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Hilfe beim Aufbau der geistigen Infrastruktur

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Die immer wieder gestellten Fragen nach dem Nutzen von Hilfeleistungen für Entwicklungsländer- ob Aufwand und Resultate in vertretbarer Relation stehen; ob dieser Nutzen nicht nur die Reichen noch reicher mache; - solche Fragen haben auch, ja gerade für die einzige österreichische Schule in Ubersee Relevanz. 1975 wurde sie, das „Instituto Austriaco Guatemalteco“ in Guatemala City, aus dem Entwicklungshilfe-Budget herausgenommen und wird seither vom Unterrichtsministerium und dem Außenamt in Wien gemeinsam finanziert. Damit ist sie jetzt eindeutig als ein Mittel der Österreichwerbung etikettiert. Warum aber gerade in Guatemala?

Harald König (geboren in Graz 1907, gestorben in Guatemala 1976) ergriff die Diplomatenlaufbahn, kam nach Guatemala, gab die Karriere aber bald auf und gründete eine Privatschule in Argentinien, wo auch die deutsche Sprache gelehrt wurde. Nach 22jährigem Wirken von dort vertrieben, kehrte König nach Guatemala zurück, um hier 1958 wieder eine Privatschule mit Deutschunterricht aufzubauen, die er „Instituto Austriaco“ nannte, und die er leitete, bis eine schwere Erkrankung seine Arbeit und damit den Fortbestand der Schule in Frage stellte.

Österreich besitzt in Guatemala in der Person des Honorarkonsuls Franz J. Ippisch einen überaus aktiven, kulturell engagierten Vertreter. Es gelang diesem zunächst, Dr. Etta Becker-Donner, damals Leiterin des Völkerkundemuseums und Präsidentin des Lateinamerika-Institutes* in Wien, zu gewinnen, und mit ihrer Hilfe die Unterstützung österreichischer Stellen. ERP-Mittel, also Entwicklungshilfe, wurden bewilligt, um den durch Königs geschaffenen „good will“ für Österreich zu erhalten. Die Republik Österreich hat die Schule 1967 gekauft und durch ein neues Gebäude erneuert und erweitert. Sie gilt als „Versuchsschule“ und ist eine der vier führenden „Prestigeschulen“ unter den mehr als 460 Privatschulen, die wiederum 60 Prozent der Erziehungsanstalten des Landes stellen. Die anderen drei sind die amerikanische, die deutsche und eine kirchliche.

„Prestigeschule“ ist ein Stichwort.

Wer Gelegenheit hatte, hier einer Schülereinschreibung beizuwohnen, für d^n töt iHes%larr ihre rund Schüler stammen durchwegs aus gut bis sehr gut situierten Familien. Allerdings gibt es, betont der Vize-Direktor der Schule, Helmut Pak, ein Korrektiv, das verhindere, daß sie ausschließlich Kindern reicher Eltern zugute kommt: der Aufnahme der Vierjährigen in den Kindergarten - mit dem der Hstufige, bis zur Matura führende Lehrgang beginnt -geht ein Eignungstest voraus. Da erweist es sich, daß Kinder aus Mittelstandsfamilien zumeist selbständiger, charaktermäßig weiter entwik-kelt sind, als die von ihren „Mucha-chas“, den indianischen Kindermädchen, verzärtelten Sprößlinge der Reichen. „Diese sind oft unfähig, sich allein einen Schuh, einen Rock anzuziehen.“

Modell moderner Pädagogik

Es gebe zwar viele Pro und Kontra, letztlich „glauben wir aber, es bringt mehr, wenn wir Leute erziehen und zum kritischen Denken bringen, die vielleicht einmal in höhere Positionen im Lande aufsteigen werden, als wenn wir Kinder aus den untersten Schichten unterrichten und das dann nicht weiterführt“, sagt Direktor Pak. Auch geht es darum, Guatemala zu helfen, sich zunächst eine Art intellektueller Infrastruktur zu schaffen, und innerhalb dieser Menschen zu haben, die zu Österreich eine positive Beziehung besitzen. ' \

Die österreichische Schule liegt auf einer Anhöhe mit Blick auf die Stadt im Kranze erloschener Vulkane; eingebettet in subtropi-Vegetation mit Schwimmbecken, Tennisplätzen und Sportplätzen, ist sie wohl eine der schönsten Unterrichtsstätten, die Österreich je geschaffen hat.

Ihre Einrichtung entspricht derjenigen einer gut ausgestatteten modernen Schule in Österreich. Aber in staatlichen guatemaltekischen Schulen gibt es vielfach keine Bänke, keine Tafeln oder Bücher, oft nicht einmal Hefte, und bis zu hundert

Schüler pro Klasse. So sieht denn die Leitung der österreichischen Schule auch darin eine Leistung' für das Gastland, daß-sie den zahlreichen einheimischen Pädagogen, die sie besichtigen, demonstriert, was es an zeitgemäßen Lehrmitteln und -me-thoden gibt.

Überdies erstattet sie den örtlichen Unterrichtsbehörden alljährlich Bericht über ihre Lehrerfahrungen, die nicht immer unproblematisch sind. So scheint die Tatsache, daß mehrere Fächer auf deutsch, andere auf spanisch gelehrt werden, den Schülern später Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung zu verursachen.

Der Lehrkörper zählt rund 20 „Subventionslehrer“ - Österreicher, die von ihren Schulbehörden meist auf zwei bis drei Jahre freigestellt sind - und etwa 40 Guatemalteken, die von der Schule ausgewählt und bezahlt werden.

Und die Ergebnisse? „In unserer Lebensweise, die einerseits ihren Ursprung in der tropischen und subtropischen Umgebung hat, andererseits aber auf das spanische Erbe zurückgeht, entbehren wir, als handle es sich um ein Manko in unserer Ernährung, des Elements der Disziplin. Das Instituto Auriaco-Guatemalteco lehrt die Schüler diese Disziplin“, erklärt der Vater eines guatemaltekischen Schülers. Es ist diese, „nicht militärische, sondern pädagogische“ Disziplin, die, zusammen mit der besseren Gesamtausbildung, die guatemaltekischen Eltern offenbar veranlaßt, ihre Kinder zu den Österreichern zu schicken.

Nun ist die Gesamtschülerzahl ständig gestiegen - ein Beweis für das wachsende Ansehen der Schule -, parallel mit stetig zunehmenden Lernanforderungen die Zahl der Schüler in der Oberstufe aber zurückgegangen. Aufnahmebeschränkungen und strengere Auswahl am Fuße der Pyramide sollte bis 1982 zu einem ausgewogeneren Bildungsweg mit breiterer Spitzengruppe führen, meint Direktor Pak.

Es ist somit viel zu früh, um beurteilen zu können, inwieweit die Schule ihre Aufgabe erfüllt, Guatemala bei seiner Entwicklung entsprechend zu helfen und zugleich in Österreich Freunde auf Dauer zu gewinnen.

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