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Hertzel und Tsiyyon

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Der Gründer des moder- nen Zionismus hieß Theo- dor Herzl. Er lebte in Wien und war Redakteur einer angese- henen Zeitung, seine Mutter- sprache war deutsch.

Zu Beginn des Jahrhunderts, als so etwas auszusprechen noch eine Utopie war, sagte er, daß in dreißig, spätestens fünf- zig Jahren ein jüdischer Staat existieren wird. Kein Wunder also, daß man in den Schulen vom Visionär des Staates lehrt, kein Wunder auch, daß es in fast jeder Stadt eine „Herzl- Straße" gibt. Nur: Die Tücke der Orthographie macht es, daß in einer Stadt die Straße „Hert- sel", in einer anderen „Hert- zel" und in einer dritten sogar ausnahmsweise richtig „Herzl- Straße" heißt.

In hebräischer Schrift bildet der Name kein Problem, die Sonderlichkeit beginnt, wenn man den Namen in das Engli- sche übersetzt. (Die Straßen- namen in Israel sind zweispra- chig und sehr oft kommt als dritte Sprache noch arabisch hinzu.) Nun hat es die hebrä- ische Sprach-Akademie si- cherlich nicht leicht, eine allen entsprechende Schriftweise in der Fremdsprache, in diesem Fall Englisch, zu finden. Nach der Staatsgründung vor über 40 Jahren wollte man die Na- men derart phonetisch schrei- ben, daß sich damals die tsche- chische Sprache als am mei- sten geeignete Sprache anbot.

Dies wurde auch über ein Jahrzehnt so praktiziert, bis eine neue Generation von Sprachforschern und Litera- tur-Professoren beschloß, die englische Übersetzung müsse phonetisch allen verständlich geschrieben werden. So wer- den jetzt alle Straßennamen phonetisch geschrieben, wobei sich offenbar manch ein Bür- germeister oder Dorfschulze für einen großen Kenner der englischen oder fremden Pho- netik hält und dementspre- chend Straßennamen aus der Taufe hebt.

In Beer-Schewa, Dimona und Naharia Jeh gibt es des- halb eine anders geschriebene Straße auf den Namen des Gründers des Zionismus. In Jerusalem, dessen Bürgermei- ster Teddy Kollek wie Herzl aus Wien stammt, und in Herz- lia, das seinen Namen noch der alten Zeit verdankt, wird der Name „Herzl" sogar richtig geschrieben!

Ein weiteres Opfer der Sprach-Magier ist das einfa- che, in jeder deutschen, engli- schen oder französischen Bi- bel zu findende „Zion". Jeder, der von und nach Jerusalem kommt, kann an den Straßen- schildern zu seinem größten Erstaunen ein Unding der Sprache lesen: „Tsiyyon".

Ein Trost ist jedoch vorhan- den: Diejenigen, die ohnehin nur hebräisch lesen, werden nicht gestört, und die Touri- sten, die solche Namen lesen, können höchstens den Kopf schütteln, oder gar keinen Zusammenhang zwischen Herzl, Zion und ähnlichem mit den verballhornten neuen Na- men sehen. Sie können es als eine Merkwürdigkeit des Lan- des ansehen, was ja auch stimmt. Außerdem fahren sie wieder nach Hause zurück.

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