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High-touch im Vormarsch

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Mit Massachusetts, Baden- Württemberg oder der Emi- lia Romagna assoziiert man Regio- nen, die den Strukturwandel er- folgreich bewältigt, aber vor allem eines gemeinsam haben: ihre Pro- sperität verdanken sie den Klein- und Mittelbetrieben, angesiedelt im industriell-technischen Bereich. Die drei genannten Entwicklungs- modelle haben zwar Vorbildcha- rakter für andere Regionen, sind jedoch aufgrund spezifischer Ent- wicklungsvoraussetzungen nicht übertragbar. Sie zeigen jedoch deutlich, was in regionalpolitischen Diskussionen stets betont wird, daß die Klein- und Mittelbetriebe „Wachstums- und beschäftigungs- politische Hoffnungsträger" sind. Klein- und Mittelbetriebe zeichnen sich im besonderen durch ihre Fle- xibilität, Innovationskraft und ihr hohes Maß an Spezialisierung aus.

Auch die Akquisitionsbemühun- gen der Betriebsansiedlung richten sich - in Verfolgung des kurfristi- gen Zieles des Sicherns eines regio- nalen Aktivitätsniveaus und des langfristigen Zieles, Beiträge zur Strukturerneuerung zu leisten - auf diese Zielgruppe. Zudem wur- de diese Ausrichtung durch die Um- wälzungen im „ehemaligen Ost- block" noch verstärkt.

Durch die Öffnung der Ostgren- zen wird die Konkurrenz in der Betriebsansiedlung zunehmend härter. Im „neuen Europa" wird, um komparative Kostenvorteile zu nutzen, eine großräumige Umorga- nisation arbeitsteiliger Prozesse stattfinden. Die lohnintensive Pro- duktion wird teilweise in den Osten abwandern, wo ein hohes Fachar- beiterpotential vorhanden ist. Auch expansive österreichische Unter- nehmen werden Betriebsstätten zunächst in der CSFR, Ungarn und Jugoslawien, später auch weiter östlich, als Alternative überlegen.

Für die Betriebsansiedlung erge- ben sich daraus folgende Neuorien- tierungen:

• Verstärktes Bemühen um hoch- qualitative, technologisch führen- de Klein- und Mittelbetriebe. • Bemühen um Unternehmen mit administrativen beziehungsweise betrieblichen Teilfunktionen, wel- che eine Kombination von Stand- ortvorteilen erlauben:

Dabei geht es um die Erarbeitung von Modellen, die die Stärken und Ressourcen verschiedener Länder in optimaler Weise kombinieren. Vorstellbar wäre beispielsweise ein Kooperationsmodell CSFR-Un- garn-Österreich mit verteilten Funktionen für Betriebs- und Holdingaktivi- täten. Ein ähnli- ches Modell, das unter dem Titel „Ungarisch- Österreichische Joint Ventures" bereits im Vor- jahr im Rahmen eines Sympo- sions in Buda- pest von der nie- derösterreichi- schen Betriebs- ansiedlungsge- sellschaft ECO PLUS der unga- rischen Wirt- schaft vorge- stellt wurde, sieht Produk- tionsstätten so- wohl in Ungarn als auch in Nie- derösterreich vor. Finalisie- rung bezie- hungsweise Ver- edelung der Pro- dukte sowie Ver- marktung und Vertrieb für die EG können über Niederöster- reich erfolgen, im Bereich* der Gemeinschaft des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) über Ungarn oder die CSFR. Dasselbe Modell istauchinbezug auf andere Län- der Mittel- und Osteuropas an- wendbar. Neben der Mithilfe bei der Errichtung von Doppel- Joint-Ventures könnte Nieder- österreich auch in der Vermittlung von westlichen Investoren für öst- liche Produktionsstätten seine Dienste anbieten.

