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Herbst mit Nebel

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Die konjunkturelle Großwetterlage in Österreich hat sich in den letzten Wochen unter dem Einfluß der weltweiten Besserungstendenzen ein wenig aufgehellt. Dennoch läßt sich noch keine sichere Prognose über Dauer und Intensität der konjunkturellen Klimaverbesserung stellen. Darunter laborieren insbesondere die für eine breite und tiefgreifende Aufwärtäbewegung lebenswichtigen Industrieinvestitionen. Trotz zinsgünstiger Kredite halten sich die Unternehmen damit zurück, weil sie noch immer nicht glauben können, daß das Hoch bis weit in das nächste Jahr hineinreichen wird. Angesichts einer noch immer sehr unibefriedigenden Auftragslage und Kapazitätsauslastung werden bestenfalls Ratio-nalisierungsinvestitionen riskiert, Erweiterungsinivestitionen, von denen letztlich die Schaffung neuer Arbeitsplätze abhängt, dagegen, zurückgestellt.

Generell wird das Investitionsklima in Österreich durch die nach wie vor in den meisten Fällen unbefriedigende Ertragslage, beziehungsweise Ertragsaussicht beeinträchtigt. In der langen Rezessionsphase ging viel Substanz verloren, sackten die Eigenkapitalsquoten der Unternehmungen stark ab. Hier wird sich die Bundesregierung etwas einfallen lassen müssen, soll der Aufschwung nicht nur ein kleines Zwischenhoch bleiben. Insbesondere die geplante Erhöhung der Vermögenssteuer (man rechnet mit einer Erhöhung auf ein Prozent per 1. Jänner 1977) hat in diesem Zusammenhang so gar keine konjunkturpolitische Berechtigung. Und erst recht will nicht die von Finanzminister Dr. Androsch ebenfalls geplante Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 20 Prozent (per 1. Juli 1977) in das Bild einer planvollen Konjunkturpolitik passen.

Wie überhaupt au fürchten ist, daß letztlich das anhaltende inflationistische Treäbhausküima zum Schicksal der langsam anlaufenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung in Österreich werden wird. Kommt die Konjunktur tatsächlich in Fahrt, so schlagen die Inflations-Bäume aus, und die Bundesregierung wird nicht umhin können, der Teuerung über eine mehr oder weniger stark angezogene Kreditbremse Fallstricke zu legen. Davon wären aber insbesondere die längerfristigen (Groß-)Inve-stitionen unmittelbar berührt; ihre Rentabilität wäre in Frage gestellt, die' Unternehmer würden ihre Vornahme wahrscheinlich sistieren müssen.

Trotz eines Anstieges der österreichischen Exporte im ersten Halbjahr 1976 um nominell 11,8 Prozent {von 63,4 auf 70,9 Milliarden Schilling) tritt die Exportwirtschaft nach wie vor auf der Stelle. Während die Exporte in die Bundesrepublik

Deutschland weiter wachsen, stagnieren die Ausfuhren auf andere wichtige Märkte, wie die Schweiz, Großbritannien und die USA. Die Exporte nach Osteuropa sind, anders als vor einem Jahr, sehr stark rückläufig. Die Währungspolitilk der Bundesregierung in den letzten Jahren war leider nicht dazu angetan, die Schwierigkeiten im Exportgeschäft abzubauen. Nationalbank und Finanzminister legen größtes Gewicht auf einen starken Schilling nach außen, vergessen dabei aber, daß der Innenwert der heimischen Währung durch die inflationistische Entwicklung ausgehöhlt ist. Daraus erklärt sich auch die Abnahme des Anteils Österreich am gesamten Welthandel in den letzten Jahren (dieser Anteil betrug Ende 1974 0,92 Prozent).

Gelingt es, die Exportwirtschaft auf volle Touren zu treiben, so wäre die wirtschaftliche Aufwärtsbewegung gerettet. Vorläufig handelt es sich bei der Exportkonjuinktur ausschließlich um eine Mengenkonjunktur mit nur äußerst geringen Erträgen. Daß eine Ausfuhrerweiterung durch die Kursentwicklung des Schillings gehemmt wird, dürfte unbestritten sein. Schwerwiegender ins Gewicht fällt freilich, daß der weltweite Konjunkturaufschwung zur Zeit seine Impulse noch vorwiegend aus der wiederbelebten Konsumgüternachfrage und den Lagerauf-stockungen erhält, während sich die eigentliche Investitionstätigkeit (Anlage- und Erweitenungisinvestitionen) noch kaum belebt hat, so daß vor allem die Maschinen-, Apparatebau-und Stahlindustrie vorerst kaum mit gesteigerten Auftragseingängen aus dem Ausland rechnen kann, was denn auch durch die dünne Auftragsdecke in dieser Branche untermauert wird.

Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hat in dieser Situation eine abwartende Position bezogen. Einmal hofft sie auf den Verzögerungseffekt, der die • österreichische Wirtschaft erst nach einem mehrmonatigen Abstand von internationalen Besserungstendenzen erfahren läßt. Das andere Mal kalkuliert sie mit einer äußerst zurückhaltenden gewerkschaftlichen Lohnpolitik im kommenden Herbst, wodurch der Kostendruck auf die heimischen Unternehmungen ein wenig schwächer würde. Experten, wie Professor Erich Streißler von der Wiener Universität, meinen, daß die Weiterentwicklung der heimischen Konjunktur vor allem davon abhänge, ob es gelingt, die Zuwachsraten bei der kommenden Lohnrunde unter sechs Prozent zu halten. ÖGB-Präsident Benya zeigt sich bislang in dieser Frage höchst einsichtig. Er glaubt, daß auch radikalere Fachgewerkschaften bei der Stange au halten sein werden.

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