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Henkertod für Österreich

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Dictis verbis morior" — „Mit diesen Worten sterbe ich": Mit Bleistift ist dieser lateinische Satz über der Lesung des Tages ins Brevier geschrieben.

„Euge, serve bone et fidelis" — „Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges getreu gewesen bist, will ich dich über vieles setzen", spricht der Herr, halleluja! Auch das Datum ist vermerkt: 10. Mai 1944,16 Uhr.

Zwei Stunden später starb der 32jährige Roman Karl Scholz unter dem Fallbeil. In den Akten der Geheimen Staatspolizei vom 17. Dezember 1940 ist das Delikt festgehalten, daß „seitens reaktionärer Kreise" angestrebt werde, „den Zusammenschluß von oppositionell eingestellten Personen herbeizuführen und in staatsfeindlichen Organisationen mit dem Ziel einer Zersplitterung des Großdeutschen Reiches zu sammeln."

Roman Scholz war am 22. Juli 1940 verhaftet worden, nach vierjähriger Haft in verschiedenen Gefängnissen wurde er am 23. Februar 1944 zum Tod verurteilt und am 10. Mai mit 20 anderen Freiheitskämpfern hingerichtet.

„Vergnügen ist der Henkertod ja keines, noch weniger das Auf-ihn-Warten", schrieb der Augustiner-Chorherr am 15. Februar 1944 in einem Abschiedsbrief an seine Mitbrüder in Klosterneuburg. Und er nannte in diesem Brief sein Schicksal eine „Tragikomödie".

Eine Tragikomödie: Scholz war 1912 in Mährisch-Schönberg geboren worden und war schon als Bub von den nationalen Ideen der Sudetendeutschen begeistert. Auch nach seinem Eintritt in das Chorherrenstift Klosterneuburg fiel er anfangs durch seine Sympathien für nationalsozialistisches Gedankengut auf. Aber als er die Praxis in Deutschland nach der Machtergreifung beobachtete, erkannte er sehr bald, daß sie mit seinen Idealen nichts zu tun hatte. Gerade weil er sich intensiv mit dieser Problematik beschäftigt hatte, konnte er seine Bedenken weitergeben: als Religionslehrer am Gymnasium in Klosterneuburg (von April 1938 bis November 1939), als Dozent für Moderne Ideologie und Christliche Philosophie im Stift (von Jänner 1939 bis zu seiner Verhaftung).

So fanden sich bereits 1938 Menschen zusammen, die den Nationalsozialismus radikal ablehnten, die an Österreich glaubten und es nicht einfach hinnehmen wollten, daß es dieses Österreich nicht mehr geben sollte. Aber gab es reale Möglichkeiten, sich gegen die Ubermacht durchzusetzen?

Eine Tragikomödie: Gerade Roman Karl Scholz sah die Möglichkeiten sehr nüchtern. Er legte größten Wert auf ideologische Schulung, er wollte eine österreichische Elite heranbilden, die für den Tag X vorbereitet war. Denn daß der Spuk des Nationalsozialismus vorübergehen würde, davon war er überzeugt.

„Ihr seid die Herren des Heute", heißt es in einem seiner Gedichte, „Heute wird gestern. Wir sind das Morgen!" Die Lage des Heute sah er realistisch: nach der Kapitulation Frankreichs hielt er es für zwecklos, zu diesem Zeitpunkt irgendwelche Aktionen zu starten.

Es gab aber im engsten Vertrautenkreis einen, der zu Terrorakten drängte. Scholz selbst wollte nur den ideologischen Kampf verstärken. Aber es war dem Einfluß Otto Hartmanns zuzuschreiben, daß für den Juni 1940 Terrorakte geplant wurden. Otto Hartmann, „der sein Verräter wurde".

Eine Tragikomödie: „Hättet Ihr ihn den Franz Moor spielen lassen, wäre er nicht auf solche Gedanken gekommen!" sagte ein Gestapo-Mann von Burgschauspieler Otto Hartmann zu anderen Mitgliedern des Burgtheaters. War es wirklich nur der unbefriedigte Ehrgeiz eines unterbeschäftigten kleinen Schauspielers, der Roman Karl Scholz und anderen Widerstandskämpfern den Tod brachte?

Die Rolle, die Otto Hartmann wirklich spielte, wurde nie ganz geklärt. Das Schicksal des Augustiner-Chorherren aber war besiegelt. Eine Tragikomödie mit tödlichem Ausgang.

„Was ich bisher durchgemacht, war ein Fegefeuer. Was jetzt bevorsteht, gibt der Hölle nicht viel nach. Ohne Gottes Gnade wäre es nicht leicht zu tragen, in Ihm vermag man alles", schrieb Roman Karl Scholz in seinem Abschiedsbrief. Aber er nützte die Zeit des „Fegefeuers", die Zeit der Haft.

Die meisten seiner Gedichte und auch sein Prosawerk „Gone-ril" entstanden im Gefängnis. Er diktierte sein literarisches Werk in die Nachbarzelle. Burgschauspieler Fritz Lehmann wurde in der Zeit der Haft sein Freund und Vertrauter. Lehmann wurde — ohne Gerichtsverhandlung — freigelassen. Ihm sagte Roman Karl Scholz, daß es sein Traum gewesen wäre, als „Dichter des Wienerwaldes" bekannt zu werden.

Er wurde bekannt als Märtyrer für Österreich.

„Im Leben bin ich leider meinem Herrn und Meister so wenig gefolgt. Jetzt im Sterben darf ich sein Jünger sein. Wieviel darf ich mit meinem Gott gemeinsam haben! Euer Gebet und Gedenken wird mir die Kraft erflehen, weiter wie ein Mann und Christ zu dulden und auch das Schwierigste im Leben zustande zu bringen: das rechte Sterben!"

Zum Gedenken an den 40. Todestag von Roman Karl Scholz zelebriert Generalabt Prälat Gebhard Koberger am Donnerstag, 10. Mai, um 18.30 Uhr eine Gedächtnismesse in der Kirche St. Jakob, Wien-Heiligenstadt, Pfarrplatz 3. Um 19.30 Uhr liest Burgschauspieler Prof. Fritz Lehmann aus den Werken Roman Karl Scholz' im Beethovensaal, Pfarrplatz 3.

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