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Herbstmanöver im wehrhaften Tirol"

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Am 22. Oktober endet die große Raumverteidigungs-übung'82. Eine Woche war der Raum Kufstein rund um den Wilden Kaiser Schauplatz des bisher zweitgrößten Manövers.

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Am 22. Oktober endet die große Raumverteidigungs-übung'82. Eine Woche war der Raum Kufstein rund um den Wilden Kaiser Schauplatz des bisher zweitgrößten Manövers.

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Heiß umkämpft ist seit dem 15. Oktober der Raum um die Tiroler Grenzstadt Kuf stein. Bis zum 22. Oktober findet dort die Raumverteidigungsübung (RVÜ) 1982 statt. Gleichzeitig veranstalten Vertreter der Friedensbewegung die sogenannte „Aktion Taubenschlag" und versuchen, die Bevölkerung von ihren Vorstellungen eines waffen- und gewaltfreien Widerstandes zu überzeugen.

Bei der Raumverteidigungsübung 1982 handelt es sich um das zweitgrößte Manöver in der Geschichte des Bundesheeres und um das größte im österreichischen Westen.

Rund 14.000 Mann, davon 70 Prozent Reservisten aus Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich und Kärnten, nehmen daran teil.

Die Angreiferpartei „Orange" unter Oberst Günther Wild, Kommandant der 4. Panzergrenadier-Brigade, wird vornehmlich von Oberösterreichern gebildet. Sie sind gegen die „blauen" Verteidiger unter Oberst Viktor Wanner, Kommandant der 8. Jägerbrigade, in den Kuf steiner Raum vorgestoßen.

Die Verteidiger mit etwa 7300 Mann sind dem Angreifer (rund 5000) nicht nur zahlenmäßig überlegen, sie sind auch in den Bergen zu Hause und fügen sich so in das Gesamtkonzept der Raumverteidigung, bei der es - militärisch gesehen —vor allem um die Verteidigung von Schlüsselzonen geht, ein.

Zwischen den Schlüsselzonen liegen die Raumsicherungszonen, in denen Aggressoren mit der Taktik der „tausend Nadelstiche" bekämpft werden sollen. Das Rückgrat dieser Verteidigungsform bildet die Landwehr, das sind vor allem Soldaten der Miliz in ihren jeweiligen Heimatregionen. Für sie gilt es, den Heimvorteil auszunützen.

Die mobile Landwehr ist für bewegliche, schwergewichtsmäßige Einsätze im gesamten Bundesgebiet vorgesehen. Ein wesentlicher Punkt für das Funktionieren dieses Systems ist die aktive Zusammenarbeit zwischen Heer und Bevölkerung.

Durch Plakate wurde die Bevölkerung des Kufsteiner Raumes vom bevorstehenden Manöver informiert und gerade von den „wehrhaften" Tirolern erwartet man sich zumindest ein konstruktives Verständnis.

Im Rahmen der Großübung, die vom Tiroler Militärkommandanten, Divisionär Winfried Mathis, geleitet wird, wird überdies die „Umfassende Landesverteidigung" in ihren verschiedenen Bereichen erprobt, wobei auch zivile Organisationen wie Feuerwehren, Bergrettung, Bergwacht, Rotes Kreuz und Exekutive zum Einsatz gelangen.

Ursprünglich hätte die Übung in der Steiermark stattfinden sollen. Aus staatspolitischen Überlegungen wurde sie jedoch nach Tirol verlegt- sozusagen zur „Rundumverteidigung" der Neutralität. Dabei geht es nicht darum, ob diese oder jene Partei gewinnt, sondern um die Uberprüfung des Ausbildungsstandes und der Einsatzbereitschaft der Truppe.

Jetzt wird sich auch herausstellen, ob Konsequenzen aus den Erfahrungen der Übung im Jahr 1979 gezogen wurden. Damals fielen Probleme der Führungsfähigkeit des Kaders und Ausrüstungsmängel auf.

Im operativ-taktischen Bereich erwartet man sich drei konkrete Aufschlüsse:

# Antwort auf ein mögliches Bedrohungsbild im Westen Österreichs;

# Koordinierte Führung auf Bezirksebene im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung;

• Verteidigung eines wichtigen Schlüsselraumes im Inntal — auch unter schwierigen Bedingungen.

Die Bevölkerung in Tirol steht Manövern erfahrungsgemäß positiv gegenüber—besonders Gastwirte und Geschäftsleute. Immerhin werden einige Millionen in der Region umgesetzt. Auch das Verhältnis zu Bauern ist gut, denn die Abgeltung von Flurschäden erfolgt großzügig, rasch und unbürokratisch. Und während des Manövers läuft im Bezirk Kufstein ein Rahmenprogramm mit Vorträgen und Ausstellungen ab.

Mit Diskussionen, Happenings, Ausstellungen und einem Friedensmarsch gestalten die Verteidigungsgegner ihr Alternativprogramm. Die von den 22 Organisationen der Tiroler Friedensplattform getragene „Aktion Taubenschlag" wül die Bevölkerung davon überzeugen, daß man auch im Falle einer Aggression auf eine militärische Verteidigung verzichten müsse.

„Statt Raumverteidigung soziale Verteidigung" lautet die Devise der Friedensbewegung. Ihr Rezept ist der gewaltlose Widerstand.

Presseoffizier Major Parth zeigt Verständnis: „Menschen, die den Frieden lieben, stehen zu uns Bundesheer-Angehörigen keineswegs im Gegensatz. Ich habe schon an vielen Friedensdiskussionen teilgenommen und ich bin gerne bereit, diesen jungen Menschen ihre Sorge um den Frieden zu glauben. Ich muß aber immer wieder darauf hinweisen, daß auch wir Soldaten vom Bundesheer keine blutrünstigen Landsknechte sind, und das österreichische Bundesheer kein Kriegsinstrument darstellt, sondern der Erhaltung des Friedens dient." Und er hält den Vertretern der Friedensbewegung seine Erfahrung entgegen: „Ich war selbst drei Jahre lang am Golan und im Libanon im Einsatz und weiß am Beispiel Libanon aus Erfahrung, was es bedeutet, wenn ein Land mehr oder weniger hilflos der Willkür aller Feinde und Interessengruppen ausgesetzt ist."

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