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Digital In Arbeit

Hilft weniger arbeiten?

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Die Diskussion um die Arbeitszeitverkürzung wird vielfach eher oberflächlich und nur aus mikroökonomischer Sicht geführt. Von der Warte und den Erwartungen eines Betriebes aus gesehen, mag zugegebenermaßen manches anders ausschauen, als wenn volks- und weltwirtschaftliche Perspektiven und auch ökologische Überlegungen mit einbezogen werden.

Wir haben uns viele Jahre über eine starke Produktivitätssteigerung gefreut. In der Tat war die Produktivitätssteigerung die Ursache des steigenden Wohlstands und Lebensstandards in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Nunmehr aber haben wir in der Produktion einen hohen Standard erreicht und da und dort treten bereits Sättigungserscheinungen auf. Von dieser Basis aus die Produktivität weiter expo-nentiell zu steigern, wird problematisch.

Einmal, weil wir bei einer fünf-prozentigen Steigerung der Produktivität in etwa 14 Jahren bei gleichbleibender Arbeitszeit doppelt so viel erzeugen würden wie heute; in 28 Jahren viermal und in 42 Jahren achtmal so viel. Um dasselbe Bruttoinlandsprodukt, das wir heute produzieren, herzustellen, würden wir — ebenfalls unter der Annahme einer fünf-prozentigen Produktivitätssteigerung — in 14 Jahren nur noch die halbe, in 28 Jahren nur noch ein Viertel und in 42 Jahren nur noch ein Achtel der jetzigen Arbeitszeit benötigen.

Mag sein, daß die Annahme einer fünfprozentigen Produktivitätssteigerung übertrieben ist. Nur ändert eine geringere Steigerung der Produktivität grundsätzlich nichts an der Problemstellung. Es verlängern sich nur die Zeiträume. Auch wenn der Produktivitätszuwachs künftig wie bisher sowohl in höheren Löhnen als auch in kürzerer Arbeitszeit konsumiert werden wird, verlängern bzw. verkürzen sich dadurch nur die Intervalle.

Der Produktivitätszuwachs — bisher Ursache und Rechtfertigung für Lohnerhöhungen und Freizeitvermehrung — wird, wie das Beispiel deutlich zeigt, zum Problem. Er versetzt immer weniger Menschen in die Lage, immer mehr zu erzeugen.

Was sich im primären Bereich (vor allem in der Landwirtschaft) vor Jahrzehnten abspielte, vollzieht sich nun, vielleicht in abgeschwächter Form, im sekundären Bereich.

Die Steigerung der Produktivität wird vor allem durch die ständige Prozeßinnovation und die „mikroelektronische Revolution“ ermöglicht. Und daß wir damit eher am Beginn denn am Ende stehen, ist jedem Eingeweihten klar.

Es ist sicherlich auch zu fragen, ob ein derartiger rasanter Fortschritt überhaupt möglich und wünschenswert ist. Jedenfalls ist eine exponentielle Wachstumssteigerung, abgesehen vom irrsinnigen und auf die Dauer unmöglichen Verbrauch von Energie und nicht mehr regenerierbaren Rohstoffen, einem nicht zu bewältigendem Berg von Abfällen und einem immer stärker werdenden Verdrängungswettbewerb auf den nationalen und internationalen Märkten — dann keine Alternative zur Arbeitszeitverkürzung, wenn die Arbeitsproduktivität rascher wächst als das Bruttoinlandsprodukt. Wenn nämlich das Wirtschaftswachstum kleiner ist als die Zunahme der Arbeitsproduktivität, so nimmt die Nachfrage nach Arbeitskräften ab, und es werden trotz Wachstum Arbeitsplätze verlorengehen.

Angesichts der Rationalisierungsmöglichkeiten durch schneller laufende Maschinen, durch computergesteuerte Anlagen, durch den Einbruch der Mikroelektronik in die Produktion und Verwaltung, durch vermehrte Möglichkeiten der Nutzung der Mikroelektronik auch in Mittel-und Kleinbetrieben, ist damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren der Produktivitätszuwachs vor allem im Produktionsbereich deutlich über der Wachstumsrate liegen wird.

„Eine diesbezügliche Wende hat sich in Österreich zu Beginn der achtziger Jahre vollzogen. Während in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes höher war als jenes der Arbeitsproduktivität, so daß die Beschäftigung zunahm, war es zu Beginn der achtziger Jahre umgekehrt, was zu einem Sinken der Beschäftigung führte.“

„Auch die Ausgangssituation ist eine andere, da sich die Motive der Arbeitszeitverkürzung wesentlich von denen der siebziger Jahre unterscheiden: Damals stand der Wunsch der Arbeitnehmer nach einer ihnen gerecht werdenden Verteilung des eingetretenen Produktivitätszuwachses auf Realeinkommensverbesserungen und Vermehrung der Freizeit im Vordergrund. Jetzt aber ist die durch die Wachstumsverlang-samung ausgelöste Verschlechterung der Beschäftigungssituation Anlaß für die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung“ (laut Beiratsstudie).

Jedenfalls wird der Weg, den wir bisher zur Sicherung der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswachstums mit voller Uberzeugung und mit gutem Gewissen und mit scheinbar überzeugendem Erfolg gegangen sind, zumindest auf Dauer nicht zum Ziele führen.

Der Autor ist Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte Vorarlberg.

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