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Herr-Krenn-Puzzle

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Pfarrer Rudolf Schermanns „Kirche intern“ schoß scharf, „Was schert sich unser Vatikan-Commissario um Konsens und korrekte Vorgangsweise oder gar um Transparenz“, wetterte der Herausgeber im Mai 1988, „wenn es darum geht, seine Lieblingsideen mit Hilfe der Autorität einer Bischofskonferenz einer merklich uninteressierten Zuhörerschaft bekanntzugeben.“

Schermann zielte auf den Wiener Weihbischof Kurt Krenn. Und auf ein Papier, das — ,.Kirche in-tern“-Diktion: ein „Kuckucksei“ — bei der Abschlußpressekonferenz der österreichischen Bischofskonferenz am 24. März fotokopiert an Journalisten verteilt worden ist. Inhalt: Eine höchst eigenwillige Interpretation der neuen Enzyklika „Sollicitudo rei socialis“.

Dieser Text, von der „Kath-press“ im Wortlaut mit allen anderen Bischofskonferenz-Unterlagen publiziert, wurde bald durch einen versteckten Hinweis (FURCHE 13/1988) abgeschwächt. Es handle sich dabei „nicht um eine offizielle Erklärung der österreichischen Bischöfe“. Die Verwirrung war perfekt. Woher und von wem stammt dann die Stellungnahme?

Weihbischof Krenn, im „Club 2“ vom 14. Juni darauf angesprochen, empfahl, „diesen Zettel“ gleich wieder zu vergessen: „Das war ein Zettel — ich möchte meinen Mitbruder nicht nennen, der ihn erbeten hatte - von einem Mitarbeiter, nicht von mir.“ Und deutlicher: „Es handelt sich um ein reines Pro memoria für Stichworte, das war exzerpiert von irgendeinem Sekretär aus der .Deutschen Tagespost' und sollte gar nicht verteüt werden, ist irrtümlich abgelichtet und als Erklärung der Bischöfe ausgegeben worden.“

Krenns pauschales Resümee: „Journalistenpech“. So einfach erklärt sich das.

Der Versuch, Licht ins Dunkel dieser Nicht-Bischofserklärung zu bringen—und weü die österreichischen Bischöfe gerade an einem „Sozialhirtenbrief“ arbeiten, sollte kein Mißverständnis die Beratungen belasten —, ist dagegen vergleichsweise kompliziert.

Gleich vorweg: Schermanns Angriff auf Krenn und dessen „nächtliche Fleißarbeit“ war ein Untergriff. Kein Wort „des Zettels“ stammt vom Wiener Weihbischof.

Andererseits ist auch der Eindruck, den der „Club 2“ vom 14. Juni hinterlassen haben könnte, daß Kurt Krenn eigentlich überhaupt nichts damit zu tun habe, falsch. Nicht „von irgendeinem Sekretär“ (Krenn) wurde das Papier zusammengestellt, sondern von Wühelm Raith, dem Sekretär des Weihbischofs. Und dieser ist damit auch am 24. März zu Bischof Johann Weber in die bereits laufende Pressekonferenz geeilt, was zur Schlußfolgerung geführt hat, der Text stamme von Krenn.

Nun haben Weber und Raith in dieser Angelegenheit weder vorher noch nachher je ein Wort gewechselt. Wohl aber hat der Grazer Diözesanbischof Weihbischof Krenn um ein Papier für die Pressekonferenz ersucht, das einen Uberblick über den Inhalt der neuen Sozialenzyklika gibt.

Krenn hat dafür offensichtlich selbst keine Zeit gefunden und seinen Sekretär damit beauftragt, „etwas“ zusammenzustellen. Herausgekommen ist ein Herr-Krenn-Puzzle.

Raith stieß auf einen Beitrag von Thedor Herr in der „Deutschen Tagespost“ vom 19. März, in dem der Paderborner Professor für christliche Gesellschaftslehre sehr subjektive Schlußfolgerungen zieht. Rund die Hälfte dieser Herr-Ausführungen wurde abgeschrieben: ohne irgendein Anführungszeichen, ohne jede Quellenangabe.

Ist das schon Zufall, handelt es sich zufällig nur um den kleinsten Beitrag, den Herr zu diesem Thema in der „Tagespost“ publiziert hat. In zwei Artikeln zuvor hat er ein viel umfassenderes Bild gezeichnet, weniger subjektiv kommentierend. Wenn er etwa am 25. Februar betont, „die Soziallehre des Papstes ist etwas Eigenständiges, das in kein anderes politisches oder soziales System hineinpasse“, darf die am 19. März erfolgte Einverleibung der Enzyklika nur für die „freie Marktwirtschaft“ sogar als Widerspruch empfunden werden.

Bischof Weber konnte das nicht wissen.-Er mußte sogar annehmen, das ihm von Raith sehr spät ausgehändigte Papier sei das von Krenn erbetene. Da es keinerlei Hinweis gibt, daß der Wiener Weihbischof zuvor noch Weber mitgeteilt hätte, sich nicht selbst der Sache angenommen zu haben, wäre Mißtrauen unbrüderlich und fehl am Platz gewesen.

Hellseherische Fähigkeiten hätten das Verwirrspiel verhindern können, aber daraus ist weder Bi-. schof Weber noch Journalisten ein Vorwurf zu machen. Und um sorgfältige Recherche hat sich die FURCHE jetzt bemüht, weil das ,Ja wirklich also nur aus einer ganz sonderbaren Aktivität zu erklären“ ist (Weihbischof Krenn im „Club 2“).

Ob da nicht eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit dieser neuen Enzyklika vorliege, wurde Krenn damals gefragt. Seine Antwort ohne Weglassung oder Kommentar: „Der Vorwurf müßte an die gehen, die 's gemacht haben. Ich kann hier nur erklären, ich kann nichts verantworten.“

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