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Heute marod, morgen tot?

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Auch mit dem Paukenschlag einer „Lex Credit-anstalt” dürfte das letzte Wort zum Thema Milliarden für „Strukturpolitik” noch nicht gefallen sein.

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Auch mit dem Paukenschlag einer „Lex Credit-anstalt” dürfte das letzte Wort zum Thema Milliarden für „Strukturpolitik” noch nicht gefallen sein.

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In der Führungsetage der Österreichischen Industriever-waltungs AG (ÖIAG), der Holding für die Verstaatlichten Betriebe wird bereits von weiteren Milliarden für die maroden Stahlbetriebe geflüstert. Die Creditan-stalt bestätigt freudig das Gerücht, während Arbeiterkämmerer und Ex-Staatssekretär der Regierung Kreisky, Ernst Eugen Veselsky trocken meint: „Da sollte jetzt nichts mehr nachkommen.”

Zunächst ein kurzer Blick in die jüngste Vergangenheit, bevor sich

Österreichs Steuerzahler endgültig an den Griff in ihre Kasse gewöhnt haben: im Jahr 1981 gewährte der Bund sechs Milliarden Schilling für die Vereinigten Edelstahlwerke (VEW) und für die Voest Alpine, im November 1982 kamen weitere 3,5 Milliarden Schilling dazu. Im November 1983 lehrten die verlangten 16,6 Milliarden Schilling sogar die sonst in Verstaatlichten-Fragen eher konziliante Opposition das Fürchten. Sie verweigerte mit Hinweis auf fehlende Sanierungskonzepte die Zustimmung.

Zwischendurch — im Jahr 1981 — mußte die Länderbank mittels Gesetz vor den Folgen der Eumig-und Klimatechnik (ÖKG) - Insolvenz gerettet werden. Kostenpunkt: die beiden Betriebe brachten gemeinsam immerhin 4,8 Milliarden Passiva zusammen.

Was sich die Creditanstalt von Vater Staat für die maroden Industriebetriebe Stölzle Oberglas, Steyr Daimler Puch, die Maschinenfabrik Andritz und Heid erhofft, ist noch nicht völlig geklärt — zwischen fünf und acht Milliarden Schilling, verlautet aus der CA, werden es vermutlich sein.

Daß es sowohl in den Verstaatlichten Betrieben wie auch bei Andritz und Heid neue Chefs in den Führungsetagen gibt und der Sessel des Steyr-Daimler-Puch-Generaldirektors Michael Malzacher ins Wanken geriet, mag dem Steuerzahler ebensowenig ein Trost sein wie die von Kontrollbank-Generaldirektor Helmut Haschek in der vergangenen Woche gemachte Bemerkung, auch US-Banken seien durch inländische Veranlagungen in die Insolvenz geschlittert.

Es nützt auch wenig, die Medien für gehässige Berichterstattung zu steinigen. Zu eindrucksvoll stehen die Zahlen im Raum.

„Es ist ein Kampf gegen Windmühlen”, seufzt der regionalpolitische Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts Felix Butschek und Veselsky spricht von einer „Sisyphus-Arbeit”: „Man muß den Stein immer wieder hinaufrollen, weil es keine Alternative gibt.”

Gibt es sie wirklich nicht? Oder nur deshalb nicht, weil man die Grundsatzfrage nach dem Sinn einer Großindustrie dieser Art nicht stellen darf ohne als „Ent-industrialisierer” dazustehen?

In einer kürzlich veröffentlichten Studie erklären Wirtschaftsforscher Karl Aiginger und Volkswirtschafter Gunther Tichy jedenfalls unmißverständlich, daß „die kleineren Einheiten technisch effizienter und wirtschaftlich rentabler sind als die größeren, meist rascher wachsen, den dominierenden Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen leisten und grundsätzlich bessere

Voraussetzungen für eine rasche Verbesserung der österreichischen Wirtschaftsstruktur bieten.” Die Nachteile sollen jedoch nicht verschwiegen werden: „... sie bestehen in bezug auf die Stabilität des einzelnen Arbeitsplatzes, im Bereich der Grundlagenforschung, der tiefgreifenden Entwicklung und des Exports.”

Die Großbetriebe aber, die nun mit Steuermitteln erhalten werden, bieten weder sichere Arbeitsplätze, noch exportieren sie in Märkte, die zukunftsträchtig und finanzstark sind. Was Forschung und Entwicklung betrifft, dürfte zumindest im Stahlbereich wenig vorhanden sein, Experten behaupten, daß auch Steyr Daimler Puch sowohl in der Waffentechnik als auch bei den Nutzfahrzeugen den technischen Anschluß in den letzten Jahren verpaßt hat.

Keine Lösung?

Die Regionaldaten sprechen eine deutliche Sprache. Die Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich hatten 1983 die höchsten Anteile am Arbeits-marktf örderungsbudget, Burgenland, Vorarlberg, Tirol und Salzburg die niedrigsten. Dennoch ist in Salzburg und Tirol der ProKopf-Anteil am Bruttoinlandsprodukt zwischen 1980 und 1983 gestiegen, während er in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark deutlich gesunken ist.

In der derzeitigen Situation Gegenstrategien zu entwickeln ist nicht leicht. Felix Butschek: „Man muß die Schlachtschiffe langsam versinken lassen, um Schockwirkungen zu vermeiden. Leichter wäre es gewesen, wenn man schön in den sechziger Jahren mit der Umstrukturierung begonnen hätte”. „Die Politiker müssen fest bleiben, und die Manager müssen sich durchsetzen”, Veselskys Lösung klingt einfach. Er weiß selbst wie schwer sie zu realisieren ist: „Ich kann mich gut erinnern wie das mit den Bergwerken in Fohnsdorf war. Der Betriebsratsobmann hat zu mir gesagt: .Wenn Sie des Werk schließen, Herr Doktor, schmeiß' ich Sie in den Brunnenschacht!' ”

Und in der Creditanstalt hat man, da die Idee von Aufsichtsratspräsident Fritz Bock, einen Teil der Betriebe in die ÖIAG einzugliedern, deren heftige Entrüstung hervorgerufen hat, selbst die Gründung einer Holding ins Auge gefaßt, als Ubergangslösung, um die Betriebe später abzugeben, was freilich Jahre dauern wird, denn, so weiß man: „Jetzt wird sie sicher keiner nehmen.”

Noch sind die erkennbaren Strategieänderungen minimal, dennoch so Butschek: „Ein Kurswechsel ist heute politisch leichter durchzusetzen.” Der Druck der Verhältnisse ist, wie man an den nüchternen Zahlen sieht, groß genug geworden.

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