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Herausforderung für die Kirche

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Ein halbes Jahr ist seit der gesamt-österreichischen Pfarrgemeinderats-Wahl (PGR-Wahl) vergangen, der neue PGR hat sich konstituiert und damit zusammen mit dem Pfarrer die Verantwortung für die Pfarrgemeinde übernommen. Der PGR ist jenes gewählte Gremium der Pfarre, „... das den Pfarrer bei der Leitung der Pfarre mitverantwortlich unterstützt und - im Rahmen der diözesanen Gesetzgebung - die Fragen des pfarrlichen Lebens berät, zusammen mit dem Pfarrer entscheidet und für die Durchführung der Beschlüsse sorgt" (Paragraph 1 des PGR-Statutes der Diözese Graz-Seckau).

Mit diesen Sätzen wird dem PGR viel zugetraut, fünf Thesen*) zeigen auf, wie der PGR als Einrichtung zur Leitung der Pfarrgemeinde verstanden werden kann.

1. Alles Leben in der Kirche, jedes Mittun, jede Verantwortung gründen in der Berufung durch Jesus Christus - in dem, was jemand durch die Taufe geworden ist. Die erste Frage für einen Pfarrer sollte daher nicht sein, was er an Pfarrgemeinderäte und andere Ehrenamtliche delegieren soll, sondern was genuin allen in der Pfarrgemeinde - Priestern, hauptamtlichen Laien, ehrenamtlichen Laien - an Arbeit, Entscheidung, Verantwortung zukommt.

2. Wenn Laien in der Pfarrgemeinde mitarbeiten und Mitverantwortung übernehmen, heißt das nicht, daß sie auch etwas tun, auch etwas entscheiden, was normalerweise ein dazu in erster Linie Befugter tut oder entscheidet. Vielmehr heißt das: Miteinander arbeiten, gemeinsam entscheiden und verantworten. Alle -Priester und Laien - sind in diesem Sinne Mitarbeiter Christi.

Das ehrenamtliche Tun von Laien in der Pfarrgemeinde darf nicht bloß daran gemessen werden, wie weit jemand ganz konkrete Arbeiten übernimmt. Ebenso wichtig ist es, daß jemand sein Denken einbringt, seine Meinung, seine Erfahrung, seine Begabung. Das gilt besonders für Pfarrgemeinderäte.

3. Mitverantwortung im obigen Sinn kann sich nur dort entfalten, wo die spezifische Verantwortung des je anderen ernst genommen wird. Den PGR kann man sehen als einen Ort für den Dialog zwischen unterschiedlichen Verantwortungen, für den Dialog zwischen Amt und Mandat (Amt des Pfarrers, des letztverantwortlichen Leiters der Gemeinde; Mandat der gewählten Repräsentanten der Gemeinde.

4. Die spezifische Kompetenz der Pfarrgemeinderäte ist in ihrem Mandat begründet: Viele in der Pfarre trauen den gewählten Frauen, Männern und Jugendlichen zu, daß sie mit ihrer Lebenserfahrung, mit ihrer Form

von Gläubigkeit und Kirchlichkeit die Anliegen der Pfarrbevölkerung, des Gottesvolkes an diesem Ort, vertreten können.

Der PGR bringt die Realität des Gottesvolkes, die Weise wie die Leute in der Pfarre wirklich denken, glauben und leben in die Leitungsverantwortung für die Pfarrgemeinde ein.

5. Der Pfarr-Gemeinderat als Leitungseinrichtung ist letztlich nur sinnvoll, wenn er auf eine Pfarr-Gemein-de bezogen ist, das heißt auf Menschen, die auf Grund ihrer territorialen (oderkategorialen) Zugehörigkeit einer bestimmten Christengemeinde zugeordnet sind.

Aus den genannten Thesen ergibt sich die Notwendigkeit, für die Arbeit in/mit den Pfarren, speziell mit dem PGR in der Bildungsarbeit folgende Themen zu berücksichtigen:

□ das gemeinsame Priestertum aller Getauften (die Berufung aus Taufe und Firmung mit den daraus folgenden Rechten und Pflichten),

□ die klare Unterscheidung: was ist ein Mitarbeiterkreis der Pfarre - was ist ein gewähltes Vertretungs- und Entscheidungsgremium,

□ den Dialog als Prinzip der PGR-Arbeit (dafür sind Grundlagen und Praxis notwendig),

□ das Selbstverständnis des PGR als gewählte Vertretung aller Pfarrangehörigen in einer synodalen Kirche,

□ Inhalt des Zweiten Vatikanischen Konzils,

□ das spirituelle Selbstverständnis des PGR als Vertretung aller Pfarrange-hörigen.

So werden dem Pfarrgemeinderat als Einrichtung zur Leitung der Pfarre zu den verwaltungstechnischen Aufgaben folgende Aufgaben deutlicher bewußt werden müssen: Erkennen der Berufung aller Getauften und Wissen um deren Subjekthaftigkeit, Aufspüren der „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst, besonders der Bedrängten", Freilegen der Begabungen zum „Aufbau derGemeinde", und gemeinsames Unterwegssein in der Gefolgschaft Jesu.

PGR als Gemeindeleitung ist daher

nicht nur eine Herausforderung für diese selbst, sondern für die ganze Pfarrgemeinde, für den Pfarrer, für die Kirche. Sollten sich unsere Pfarrgemeinden, die Diözesen davor fürchten, näher am tatsächlichen Leben der Menschen verantwortlich dran zu sein, weil die Pfarrgemeinde von Menschen mitgeleitet wird, die die ganze Bandbreite des Lebens repräsentieren und die vielfältigen Hoffnungen auf Gott?

*) Diskussionsgrundlage auf der PGR-Refe-rententagung im Mai 1992 in Eisenstadt vorgelegt von Pastoralamtsleiter Gerhard Platzer, Graz.

Der Autor ist PGR-Referent der Diözese Graz-Seckau.

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