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Hinreißen und trösten

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„Das Schöne wird die Welt retten", sagt Dostojewskis „Idiot", der Fürst Myschkin im gleichnamigen Roman. Solschenizyn hat dieses Wort in den Text seiner verhinderten Nobelpreisrede aufgenommen. Beide Male kommt das Wort von Menschen, die Leiden und Hölle erfahren haben.

Kunst, die in geringerer Tiefe entspringt, ist oft nicht so deutlich auf Schönheit aus.

Die Definitionen des Schönen sind zahlreich: Schönheit'ist „der Glanz der Wahrheit" sagt Thomas von Aquin; Schönheit ist „die verborgene Mathematik der Natur" sagt C. V. von Weizsäcker.

Otto Mauer hat behauptet, häßliche Kunst gebe es nicht. Das bedeute nicht, daß die Kunst nichts Häßliches darstellen dürfe, sondern daß das Kunstwerk als Ganzes und als solches schön ist. Es

darf sich der Dissonanz bedienen und dadurch spannungsreicher, eben schöner werden.

Prophetische Kunst als klagende, anklagende Darstellung des Grauens hat dann etwas vom Glanz des verlorenen ersten und des erhofften zweiten Paradieses an sich, ist relativ schön.

„Kriterien echter Kunst heute"? Ich halte diese Kriterien heute und immer dort für erfüllt, wo ein Kunstwerk „hinreißt und tröstet und hilft", und, bei all dem, dem wiederkehrenden Blick standhält.

Daß heute entstehende Kunst schwerer allgemeine Zustimmung findet als die Kunst früherer Epochen, liegt auch an dem ihr aufgegebenen Zwang, sich von der Kunst der Toten abzugrenzen, zumeist durch den Weg in die Abstraktion. Aber auch so entstehen Werke, die den gelassen Schauenden faszinieren, weil sie die Grenze der Sprache, des künstlerischen Ausdrucks in das noch Ungesagte, Unerhörte hinausschieben, dem Geheimnis neues Land abgewinnen.

Der Autor ist Bischof der Diözese Gurk-Kla-genfurt.

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