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Hilfe per Steuerabzug

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Die Zahl der ärmsten Länder der Erde wird immer größer. Österreich, Jahrzehnte hindurch Schlußlicht der internatio- nalen Entwicklungshilfe, hat die Herausforderung erkannt. Aber Budgetgeld ist rar. Sparstift bei den Ärmsten?

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Die Zahl der ärmsten Länder der Erde wird immer größer. Österreich, Jahrzehnte hindurch Schlußlicht der internatio- nalen Entwicklungshilfe, hat die Herausforderung erkannt. Aber Budgetgeld ist rar. Sparstift bei den Ärmsten?

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Die Entwicklung ist alarmierend: In der zurückliegenden Dekade hat sich die Zahl der ärmsten Länder der Erde sogar noch vergrößert. 31 waren es 19 81, heute sind es - so der der zweiten UN-Konferenz über die am wenigsten entwickelten Staa- ten vorgelegte Bericht - 41 mit 500

Millionen Einwohnern, 28 Staaten davon liegen allein in Schwarz- afrika. Und die Krise am Golf droht sie und andere durch höhere Ener- giepreise noch weiter ins Elend zu stürzen.

Ursachen, die nicht an den Emp- fängerländern internationaler Ent- wicklungshilfe liegen: Die reichen Geber haben auch ihre Zusagen über das Volumen der Hilfe nicht gehalten.

Im OECD-Bereich hat Österreich lange Zeit - und vom Entwick- lungshilfeausschuß der OECD (DAC) dafür in der Vergangenheit regelmäßig vernichtend kritisiert - das blamable Schlußlicht abge- geben. Weder Volumen noch Quali- tät haben D AC-Standards auch nur annähernd entsprochen. Im anste- henden DAC-Prüfungsbericht kommt die öffentliche heimatliche Entwicklungspolitik einmal mit einem blauen Auge davon.

Peter Aicher, zuständiger Sek- tionsleiter in der Direktion für Ent- wicklungszusammenarbeit in der OECD, ließ bei einer Exper- tentagung des Außenministeriums zwar grundsätzliche Genugtuung über den eingeschlagenen Weg der öffentlichen österreichischen Ent- wicklungszusammenarbeit erken- nen, ebenso aber die Sorge, daß es - gerade was den budgetfinanzierten Anteil der Entwicklungshilfe be- trifft - wieder einmal beim guten Vorsatz bleibt.

Der gute Vorsatz: Österreichs öffentliche Entwicklungshilfe soll bis 1993 qualitativ OECD-Stan- dard, zudem auch vom Volumen her den DAC-Durchschnitt von 0,35 Prozent des Bruttonational- produkts erreichen. 1987 mit 0,17 Prozent unter den DAC-Ländern noch an letzter Stelle, rangierte die Alpenrepublik im Vorjahr mit 0,23 Prozent des Bruttonational- produkts vor den USA, Irland und Neuseeland. Um freilich das ange- peilte Ziel zu erreichen, müßte es, rechnete Aicher vor, jetzt jährlich eine Steigerung von 20 Prozent geben. Eine wesentliche Erhöhung der Budgetmittel. Und das vor dem Hintergrund der Erfordernisse der Budgetsanierung.

Aicher registriert eine „beträcht- liche Finanzierungslücke", aus der er nur einen Ausweg sieht: einen mehrjährigen Entwicklungshilfe- Stufenplan, der in eine mittelfristi- ge Finanzplanung des Finanzmini- steriums eingebaut und durch sie abgesichert ist, damit die öffentli- chen Mittel auch zum gewünschten - und notwendigen - Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Und warnend: „Ich würde mich nicht darauf ver- lassen, daß diese Lücke von den -

Außenminister Alois Mock, von Aicher in der Reorganisation und Neuorientierung der österreichi- schen Entwicklungshilfe bestärkt, will diesem Problem unter anderem mit der Schaffung eines Mischkre- ditsystems begegnen. Denn „das derzeitige System der Finanzierung gebundener öffentlicher Kredite an Entwicklungsländer aus dem Kre- ditrahmen II des Ausfuhrförde- rungsverfahrens ist nur noch im Verhältnis zu einer sehr kleinen Anzahl von Staaten verwendbar". Den Experten legte Mock daher seinen Plan dar, „das gegenwärtige System durch ein Mischkreditsy- stem zu ergänzen beziehungsweise zu ersetzen, in dem der Anteil der Entwicklungshilfe direkt aus dem Budget finanziert wird". Wenn der Finanzminister mitspielt.

Und den brachte der Außenmini- ster auch noch in einem anderen Zusammenhang ins Spiel: Dem Lob für die in der Entwicklungsarbeit engagierten Nicht-Regierungsorga- nisationen Österreichs fügte er, „um die Organsisationen bei ihren Auf- gaben entsprechend zu unterstüt- zen", seinen Vorstoß hinzu, „im Rahmen der auch aus anderen Gründen erforderlichen Steuerre- form Zuwendungen an diese Orga- nisationen steuerlich abzugsfähig zu machen". Allerdings: So unge- wiß budgetäre Vorsorge für die nächste Zeit ist, so fraglich ist, ob man sich in der Wiener Himmel- pfortgasse mit dieser Idee anfreun- den kann.

Die Wertschätzung, die Ent- wicklungshilfe im Finanzministe- rium genießt, bremst allerdings voreilige Hoffnungen. Das von der Weltbank vorgeschlagene und bi- lateral abgestimmte „Special Pro- gramme for Assistance" (SPA) für die schwerverschuldeten Länder Schwarzafrikas - einem Schwer- punkt österreichischer Entwick- lungshilfe - wartet auf den heimi- schen Beitrag. Obwohl im Haus- haltsvoranschlag eingeplant, hat Finanzminister Ferdinand Lacina - „mir unverständlich" (Mock) - die geplanten 100 Millionen Schil- ling bisher nicht freigegeben. Der Außenminister hofft aber noch, daß sein Regierungskollege „seine plötz- liche ablehende Haltung revidiert, die Budgetmittel freigibt und künf- tig die Beteiligung Österreichs noch wesentlich ausweitet".

Ohne Druck der öffentlichen wie der veröffentlichten Meinung droht die öffentliche Entwicklungshilfe wieder einmal auf gute Vorsätze re- duziert zu werden: Die ärmsten Länder der Welt als Opfer unseres Sparstifts.

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