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Hingabe der Persönlichkeit

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(A. S.)-„Der Sieg ist bei den Überwundenen" - diesen Satz des mystischen Gottsuchers Sebastian Franck aus seinen „Paradoxa" (1534) könnte man als Motto den Dichtungen der Gertrud von Le Fort voranstellen. Nicht die Triumphstraße der Erfolgreichen, sondern die via dolorosa der Duldenden und Gescheiterten führt letztlich zum ersehnten Ziel: zurGott-gewißheit der Suchenden und Zweifelnden.

Das ist die Grundüberzeugung der 1876 in Minden in Westfalen geborenen Dichterin, die aus einer hugenottischen Familie aus Savoyen stammt. Ihr Vater war hoher preußischer Offizier, ihre Mutter pietistisch gesinnte Protestantin. Die für Philosophie, Geschichte und Theologie Interessierte besuchte erst in ihrem vierten Lebensjahrzehnt als Hospitantin Vorlesungen an den Universitäten Heidelberg, Marburg und Berlin und war Schülerin des evangelischen Theologen und Kulturphilosophen Emst Troeltsch, dessen „Glaubenslehre" sie zwei Jahre nach dem Tod des Professors nach Unterlagen der Heidelberger Vorlesungen 1925 herausgab. 1926 erfolgte in Rom ihr Übertritt zum Katholizismus. Sie lebte dann längere Zeit in Baierbrunn im Isartal, bis dann 1939 Oberstdorf im Allgäu ihr ständiger Wohnsitz wurde. Dort starb sie am 1. November 1971 in ihrem 96. Lebensjahr.

Noch vor ihrer Konversion wurde die Dichterin durch ihre „Hymnen an die Kirche" (1926) bekannt. Diese ekstatischen Verse sind ein Zwiegespräch der nach Gott verlangenden Seele, der durch die Stimme seiner Kirche antwortet, die über den Konfessionen das „große Zusammen" ist, die Straße aller Straßen zu Gott. Sechs Jahre später folgen die „Hymnen an Deutschland" (1932), an das „Herzvolk des Erdteils". Damit war weder das Wilhelminische Deutschland noch das nach 1918 gemeint, vielmehr die Universalität des mittelalterlichen Reiches und das völkerverbindende Land der Zukunft, das sie ersehnt. Mit dem Dritten Reich und dessen Gottesferne hat sie ja nur leidvolle Erfahrungen gemacht.

Ausharren beim Ungläubigen

Die Erzählerin beginnt mit dem in Ich-Form geschriebenen Roman „Das Schweißtuch der Veronika" (erster Teil „Der römische Brunnen", 1928,zwei-terTeil „Der Kranz der Engel", 1946). Schauplatz der Begebenheiten ist das Rom der Gegenwart, in dem das Roma aetema der Antike ebenso gegenwärtig ist wie die Metropole des Katholizismus. Der Fortsetzungsband „Der Kranz der Engel" bringt Enzio, den durch den letzten Krieg verhärteten, glaubenslosen Verlobten Veronikas, in den weiteren Ablauf der Ereignisse. Trotz großer Gewissensqualen willigt das Mädchen ihm zuliebe in eine nichtkirchliche Ehe ein, damit der Ungläubige nicht allein bleibe in seiner Dunkelheit. Ihr Beichtvater bestärkt sie in ihrer Entscheidung: „Halten Sie dem Ungläubigen die Treue... Teilen Sie seine Dunkelheit, und er wird unbewußt Ihr Licht teilen!" Als Veronika schwer erkrankt und Enzio selbst den Priester ruft, scheint sich auch bei ihm die religiöse Wende anzubahnen. Die Vorgänge im zweiten Teil der Romanhandlung wurden seinerzeit in manchen Kirchenkreisen nicht widerspruchslos aufgenommen.

Der Glaubenskonflikt ist auch das Thema des Romans „Die Magdeburgische Hochzeit" (1936), von der Dichterin in den geschichtlichen Rahmen des Dreißigjährigen Krieges gestellt. Die legendäre Chronik „Der Papst aus dem Ghetto" (1930) führt ins mittelalterliche Rom und zeigt den

Machtkampf zwischen dem aus dem jüdischen Geschlecht der Leoni stammenden Papst Anaklet II. und seinem Gegner Innozenz II., ein bewegtes Bild aus der Zeit des Schismas.

Wirksamer durch ihre straffere Komposition sind die Erzählungen der Dichterin, so vor allem die Briefnovelle „Die Letzte am Schafott" (1931), vom Schicksal der jungen Blanche de La Force, die während der Französischen Revolution zunächst aus Angst aus dem Kloster der Karmeliterinnen flieht, dann aber zu ihren Mitschwe-stem zurückkehrt und mit ihnen unter der Guillotine stirbt.

Von ihren vielen Erzählungen sind erwähnenswert „Das fremde Kind" (1961), um die Judenfrage kreisend: Schuld und Sühne nach der chaotischen Zeit des letzten Weltkrieges im Bereich einer adeligen Familie. „Die Frau des Pilatus" (1953) zeigt, wie die Gattin des römischen Statthalters sich den Anhängern Christi zuwendet und schließlich mit diesen stirbt. „Am Tor des Himmels" (1954) läßt einen Schüler Galileis vom Leben seines Meisters und dessen erzwungenem Widerruf erzählen; doch seine geächtete Wissenschaft wird zur Siegerin.

Im Mittelpunkt der Dichtungen der Le Fort steht immer wieder die Frau. Sie ist die allzeit Gebende, die sich Opfernde, welche die religiöse Sendung des Menschen selbstloser erfüllt als der Mann. Solche Gedanken entwickelt sie in den Betrachtungen des Buches „Die ewige Frau" (1934). Auch ihr dichterisches Weltbild steht unter solchen Zeichen. Wenn dem Manne Dichtung Ausdruck der Persönlichkeit bedeutet, so ist für sie Dichtung Hingabe der Persönlichkeit, wie sie in einem Vortrag bekannt hat.

Für den religiösen Eros in ihren Werken hat die Universität München der Dichterin 1956 das Ehrendoktorat der Theologie verliehen.

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