschäftigung mit dem Phänomen der Masse: „Als 1933 die große Beschleunigung in die Welt kam, die alles mit sich fortreißen sollte, hatte ich ihr theoretisch noch nichts entgegenzusetzen und empfand die starke innere Nötigung, darzustellen, was ich nicht verstand.“

Was an der „Komödie“ fasziniert, ist der hellsichtig klare Blick Canettis auf den Menschen im Strudel dunkler, nicht durchschaubarer Ereignisse: Ein allgemeines Verbot der Spiegel und der Bilder verändert grundlegend die Beziehungen der Menschen. Was die „Komödie“ so liebenswert macht, ist die Sympathie, die Wärme, mit der Canetti auf der Suche nach dem Wesen der Masse den einzelnen Menschen behandelt.

Unter der Regie von Hans Hollmann springt das Burgtheater über seinen eigenen Schatten. Da fallen alle schlechten Burgtheatergewohnheiten von den Schauspielern ab, da schmilzt die Routine, jeder der vielen, vielen Darsteller ist ganz er selbst mit seinem ganzen Können, und dabei gibt es, was gerade an diesem Haus so selten ist: Regie als bewußte Gestaltung gesprochener Sprache Wort für Wort im Zusammenwirken von Darsteller und Regisseur.

Die Massenszenen: durchgestaltet wie nur selten in einer Aufführung. Das Bühnenbild von Wolfgang Mai: eine mächtige, lärmende Maschine, abstrakt, technisch, aber ein Wesen, das bedroht. Und: Kein Detail ist zufällig, und jedes steht in enger Beziehung zum Text.

Für mich ist diese Aufführung eine der besten der bisherigen Ära Benning, und ihre Aufzeichnung für Fernsehen und spätere Zeiten ist eine Notwendigkeit

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