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Herr Doktor, was kosten Sie uns?

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Das Institut für Wirtschaftsforschung errechnete die Kosten des Medizinstudiums. Aber leider gibt es keine Statistik über die Höhe der ärztlichen Einkommen ...

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Das Institut für Wirtschaftsforschung errechnete die Kosten des Medizinstudiums. Aber leider gibt es keine Statistik über die Höhe der ärztlichen Einkommen ...

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Was kostet der lange Weg zum Doktor der Medizin? Wie sieht es mit dem „Ertrag“ einer solchen Investition aus — für den einzelnen, für die Gesellschaft? Diese Fragen versucht eine im Auftrag der österreichischen Ärztekammer vom Wirtschaftsforschungsinstitut erarbeitete Studie zu klären.

Bei der derzeitigen Medizinerflut und den daraus resultierenden, oft jahrelangen Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz nach Beendigung des Universitätsstudiums fragt sich das so mancher

Kandidat für den „Doktor der gesamten Heilkunde“. Aber auch für den Steuerzahler ist es nicht ganz uninteressant, handelt es sich doch beim Medizinstudium um ein teures Studium. Durch eine Drop-out-Rate von 30 Prozent wird auch eine schöne Stange Steuergeld fehlinvestiert.

Erstmals in Osterreich wurden mit dieser Studie die Kosten für eine bestimmte Studienrichtung ermittelt. Bei einer Studiendauer von 14 Semestern errechnete Georg Busch, Sozialreferent des Wirtschaftsforschungsinstituts, volkswirtschaftliche Gesamtkosten von 2,7 Millionen Schilling. Etwas über eine Million davon muß der Student selber tragen (Ausgaben für Bücher, Skripten, indirekte Kosten durch den Entgang eines Netto-Arbeitsverdienstes, wie er dem Gehalt eines Maturanten in den ersten Jahren entspricht).

Die öffentliche Hand zahlt für die Finanzierung des Medizinstudiums (Ausgaben des Bundes für die medizinischen Fakultäten, Personal und Sachaufwand pro inskribiertem Hörer) pro Student und Jahr 120.000 Schilling. Damit liegen die Kosten für Medizinstudenten deutlich über den durchschnittlichen Ausgaben des Staates pro Student, die Bundeskanzler Franz Vranitzky kürzlich mit 83.000 Schilling bezifferte.

Uber die gesamte Studienzeit gerechnet betragen die Investitio-

Zahlt es sich aus, Arzt zu werden? nen des Staates für den angehenden Arzt also 840.000 Schilling, dazu kommen weitere 805.000 Schilling Ausfall an Staatseinnahmen, die durch den Verdienstentgang des Studenten und folglich von ihm nicht entrichtete Steuern und Sozialabgaben entstehen.

Insgesamt sind es also 1,64 Millionen Schilling, die die Gesellschaft zu tragen hat. Allerdings dürften die Summen in der Realität um einiges höher hegen, denn laut jüngstem Hochschulbericht beträgt die durchschnittliche Studiendauer bereits 16 Semester, wodurch sich die Kosten auf insgesamt 3,1 Millionen Schilling (1,2 Millionen trägt der Student selber) erhöhen.

Zahlt es sich nun überhaupt aus, den Beruf des Arztes zu ergreifen? Nackte Zahlen scheinen vorerst dafür zu sprechen. Immerhin hegt das Netto-Einkommensplus eines Arztes gegenüber einem Maturanten (vom 26. bis zum 60. Lebensjahr gerechnet) laut Studie bei 1,1 Millionen Schilling. Für die Gesellschaft schlägt der „Ertrag“ mit 2,2 Millionen zu Buche.

Allerdings, und hier hegt eine, wenn auch kaum vermeidbare, Schwachstelle: Als Grundlage für die Ertragsberechnung dienten die Gehaltsschemata für angestellte Ärzte, derzeit sicher nicht die repräsentative Mehrheit.

Der Ertrag kann sich, berücksichtigt man die in vielen Fällen viel höheren Einkommen dieser Mediziner, sicher sehen lassen. Doch zunehmend mit Einschränkungen: Als „nutzbringende, aber immer riskantere Investition“ bezeichnet Wirtschaftsforscher Busch das Medizinstudium.

Der künftige Medizinerbedarf wird von Ökonomen und Ärztekammer unterschiedlich gesehen. Meinen die Wirtschaftsforscher, daß Osterreich in Zukunft aufgrund der rapide fortschreitenden Uberalterung der Bevölkerung und dem steigenden Gesundheitsbewußtsein weiterhin steigenden Bedarf an Medizinern haben wird, kontert Ärztekammerpräsident Primarius Michael Neumann: „Nicht alle Wünsche sind bezahlbar!“

Der Ärztechef unterstreicht daher seine Forderung nach einer Selektion zu Beginn des Studiums: Im Rahmen eines „Propädeutischen Jahres“ sollten die angehenden Studenten Einblick in das Spitalsleben bekommen, die naturwissenschaftlichen Fächer auffrischen, medizinisches Englisch lernen und auf das ärztliche Gespräch vorbereitet werden. Prüfungen sollten dann über einen definitiven Zugang zum Studium entscheiden.

Mit dieser Regelung soll einerseits der in den letzten Jahren schon verlangsamte Andrang zum Medizinstudium (1981: 2.569 Erstinskribierende, 1986: 1.564) auf ein vertretbares Maß zurechtgestutzt werden, andererseits soll damit auch dem Steuerzahler Geld erspart werden. Primarius Neumann: „Die Kosten für ein so teures Studium sind für alle, die später keine ausbildungsadäquate Tätigkeit ausüben können, fehlinvestiert. Wenn von in den nächsten Jahren anzunehmenden 5.000 Jungärzten, die auf einen Ausbildungsplatz warten, nur zehn Prozent in andere Berufe abwandern müssen, sind 1,55 Milliarden Schilling, davon 430 Millionen Steuergelder, fehlinvestiert. Überdies verursachen die rund 30 Prozent Studienabbrecher Kosten von 261 Millionen, wovon 84 Millionen Steuermittel sind.“

Eine zweite Forderung der Ärztekammer ist daher die Schaffung von „Umsteigemöglichkeiten“ während des Medizinstudiums.

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