Ein unausgeschöpftes Ressour- cenpotential findet sich, analog dem erwähnten High-tech-Bereich, im High- touch-Bereich. Darunter ver- stehen wir die Erstellung hochqua- litativer, personenbezogener Dienstleistungen in Bereichen wie Kunst, Kultur, Tourismus, Gesund- heit und so weiter. In der Regel handelt es sich um Betriebsformen, die in hohem Maße innovativ sind. Im Rahmen der Regionalisierung (i. e. das Regionalförderungspro- gramm des Landes Niederöster- reich) wurde eigens auch ein Rah- men zur Förderung von Kleingrün- dungen dieser Art geschaffen. Jung- unternehmern mit unkonventionel- len Ideen soll mit dieser Unterstüt- zung der Sprung in die Selbstän- digkeit erleichtert werden.

Seit Einsetzung der Regionali- sierung in Niederösterreich im Fe- bruar 1987 wurden bisher 265 Pro- jekte gefördert. Darunter befindet sich eine Reihe innovativer und kreativer Projekte, die dem High touch-Bereich zuzuordnen sind.

Ein weiterer Trend, der sich in Niederösterreich beobachten läßt, ist die Ansiedlung von Kombina- tionseinheiten, bestehend aus Büro und kleiner Produktionsfläche, sowie die Ansiedlung von Gewer- behöfen. Ein Beispiel dafür ist die Firma LKW -Walter im Industrie- zentrum Wr. Neudorf. Um diesen Ansiedlungstrend zu unterstützen, errichtet ECO PLUS selbst Hallen mit Büroeinheiten, die an Investo- ren vermietet werden.

In den Jahren 1985 bis 1989 wurden von ECO PLUS 171 Betrie- be in Niederösterreich angesiedelt. 18 Betriebe waren es schon alleine in diesem Jahr, die für Niederöster- reich gewonnen werden konnten. Gemessen an der Zahl der geschaf- fenen Arbeitsplätze handelt es sich bei den realisierten Ansiedlungen zu 70 Prozent um Klein- und Mit- telbetriebe.

In diesem Jahr wurden vom ECO PLUS-Stadtbüro bereits über 80 Standortanfragen betreut. Im Ver- gleichszeitraum des Vorjahres waren es rund 50. Wertet man dies als Indiz eines gestiegenen Interes- ses für den „Standort Niederöster- reich", so verliert das Land in der Betriebsansiedlung nicht an Ter- rain, sondern gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nicht zuletzt haben dazu auch die Bemühungen der bundeseigenen Betriebsansied- lungsgesellschaf t ICD und der ECO PLUS beigetragen.

Insbesondere sind es die nachste- henden Standortvorteile wie

• qualifizierte Fachkräfte (im „Osten" fehlen Manager westlicher Prägung, Rechts- und Finanzfach- leute, Kosten- und Planungsrech- ner, Finanzbuchhalter);

•hervorragende Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur;

• Bemühungen um EG-Integration einerseits und

• bestehende Kontakte und Bezie- hungen zu Ländern im Osten ande- rerseits,

die Niederösterreich anbieten kann, und die von vielen Investoren ange- nommen werden.

Durch die Öffnung im Osten sind für die österreichische Wirtschaft dynamikfördernde Impulse zu erwarten. Der Nachbarschaftshan- del wird intensiviert, auf langfri- stige Sicht werden sich die öster- reichischen Unternehmer auf die Ost-Märkte einstellen, in der Um- stellungsphase der östlichen Wirt- schaften kann in Ausübung der Drehscheibenfunktion von Oster- reich beziehungsweise Niederöster- reich ein vielfältiges Dienstlei- stungsangebot erstellt werden.

Aus dem Bündel der aufgezeig- ten Auswirkungen ergeben sich neue Chancen für unternehmeri- sche Initiativen. Diese an Nieder- österreich zu binden beziehungs- weise sie zu fördern, bedarf zwar großer Anstrengungen, wird jedoch Herausforderung und Aufgabe der nächsten Jahre sein.

Der Autor ist Hauptgeschäftsführer der ECO PLUS Betriebsansiedlung und Regionalisierung in NIEDERÖSTERREICH Gesellschaft m. b. H.

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