7011129-1988_09_03.jpg
Digital In Arbeit

Hilfsstelle

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht nur das Nichterin-nern gibt es oder die Erinnerungen an das Böse. Es gibt auch die anderen Erinnerungen. Die werden nicht so laut ausgesprochen und sind daher oft kaum vernehmbar.

, Hilfsstelle“ ist der schlichte Titel einer solchen Erinnerung, der sich die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger in dem schmalen Band ,J£leist, Moos, Fasane“ hingibt. Eine poetische Erinnerung an eine Institution, die einst den prosaischen Namen .JLrzbi-schöfliche Hilfsstelle für nichtarische Katholiken“ hatte.

Ilse Aichinger erinnert sich, wie ihr als Kind in dieser Hilfsstelle „die Möglichkeit der anderen Existenz“ geboten wurde, „der Wärme der Geborgenheit, des Spiels.“ Sie kennt viele, für die dieser Anbau im zweiten Hof des erzbischöflichen Palais der einzige, und genug, für die es der letzte Beweis der anderen Existenz war. Sie findet dort Erinnerung, wo in der Zeit des Nationalsozialismus Judenchristen .Jiilfe und im inneren Sinn Rettung“ gefunden hatten.

Die Dichterin schildert, wie manchmal der Kardinal kam, Kardinal Innitzer, als Gastgeber der Hilfe und als ihr Gast: „Nicht wie Wohltäter zu Waisenhausfesten zu kommen pflegen, mit einem raschen Lächeln und ebenso rasch entschlossen, zu gehen. Er kam, bereit zu bleiben und nicht nur den Augenblick der Freude mit uns zu teilen... Eingestellte Deportationen, ein Visum dahin, ein Visum dorthin? Daran zu glauben, fällt manchen von uns bis heute schwer

Aber bis zuletzt werden wir die Dächer und Türme der Hilfsstelle von damals über uns fühlen, werden die Helfer von damals schützend in unseren Türen stehen, um die Schrecken abzuwenden oder wo das unmöglich ist, sie zu teilen. Bis zuletzt werden uns die Stimmen von damals glaubwürdig versichern, daß uns nichts geschehen kann.“

Viele von denen, die Hilfe geleistet, und noch mehr von denen, die Hilfe empfangen haben, sind tot. Kardinal Innitzer schrieb seine Bettelbriefe“ an den Papst, an das Staatssekretariat, an amerikanische, englische und irische Bischöfe. Bis Ende 1941 gelang es ihm, für 150 .^Schützlinge“ eine Ausreise zu erreichen. Und als die Deponierungen in die Konzentrationslager nicht mehr aufzuhalten waren, versuchte die Hilfsstelle mit den Verschleppten in Kontakt zu bleiben und verschickte Nahrungspakete. „Zu wenige Gerechte“ nennt Erika Wein-zierl ihr Buch, in dem sie auch die Arbeit der Hilfsstelle schildert. Aber es hat auch die Gerechten gegeben. Damals.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung