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Himmel

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pe, als Gemeinschaft, als kleine Nation im Herzen Europas? Wie können wir beitragen, damit der Mensch wieder Mittelpunkt und Maß der Entwicklung wird, damit eine Entwicklung beginnt und weitergeführt wird, in der der Mensch nicht mehr Objekt sondern endlich Subjekt, Zentrum allen Bemühens und Einsatzes ist. Angesichts der schreienden Ungerechtigkeiten, angesichts andauernder Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen, Volksgruppen, ja ganzer Völker, appelliere ich an Sie, nicht länger ruhig zu bleiben und zu denken „Was geht das mich an? Uns trennen Kontinente I“

Ich fordere Sie auf und ermutige Sie, nicht länger zu schweigen, sondern Ihre Stimme zu erheben, zum Anwalt und Sprachrohr derer zu werden, die keine Stimme haben, 'oder, obwohl sie sich heiser schreien, nicht gehört werden, die vom „Festmahl des Lebens“ ausgeschlossen und an den Band gedrückt sind. Ich weiß, Sie spüren jetzt eine tiefe Ohnmacht, sindbetroffen, vielleicht sogar erschüttert und empört. Manch eine oder einer wünscht sich vielleicht ein Rezept, eine Anleitung, was ganz konkret getan, in die Wege geleitet werden könnte.

Die Problematik ist weltweit vernetzt, ich weiß es, und ich muß Sie enttäuschen, wenn ich Ihnen keine Patentlösung vorschlagen kann, wie jede einzelne, jeder einzelne, oder wie unser Land Österreich zur Lösung dieser Probleme beitragen kann. Ich weiß, es ist nicht einfach, mit einem Hieb den gordischen Knoten zu durchschlagen. Aber vielleicht geben Ihnen die folgenden Bitten oder Wünsche einige Denkanstöße für ein konkretes Handeln in Ihrem Leben, in Ihrer Umgebung, in Ihrem Einflußbereich, Es sind vielleicht nur „kleine“ Schritte, aber auch kleine Schritte, wenn sie nach vorne gemacht werden, führen zum Zieh

1) Das Evangelium, die „Frohe Botschaft“ vom Reich Gottes, das ein Reich der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe ist, beginnthierund jetzt und findet im Jenseits seine endgültige Vollendung. Es beginnt „hier und jetzt“, aber nicht ohne uns. Es fällt nicht vom HimmeL Unser aller Mitarbeit isterforderlich. Unsere Gesellschaft soll eine geschwisterliche Gemeinschaft werden. Beginnen wir damit in unserer Familie, in unserem Berufs- und Arbeitsleben, aber auch in unserem vom christlichen Glauben inspirierten Mitwirken an gesellschaftspolitischen Vorgängen. Ich glaube an die Kettenreaktion der Liebe, und „Solidarität ist das neue Wort für Liebe“.

2) Im Namen des Evangeliums treten wir gegen alle Formen von Haß, von Intrigen, gegen Unterdrückung und Ausbeutung, gegen all das sinnlose Morden auf. Nehmen wir Stellung zu Gesellschafts- und Wirtschaftsmodellen, die nicht den Menschen in den Mittelpunkt rük-ken und hinterfragen wir uns auch ganz bewußt oder werfen wir einen kritischen Blick auf unsere unmittelbare Umgebung: Wie gehen wir , mit Arbeitslosen, mit Drogensüchtigen, Aids-Kranken um? Welchen Platz nehmen Kinder, Kranke, Alte, Behinderte in unserer Gesellschaft ein? Wie stehen wir zu den Gastarbeitern, die in unser Land geholt wurden, um die Arbeit zu verrichten, die uns zu minder und zu schlecht bezahlt ist? Welche Form von Solidarität bringen wir für diese Gesellschaftsgruppen auf?

3) Forschung und Wissenschaft sind wichtig und notwendig. Wenden wir uns aber gegen jene Forschung, die jede moralische und ethische Grenze überschreitet, wenden wir uns dezidiert gegen jede Art von Experimenten, die gegen den Menschen und seine Mit-Welt gerichtet sind.

4) Wir habennur diese unsere Mitwelt. Hören wir auf den Schrei der gequälten Schöpfung. Wir brauchen Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken, Lebensmittel zum Essen. Wir brauchen gesunde Wälderund Felder. Wir können nicht ungestraft Umweltkapital von den zukünftigen Generationen borgen. Auch die Generationen nach uns brauchen diese Mit-Welt. Damit unsere Kinder und Kindeskinder nicht zu totalen Verlierern werden, müssen wir mit Sorgfalt und Behutsamkeit die Schöpfung bewahren und schützen. In jeder Eucharistiefeier verkünden wir die Auferstehung und das Leben. Werden wir uns dessen bewußt, daß diese Verkündigung auch ein Protest gegen alles und jedes ist, das den Tod bringt oder zum Tod führen kann? Jede Eucharistiefeier ist immer auch ein Auftrag, uns für das Leben gegen alle Todesmechanismen einzusetzen.

5) Viele von uns wissen, was Krieg bedeutet, wissen, welches Elend, welche Verwüstung und wieviel unsägliches Leid Kriege bringen. Rufen wir also auch zum Abbau des Mißtrauens zwischen Menschen und Völkern auf. Und vor allem, treten wir für eine weltweite Abrüstung ein, für eine Vernichtung aller Todesmaschinerien. Schließen wir uns dem Aufruf des Propheten an und schmieden Schwerter zu Pflugscharen um. Geld für Rüstung soll weltweit Geld für Leben werden.

6) Die Menschen in der sogenannten Dritten Welt wollen keine Almosen. Was sie wollen und worauf sie ein Recht haben, das ist Gerechtigkeit. Es müssen endlich gerechte Preise für alle Importe aus diesen Tündern bezahlt werden. Es ist ungerecht, wenn die Industrienationen ihre Produkte, die ohne die Rohstoffe aus diesen Ländern gar nicht angefertigt werden könnten, nun zu überhöhten Preisen an dieselben Länder liefern. Die menschliche Arbeitskraft muß gerecht entlohnt werden, E ine neue Weltwirtschaftsordnung muß Gerechtigkeit, Selbstbestimmungsrecht, Grund- und Freiheitsrechte für alle Menschen ermöglichen. Treten wir für eine neue Weltwirtschaftsordnung ein!

7) Die Auslandsverschuldung ist eine neue Form der Versklavung von Menschen und ganzen Völkern. Es braucht internationale Vereinbarungen, um die Schuldenlast auf das gerechte Maß zu reduzieren. Zinsen zu 20 Prozent und mehr sind willkürliche Maßnahmen, die der Unterdrückung dienen und brutale Konsequenzen einer unersättlichen Gier sind. Ein sofortiger Zinsstop und die schrittweise Entschuldung müssen schnellstens eingeleitet werden. Selzen wir uns dafür ein, wo immer es uns möglich ist und schließen wir uns internationalen Bewegungen an, die dies fordern.

„Entwicklung - was bedeutet das für uns?“

„Entwicklung - ein neuer Name für Friedenl“ „Friede - ein Werk der Solidarität“ (Populorum pro-gressio, Nr. 39), das sind Leitsprüche für eine neue Weltwirtschaftsordnung und für den gemeinsamen Einsatz für das Leben, das wir für uns und alle wünschen. Denken Sie nicht allzusehr an Ihre Ohnmacht der ganzen Problematik gegenüber. „Insgesamt hegt die Hoffnung der Welt auf den vielen Menschen der Basis an allen Orten der Welt, die darin mit Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zusammenzuarbeiten versuchen, daß sie Unrecht widerstehen und Alternativen zu leben beginnen.“ (Julio de Sant' Ana). Wider alle jene, die den Tod säen, wider alle Todesmechanismen, ich glaube an das Leben.

Auazug au einem Vortrag bei der Sommertagung der Katholischen Männerbewegung Österreich, am 11. Juli 1969 in Bad Leonldden.

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