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„Keine heiße Asche einfüllen“, steht auf den schwarzen Plastikbehältern: ein Kübel der österreichischen Müllabfuhr, praktisch, aber nichts Besonderes. Und dennoch ist etwas ungewöhnlich an diesem so alltäglichen Gegenstand: Er steht nicht in Österreich, sondern am Rand einer Straße von Pedra Badejo, einer Provinzstadt auf den Kapverden. Mehr noch: Er ist wichtiger Bestandteil eines umfassenden Sanierungsprogramms, das seit 1985 im Rahmen der Städtefreundschaft mit dem südsteirischen Leibnitz aufgebaut wurde.

Was hier ohne bürokratischen Überbau und mit verhältnismäßig geringen Mitteln in die Wege geleitet wurde, ist ein geglücktes

Beispiel für das, was Experten als „Basisarbeit“ und als „eigenständige Entwicklung“ bezeichnen.

Die Idee für diese Städte; freundschaft — es soll nicht die einzige auf den Kapverden bleiben — geht auf das Jahr 1982 zurück, als der Grazer Hannes Fiedler anläßlich eines längeren Besuchs die Möglichkeiten und Wünsche dieser 4000 Einwohner zählenden Stadt erhob. Heimgekehrt, erzählte er von seinen Erfahrungen und fand bald Interessierte, vor allem in dem kleinen Städtchen Leibnitz, sowohl unter Politikern als auch unter Frauen und Männern an der Basis.

Wechselseitige Besuche und Kontakte trugen zum Wachsen der Idee einer Städtepartnerschaft bei. Ein umfassendes, wenn auch bewußt bescheiden gehaltenes Konzept wurde ausgearbeitet, und ab Jänner 1985 flogen die ersten Entwicklunghelferinneil und -helfer zu ihrem Einsatzgebiet auf der Insel Sao Tiago.

Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stand und steht die Stadtsanierung. Sie wurde von Hans Stoisser organisiert und von der Bevölkerung mit großer Zustimmung aufgenommen.

Das überaus erfreuliche Bild, das jener Teil von Pedra Badejo, der bisher saniert wurde, heute bietet, ist zum Großteil auf freiwillige Arbeit der Bevölkerung zurückzuführen. Vor allem Frauen waren sehr engagiert.

Gepflasterte Straßen, schön restaurierte Häuser, ein Wasser- und Kanalisationssystem, Viehtränken und Brunnen sowie eine gut funktionierende Müllabfuhr sind das Ergebnis der bisherigen Zusammenarbeit.

Daß Pedra Badejo heute nicht nur schmuck und sauber in einigen Stadtteilen, sondern auch weitgehend elektrifiziert ist, verdankt es einem ebenfalls von Leibnitzern aufgestellten Generator.

Karl Tschiggerl, ein Mechaniker, hat ihn installiert, und das Gerät versorgt jetzt nicht nur die Haushalte, sondern auch eine Reihe von Lehrwerkstätten sowie eine Ziegelpresse mit Strom.

Die Aufstellung des Generators führte übrigens dazu, daß Tschiggerl, der ursprünglich nur für diese Arbeit nach Pedra Badejo gekommen war, sich entschloß, am Aufbau einer Mechanikerwerkstätte mitzuwirken. Dort reparieren er und seine Mitarbeiter jetzt neben Autos und Traktoren alles von der Uhr bis zum Kühlschrank. Der Einzugsbereich der Werkstatt ist die gesamte InseL

Seinen Mitarbeitern will er bei- bringen, die Werkstatt einmal selbständig zu führen. Daher bemüht er sich auch, die Mitarbeiter nicht nur durch praktisches„lear- ning by doing“ (im Tun lernen), sondern auch durch theoretischen Unterricht zu schulen.

Dabei erweisen sich die Inselbewohner als technisch begabt: „Mit an Blech und zwa Stana können’s mehr als i mit mein Werkzeug“, stellt Tschiggerl fest.

Dieses Urteil wird auch von Michael Butschek, einem Tischler, der als Berater in einer Tischlereikooperative tätig ist, geteilt. Diese von acht Meistern getragene Kooperative ist der ganze Stolz von Pedra Badejo. Sie hat dazu beigetragen, daß sich die Stadt aus einem unbedeutenden Provinznest zu einem zweiten Zentrum neben der Hauptstadt Praia entwickelt hat.

Wurden anfangs mit einfachen Techniken nur roh gezimmerte Möbel erzeugt, so produzieren die Tischler heute auch fein gedrechselte Prachtmöbel im „portugiesischen Stil“ für die Hauptstadt.

Gleichzeitig blieb die Herstellung von sorgfältig gearbeiteten Stücken zum Selbstkostenpreis für die Bewohner der eigenen Stadt erhalten.

Obwohl sich solche Genossenschaften gut als Modell für demokratische Entwicklungsprozesse eignen, kämpfen sie doch oft mit Anlaufschwierigkeiten. Ein Beispiel dafür ist die von Frau Maria Butschek betreute Schneiderkooperative, die unter der Konkurrenz eingeführter Billigware lei-» det. Die Anfangsflaute scheint aber jetzt überwunden zu sein.

Ein weiterer Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit lag von Anfang an auf der Leistungssteigerung des Gesundheitswesens. Vorrang wurde dem Ausbau der Vorsorgemedizin in den Landgebieten eingeräumt. Eine Ärztin, Evelyn Holzinger, war bei dieser Aufgabe eingesetzt, und Anita Pichler, eine Hebamme, war besonders für die Schwangeren- und Kinderbetreuung verantwortlich.

So wichtig diese Aufgaben auch sind und so sehr ihre Bedeutung auch stets von den örtlichen Be-

hörden unterstrichen wird, war die Tätigkeit der beiden Frauen in der von Männern dominierten und von einer starren Bürokratie geprägten Umgebung nicht leicht.

Traditionelle Vorstellungen von Gesundheitspflege kamen erschwerend hinzu. So erzählte Anita Pichler beispielsweise, sie habe höllisch aufpassen müssen, „daß mir die weisen Frauen die Wöchnerinnen nicht in kochendes Wasser setzen, weil sie das als heilungsfördernd ansehen“.

Jedenfalls haben die Konflikte, die in den ersten Jahren aufge brochen sind, jetzt zu einer Nachdenkpause bei den Behörden geführt.

Auf einen einfachen Punkt bringt eine weitere Österreicherin, die Werklehrerin Traude Trunner, ihre Erfahrungen: „Mir gefällt es hier!“ Sie meint damit vor allem ihre Zusammenarbeit mit einheimischen Lehrern und mit den Kindern. Mit ihnen stellt sie Material für den Unterricht her: Rechenschachteln, Filztafeln, Dreiecke… In Aufsätzen, Bildern oder selbstgeschriebenen Liedern erzählen die Kinder von ihrem Leben. Diese Berichte werden mit der Schule von Leibnitz ausgetauscht, die ihre Kinder wiederum zu ähnlichem Tim veranlaßt.

Dadurch rückt das Leben im jeweiligen Land den anderen näher und wird den Kindern vertrauter. Gestärkt wird damit die Grundlage des ganzen Projekts der Städtefreundschaft, nämlich die Entstehung einer lebendigen Beziehung zwischen Menschen, die in einem wechselseitigen Lernprozeß und Erfahrungsaustausch zueinander stehen.

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